Mehr Patriotismus für Russlands Jugend

Russlands Präsident Wladimir Putin besucht das Jugendcamp "Seliger" im Jahr 2009

Russlands Präsident Wladimir Putin besucht das Jugendcamp "Seliger" im Jahr 2009

Alexej Nikolskij/RIA Novosti
Russlands Jugend soll patriotischer werden. Die russische Regierung reaktiviert dazu ein sowjetisches Sportprogramm und setzt auf mehr russische Musik und Inhalte in Schule und Medien. Ein konkretes Ziel ist es, mehr junge Menschen für einen Dienst in der Armee zu begeistern.

Die Gesellschaftskammer Russlands will den Jugendlichen die Klänge ihrer Heimat näherbringen. So lautete eine ihrer in vergangener Woche veröffentlichten Empfehlungen zur Patriotismuserziehung der Jugend, im Musikunterricht in den Schulen russische Musikstücke ausländischen vorzuziehen. Der Staat solle zudem Sorge dafür tragen, dass häufiger Musik von russischen Interpreten ausgestrahlt wird.

Das kommt der russischen Komponistenunion gerade recht: Sie rief dazu auf, nationale Wettbewerbe durchzuführen, um für jeden Nationalfeiertag ein neues Lied zu finden. Weiterhin könne die Beliebtheit traditioneller militärischer und patriotischer Lieder mithilfe von Remixen und Neuauflagen gesteigert werden. 

 

„Bereit für Verteidigung und Kampf“

Die Popularisierung vaterländischer Musik ist bei Weitem nicht die einzige Maßnahme, mit der bei Kindern und Jugendlichen der Patriotismus gestärkt werden soll. Mitte Juni wurde in der Staatsduma ein Gesetzentwurf eingebracht, nach dem in russischen Schulen mindestens einmal pro Woche die Nationalhymne gesungen werden sollte. In der Region Kaluga erklingt die Hymne bereits seit Februar zu Beginn eines jeden Schultages.

Im Mai bestätigte die Regierung den Vorschlag des Staatsduma-Abgeordneten Wiktor Wodolazkij, der den Aufbau eines föderalen Fernsehsenders für Jugendliche mit patriotischen Inhalten gefordert hatte.

Darüber hinaus wird auf Erfahrungen aus Sowjetzeiten zurückgegriffen, als viel Wert auf eine militärisch-patriotische Erziehung und eine gesunde Lebensweise gelegt wurde. Dazu wurde bereits im vergangenen Jahr das von Stalin eingeführte Breitensportprogramm „Bereit für Arbeit und Verteidigung“ wiederbelebt.   

Der Psychologe Pawel Ponomarjow sieht eine Rückbesinnung auf den Körperkult der Sowjetunion und mehr Patriotismus in der Erziehung positiv: „Erziehung braucht Helden als Vorbilder“, meint er. „Zu Zeiten der Sowjetunion gab es ein straffes Erziehungssystem, der Mensch wurde von Kindheit an gefördert und jeder Lebensphase waren besondere Vorbilder zugeordnet.“ Ponomarjow bedauert, dass es heute kein einheitliches System patriotischer Erziehung mehr gebe.

 

Mehr Lebensqualität, mehr Patriotismus

Ein neues, einheitliches Programm stellte in diesem Frühjahr das russische Bildungsministerium vor. Unter dem Titel „Patriotische Erziehung von Bürgern der Russischen Föderation in den Jahren 2016 bis 2020“ sollen Beziehungen zwischen Bildungseinrichtungen und Militärstützpunkten gestärkt und die Informationskampagne zur „Popularisierung der Heimatliebe“ ausgebaut werden. Die Notwendigkeit, die patriotischen Gefühle der Jugend zu stärken, begründen die Autoren mit einer „komplizierten geopolitischen Situation“.

Konkret sollen in den nächsten vier Jahren neue patriotische Webseiten und Blogs im Internet entstehen und junge Menschen für die russische Armee begeistert werden. Dafür gibt es klare Zielvorgaben: Bis 2020 soll die Zahl der Russen, die auf ihr Land stolz sind, um acht Prozent steigen und die Zahl derer, die freiwillig in der Armee dienen würden, um zehn Prozent.

Der Historiker und bekannte Fernsehmoderator Nikolaj Swanidse hält diese Vorgaben für unrealistisch. „Man kann sich nicht das Ziel setzen, die Zahl der Patrioten um einen bestimmten Prozentsatz zu steigern. Das sind doch keine Industriekennzahlen“, sagt er in einem Gespräch mit RBTH. Er ist überzeugt, dass die Liebe zum Vaterland mit der Lebensqualität steige und nicht durch erzwungene Lippenbekenntnisse: „Sie können die Nationalhymne von früh bis spät singen lassen, das führt nicht zu mehr Patriotismus“, glaubt er.

Würden die jungen Menschen verstehen, dass sie in Russland eine ehrbare Zukunft und große Möglichkeiten zu erwarten hätten, liebten sie ihr Land natürlicherweise, meint der Journalist und warnt: „Wenn das nicht der Fall ist, werden sie wegziehen.“ Swanidse kritisiert zudem, dass den jungen Menschen beigebracht werden solle, dass „alles Russische gut und alles Ausländische schlecht“ sei. Das finde er unmöglich, sagt er und stellt klar: „ Aus Xenophobie wird nie etwas Gutes entstehen.“

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