Anna Kosina für RBTH

Könige des Wassers: Sowjetische und russische Schwimm-Legenden

RBTH erinnert an vier berühmte russische Koryphäen des Wassersports.
In Kasan finden ab 24. Juli die 16. Schwimmweltmeisterschaften statt. Neben Schwimm-Wettbewerben werden auch Wettkämpfe im Wasserspringen und Synchronschwimmen ausgetragen. Das Gastgeberland selbst hat einige Legenden hervorgebracht.

Wladimir Salnikow

Der 20-jährige Wladimir Salnikow war zweifellos der Held der Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau. Vielleicht begünstigt durch die Abwesenheit der wichtigsten Gegner aus den USA, die die Olympiade in der Sowjetunion aus politischen Gründen boykottierten, und des zweifachen Olympiasiegers von Montreal 1976 Brian Goodell holte er in seiner Heimat drei Goldmedaillen in den Distanzen 800 und 1500 Meter Freistil sowie in der Freistilstaffel. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Salnikow erreichte in seiner Paradestrecke von 1 500 Meter mit 14 Minuten 58 Sekunden und 27 Millisekunden erstmals in der Geschichte ein Ergebnis von unter 15 Minuten.

„Ich träumte vom Meistertitel, obwohl meine Stimmung nicht die beste war. Ich hatte mich so auf das Zusammentreffen mit den amerikanischen Sportlern eingestellt", erinnert sich Salnikow an jene Tage. „Während des Wettkampfs wurde mir klar, dass es für eine Spitzenleistung nicht reichen würde. Als ich 1 100 bis 1 200 Meter zurückgelegt hatte, spürte ich, dass meine Kräfte schwanden und ein Sieg nicht zu machen war. Da sagte ich mir: entweder jetzt oder nie. Ich kämpfte mich noch verzweifelter nach vorne und schaffte den Durchbruch."

Wladimir Salnikow wurde Fahnenträger der sowjetischen Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau. Foto: RIA Novosti (links und rechts oben), Imago/Legion Media (rechts unten).
Salnikow musste in seiner Karriere einige Rückschläge verkraften. Er musste gegen sich, die Umstände und auch politische Widerstände ankämpfen. So durfte er nicht zu den Olympischen Spielen 1984 nach Los Angeles, weil die Sowjetunion die Spiele boykottierte. Er hätte gute Chancen gehabt, seinen zweiten Weltmeistertitel in Einzelwettkämpfen nach Hause zu holen. Dann musste er sich von seinem langjährigen Trainer Igor Koschkin trennen, der nicht daran glaubte, dass sein medaillenreicher Schüler, in der Hinsicht gewissermaßen ein „Veteran", in Seoul erneut das Siegerpodest erklimmen könnte. Und doch gelang es ihm, acht Jahre nach seinem Moskauer Erfolg, den fantastischen und sensationellen vierten Olympiasieg zu erringen. Und er teilte ihn mit seiner Ehefrau Marina, die seine Trainerin und Managerin war.

In Russland wünschen sich alle, dass Salnikow noch einmal in einem Heimturnier zu Ehren kommt – natürlich bei den Schwimmweltmeisterschaften in Kasan. In der Master-Kategorie, versteht sich. Und der Altmeister, der inzwischen Präsident der Russischen Schwimmföderation ist, nimmt die Herausforderung gerne an, seinen Schreibtisch zu verlassen und noch einmal in sein ihm vertrautes Element einzutauchen. Die Paradestrecke von 1 500 Meter steht aber nicht zur Diskussion. Salnikow wird als Kurzstreckenschwimmer antreten. Der Weltmeister hat bereits mit dem Training begonnen. „Ich schwimme Trainingseinheiten bis 3 000 Meter", sagte Wladimir Salnikow in einem Gespräch mit der „Rossijskaja Gaseta". „Es geht mir nicht in erster Linie um das Ergebnis. In Masters-Turnieren gilt das Olympiaprinzip: Nicht auf den Sieg, auf die Teilnahme kommt es an."

Alexander Popow

Ein weiterer vierfacher Olympiasieger über 50 und 100 Meter Freistil (Barcelona 1992 und Atlanta 1996), Alexander Popow, teilt mit Wladimir Salnikow den Goldmedaillenrekord unter den sowjetischen und russischen Schwimmern.

Wie Salnikow nahm auch Popow es in seiner Karriere mit amerikanischen Konkurrenten auf und brachte die sicheren Favoriten mit seinen Siegen zuweilen in Verlegenheit. So geschehen etwa bei Olympia 1996 in Atlanta, als der damalige US-Präsident Bill Clinton zum Finale über 50 Meter Kraul anreiste, um den amerikanischen Favoriten Gary Hall auszuzeichnen, die Goldmedaille aber Alexander Popow holte.

Bis zum Olympiasieg ist es noch ein weiterer Schritt. Ein einziger, aber ein sehr schwerer. Und es zeichnet eben den Olympiasieger gegenüber dem Weltmeister aus, dass er diesen Schritt tut

Alexander Popow
Schwimmer
1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta holte Popow zwei Goldmedaillen. Foto: TASS
Vielleicht gibt es bald neue Popow-Siege. Wie die russische Agentur R-Sport im Mai 2014 mitteilte, trainiert Alexanders ältester Sohn, der 17-jährige Wladimir, in einem Team des berühmten Trainers Gennadi Turezki, der schon dessen Vater auf seinem Weg zum Sieg begleitet hatte. Obwohl Popow „Senior" selbst seine Söhne nie als Profischwimmer sehen wollte. „Ich wünsche mir für meine Kinder nicht, dass sie durchmachen, was ich durchgemacht habe", erzählte der Sportler in einem Gespräch mit der „Rossijskaja Gaseta". „Zwei Profischwimmer in der Familie, meine Frau Darja und ich, sind genug."

Vielleicht hat Popows Auffassung auch etwas mit seinen sehr hohen Ansprüchen an sich und seinen Nachfolger zu tun. „Wir können Sportler auf Erfolge in Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und sogar Europameister vorbereiten. Olympische Spiele aber sind vollkommen andere Wettkämpfe", sagte einmal der letzte russische Olympiasieger im Schwimmen, als das Team wieder einmal kein Gold nach Russland geholt hatte. „Bis zum Olympiasieg ist es noch ein weiterer Schritt. Ein einziger, aber ein sehr schwerer. Und es zeichnet eben den Olympiasieger gegenüber dem Weltmeister aus, dass er diesen Schritt tut."

Dmitri Sautin

Seinen letzten Auftritt hatte der legendäre Wasserspringer Dmitri Sautin 2010 mit einem Drei-Meter-Synchronspringen. Offiziell beendete er seiner Karriere 2014, nachdem er 31 Jahre seines Lebens dem Kunstspringen gewidmet hatte.

In einem seiner Interviews sagte Sautin, er bedaure es manchmal, dem Sport nach seiner ersten erfolglosen Teilnahme an Olympia 2008 nicht den Rücken gekehrt zu haben. Eine Silbermedaille beim Drei-Meter-Springen ist natürlich enttäuschend für einen Sportler, der als bester Kunstspringer des 20. Jahrhunderts gehandelt wird. Der fünffache Weltmeister Sautin gewann dann insgesamt acht olympische Medaillen, eine beispiellose Bilanz. Er holte zwei Mal Gold, in Atlanta (1996) und in Sydney (2000).
Dmitri Sautin und seine Trainerin Tatjana Starodubzewa. Foto: TASS
Sautins erste olympische Medaille, die er im Jahr 1992 in Barcelona gewann, war übrigens nur Bronze. Zu diesem Ergebnis gelangte er noch dazu in einer fremden Badehose. „Ich hatte meine Badehose im Hotel vergessen", erzählte der Wasserspringer der „Rossijskaja Gaseta". „Während andere zwischen den Trainingseinheiten schliefen, vertrieb ich mir meine Zeit im Olympischen Dorf und schaute mir Barcelona an. Ich war noch ein Junge, der in der Sowjetunion aufgewachsen war und in seinem Leben noch nie etwas anderes gesehen hatte. Ich konnte natürlich gar nicht fassen, was mich dort umgab. Kurzum, im Durcheinander vor den Wettkämpfen vergaß ich meine Badehose im Hotel. Der Mexikaner Fernando Platas, der damals nur auf Platz 17 kam, rettete mich. Wir sind seitdem Freunde." Heute ist Platas der Sportminister von Mexiko.

Bei den Weltmeisterschaften in Kasan wird Sautin erneut auf dem Sprungbrett erwartet. Er will an dem Veteranenturnier der „Masters" teilnehmen. Der Altmeister ist dabei auch für Experimente offen: So hat er zum Vergnügen eine neue Disziplin für sich entdeckt, das gemischte Synchronspringen mit der jungen Diana Tschaplijewa.

Anastassija Dawydowa

Russische Synchronspringerinnen sind bei den wichtigsten Turnieren seit 1997 ungeschlagen. Anastassija Jermakowa und Anastassija Dawydowa, die auf den Olympischen Spielen in Athen und Peking jeweils vier Mal Gold holten, schafften es als medaillenstärkste Sportlerinnen dieser Disziplin sogar ins Guinnessbuch der Rekorde. Bei den Olympischen Sommerspielen in London 2012 stellte Dawydowa noch einen weiteren persönlichen Rekord auf und wurde fünffache Olympiameisterin.

Das schwierigste Turnier für Dawydowa, so könnte man meinen, war die Sommerolympiade 2012, auf die sie sich nach einer etwa eineinhalbjährigen Trainingspause vorbereitet hatte. So war es aber nicht. Die größte Herausforderung stellten für sie die Olympischen Spiele in Athen im Jahr 2000 dar. „Die Belastung war immens", erinnert sich Dawydowa in einem Gespräch mit der „Rossijskaja Gaseta".

„Anfangs trat ich mit Nastja (Kurzname für Anastassija - Anm. d. Red.) Jermakowa, die gerade die Juniorenklasse hinter sich gelassen hatte, gegen ein erfahrenes Duo aus Japan an. Wir bewiesen, dass wir unsere Führungsrolle sicher behaupten würden. Dann kehrten die Olympiameisterinnen Maria Kisseljewa und Olga Brussnikina zum Sport zurück. Zwei Jahre kämpften wir gegen sie um das Recht, Russland bei den Spielen vertreten zu dürfen. Jedes Training war für uns ein kleiner Olympiaauftritt. Bei den Spielen in Athen wurde uns dann während der Präsentation unserer Gruppenkomposition die Musik abgestellt. Was die Verausgabung moralischer und physischer Kapazitäten betraf, war die Olympiade in Athen ein echter Sonderfall."

Foto: PhotoXPress
Im Becken war Dawydowa unverwechselbar – man konnte sie während des Gruppentrainings von den anderen Synchronspringerinnen leicht durch ihre berühmten Tattoos unterscheiden. Ihren Rücken, ihre Oberschenkel und Schultern schmückt ein ganzer Schwarm bunter Schmetterlinge. Für die Wettkämpfe mussten sie natürlich mit einer getönten Creme überdeckt werden. Auch heute wählt das Sprung-Ass als Vizepräsidentin und Generalsekretärin des Russischen Olympischen Komitees für offizielle Anlässe ihre Kleider sehr bedacht, um die Geschäftsetikette zu wahren.
In Kasan will Dawydowa die neue Wettkampfform des gemischten Duos bewerten. Für Russland treten Alexander Malzew und Darina Walitowa an. „Ich freue mich über jeden Jungen in unserem Sport", sagt Dawydowa. „Männer können da eine wichtige Stütze sein. In Zukunft kann man sich auch etwas Interessantes in Vier-gegen-vier-Variationen ausdenken. Die Jungen hält es in unserer Disziplin natürlich selten. Ich habe sechs in mein Training aufgenommen, nur einer von ihnen ist geblieben."

Text: Anna Kosina
Redaktur: Alexey Mosko, Carolin Sachse
Foto : RIA Novosti, TASS, Getty Images, EPA, PhotoXPress, Reuters, Kremlin.ru, Imago/Legion Media
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