Wirtschaft auf der Krim: Neustart für den Mittelstand

Unternehmen profitieren von der Einrichtung der Sonderwirtschaftszone.

Unternehmen profitieren von der Einrichtung der Sonderwirtschaftszone.

Lori/Legion Media
Neues Land, neue Gesetze: Nach der Angliederung der Krim an Russland stellten neue Bedingungen den Mittelstand der Halbinsel vor alte Probleme. Vor allem bürokratische Hürden mussten genommen werden. Ein eigens geschaffenes regionales Programm hat den Unternehmern die Umstellung jedoch erleichtert.

Rund acht Millionen Euro, verteilt auf zwei Jahre, stellte die russische Regierung für die Unterstützung des Mittelstands auf der Krim zur Verfügung. Zudem sorgt eine auf der Halbinsel eingerichtete Sonderwirtschaftszone (SWZ) mit Steuererleichterungen für ein besseres Geschäfts- und Investitionsklima. Waren bürokratische Hürden erst einmal genommen, konnten die neuen russischen Unternehmen neue Businesspläne schmieden und die Erschließung des russischen Markts in Angriff nehmen.

Erfolg versprechend entwickeln sich auf der Krim gegenwärtig vor allem Handel und Tourismus. Eine große Nachfrage erleben kleinere Hotels, Restaurants, Ausflüge und die Schifffahrt. Profitabel sind aber auch kleinere landwirtschaftliche Betriebe, vor allem aus dem Weinanbau, sowie Gerätehersteller.

 

Edle Weine von der Krim

Im Krimgebirge, etwa 20 Kilometer von Sewastopol entfernt, werden in der Weinkellerei Uppa Winery Edelweine in kleiner Menge hergestellt. Vor acht Jahren gründete der Moskauer Sommelier und Restaurantfachmann Pawel Schwez die Kellerei. Kalkhaltige Böden und das sonnenreiche Klima der Halbinsel sind für die Herstellung trockener Qualitätsweine ideal, sagt er. Die Anwendung von Chemikalien komme für ihn nicht in Frage: Seine zehn Hektar Land werden ökologisch bewirtschaftet.

Die Weinkellerei Uppa Winery. Foto: Pressebild

In der angrenzenden Verarbeitungshalle werden die Holzfässer gefüllt, in denen der Wein im Keller reift. An die 40 000 Flaschen mit dem Siegel „Chernaya River Valley, Sevastopol“werden jährlich an Feinkostläden in Moskau, Sankt Petersburg und auf der Krim ausgeliefert. Mit der Angliederung ist die Nachfrage nach den edlen Weinen auf dem russischen Markt immens gestiegen.

Schwez erinnert sich noch gut an seine Anfänge als Weinbauer. Eine Lizenz zu bekommen sei mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen, die Anforderungen an einen kleinen Betrieb jenseits des Erträglichen gewesen, erzählt er. Doch Ende 2014 seien Gesetzesänderungen in Kraft getreten, um kleineren Winzern, die die Trauben aus eigenem Anbau verwenden, das Leben zu erleichtern. Der Winzer ist überzeugt, dass auf der Krim Weinbaugebiete entstehen könnten, die vergleichbar seien mit der französischen Champagne oder Bordeaux.

Er begann in Sewastopol, da dort geeignete Böden vorhanden seien. Nun komme es auf Investoren mit nachhaltigem Interesse am Weinbau an. Fünf Jahre lang müssten rund 870 000 Euro in die Entwicklung eines kleinen Weinguts investiert werden: 25 000 Euro je Hektar koste das Anpflanzen des Rebstocks, die Verarbeitungshalle schlage mit 325 000 Euro zu Buche, weitere 240 000 Euro seien für die Ausrüstung erforderlich. Dabei könne bis zum Verkauf der ersten Flasche viel Zeit vergehen – bei Schwez waren es sieben Jahre. Eine Finanzierung lohne sich bei derart langfristigen Projekten nicht, daher seien sie nur etwas für Privatinvestoren.

Der erfahrene Winzer wünscht sich, dass das Land nur an Investoren verpachtet wird, die dort den gesamten Herstellungszyklus aufbauen wollen: vom Anbau über die Verarbeitung bis zur Abfüllung. Auch touristische Infrastruktur dürfe nicht fehlen, damit Exkursionen in die Kellerei möglich seien. „Das Wichtigste aber ist, dass da, wo Krimwein draufsteht, auch wirklich Krimwein drin ist“, meint Schwez.

Das findet auch der russische Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew, der Uppa Winery kürzlich besuchte. In der kommunalen Verwaltung fand Schwez ebenfalls Gehör mit seinem Anliegen: Dort wird gerade an einem Gesetzentwurf zur Unterstützung lokaler Weinbauer und Winzer gearbeitet.

 

Funkgeräte als Exportschlager

Ein zentraler Industriezweig in Sewastopol ist nach wie vor die Herstellung von Funkgeräten. Ein ehemaliger Industriegigant aus der Sowjetzeit und die örtliche Technische Universität arbeiten hierbei Hand in Hand.

Seit 2001 stellt die Unternehmensgruppe Uranis Funkgeräte für die härtesten Einsätze her. Abnehmer fand das Unternehmen bislang vor allem im Ausland, doch nun soll auch der russische Markt erobert werden, wie der geschäftsführende Direktor Leonid Kaljuschnyj sagt: „Als die Krim noch zur Ukraine gehörte, stellten wir unsere Geräte größtenteils für den Export her. Heute sind wir weiterhin in der gleichen Branche tätig, doch die neue Firma Uranis Funksysteme orientiert sich am russischen Markt, vor allem an der Rüstungsindustrie.“

Die 80 Mitarbeiter des Unternehmens stellen Kurzwellenverstärker, Antennen und Transmitter her. Von den Sicherheitsbehörden und Auslandsdiensten vieler Länder werden sie stark nachgefragt. Kaljuschnyj erklärt: „Kurzwellenfunk dient als Reserve, weil man ihn anders als Satellitenverbindungen nicht abschalten kann. Unsere tragbaren Geräte stellen bei Katastrophenschutzeinsätzen, wenn etwa Erdbeben oder Überschwemmungen die ganze Infrastruktur vernichten, die Kommunikation sicher.“ Eingesetzt werden sie rund um den Globus: im Nahen Osten, in Südostasien, in Südamerika. „Wir exportieren ausschließlich zivile Technik, sodass damit keine Probleme entstehen“, fügt der Unternehmensleiter hinzu.

Auf dem russischen Markt Fuß zu fassen, war dem Unternehmen vor wenigen Jahren praktisch unmöglich – zu stark der Konkurrenzdruck, zu hoch das Misstrauen russischer Sicherheitsbehörden gegenüber einem ukrainischen Lieferanten. Seit 2014 aber ist auch der russische Markt für den Gerätehersteller aus Sewastopol offen. „Sanktionen, die die Hersteller aus den USA und Australien betreffen, sind für uns eine Chance, den russischen Markt zu erschließen. Wir beginnen erst damit, uns in diesen Markt zu integrieren. Interesse an unseren Produkten ist da, die Nachfrage wächst, gerade durchlaufen wir die erforderlichen Lizenzierungen und Zertifizierungen“, sagt Kaljuschnyi.

Seit Juni 2015 ist Uranis in der Sonderwirtschaftszone Sewastopol registriert. Das bedeutet Steuervorteile, wie etwa den Erlass der Grund- und Einkommenssteuer oder weniger Steuern auf Gewinne, Zölle auf den Ausrüstungsimport. In den ersten drei Jahren müssen nur 7,6 Prozent Sozialabgaben geleistet werden, anstatt der üblichen 30,2 Prozent. „Auf diese Weise sparen wir monatlich etwa 8 000 Euro an Lohnnebenkosten ein. Auch bei der Gewinnsteuer rechnen wir dank der Sonderwirtschaftszone mit Einsparungen. Diese Mittel wollen wir reinvestieren: größere Produktionsflächen, Gebäudesanierung, mehr Arbeitsplätze, höhere Löhne“, erklärt der Direktor von Uranis.

Ein Unternehmen auf der Krim zu gründen, sei nicht weniger aufwendig als in anderen Regionen, sagen Unternehmer. Es gebe sogar Vorteile. Natalia Wasiljewa, Direktorin eines vor Kurzem gegründeten Herstellers von Betoneinlagen aus Verbundwerkstoffen, sagt, dass es auf der Krim im Vergleich zu Moskau und anderen stark entwickelten Regionen viel leichter sei, passende Gewerbeflächen und -gebäude zu finden.

Die Miete sei wesentlich günstiger und die Transportkosten mit der Fähre würden durch die Subventionen der Sonderwirtschaftszone allemal gedeckt werden: „Dank der Sonderwirtschaftszone sinken unsere Selbstkosten. Auch wenn wir unsere Produkte mit der Fähre auf russisches Festland verfrachten müssen, bleiben unsere Preise konkurrenzfähig.“

 

Marmelade aus Rosen

Die neue Konditorei Tre Gioje in Jalta, dem wichtigsten Kurort der Krim, ist ebenfalls in der SWZ registriert. In dem Café werden Eis und Backwaren angeboten, die aus lokalen Zutaten hergestellt werden. Spezialitäten sind hier exotische Marmeladen aus Rosenblättern, Lavendel und Weißkirschblüten.

Die Jalta-Konditorei Tre Gioje produziert Marmeladen aus Rosenblättern, Lavendel und Weißkirschblüten. Foto: Pressebild

„Die Umstellung auf die russischen Gesetze war schwierig“, sagt Cafébesitzerin Jana Krupko. „Andere Regelungen zur Unternehmensgründung, andere Formulare, andere Besteuerungsformen – das alles mussten wir neu lernen.“ Andererseits hätten sie alle Vorteile der SWZ deutlich zu spüren bekommen, „bei der Verzollung von Ausrüstung, die wir aus Europa importierten, beispielsweise“.

Anfangs habe die Konditorei bei Milchlieferungen Schwierigkeiten gehabt: Die Milch mit der Fähre anzuliefern sei kompliziert gewesen. Heute allerdings würden die täglich 400 Kilogramm Speiseeis ausschließlich aus Milch hergestellt, die von Krim-Bauern produziert und auch nur auf der Halbinsel verkauft werden, erzählt Krupko. „Inzwischen haben wir Lieferverträge mit lokalen Bauern, mit der Qualität sind wir voll und ganz zufrieden“, betont sie.

Die Käsevielfalt fehle zwar noch, bedauert die Cafébesitzerin, etwa Mozzarella und Mascarpone. Seit der Einführung von Sanktionen werden dieses Käsesorten nicht mehr geliefert, weswegen die Cafés und Restaurants der Halbinsel sich bei russischen Lieferanten umschauen. Doch wegen der steigenden Nachfrage soll schon in diesem Herbst in Sewastopol die Herstellung von Ricotta und Mozzarella aufgenommen werden.

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