Ausländerquote: Russland strebt nach Autonomie im Sport

Der russische Sport setzt stärker auf einheimische Talente.

Der russische Sport setzt stärker auf einheimische Talente.

Alexander Wilf/RIA Novosti
Im russischen Sport wurde die Anzahl ausländischer Sportler gesetzlich begrenzt. Ziel der Entscheidung ist die Stärkung heimischer Spieler. Experten warnen jedoch auch vor den Gefahren einer künstlichen Begrenzung.

Die Änderungen am Gesetz zur „Körperkultur und Sport in der Russischen Föderation“ waren das heiße Thema in der „sportlichen“ Sommerpause. Das neue Gesetz, das am 1. Juli vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterschrieben wurde, gibt dem Sportministerium das Recht, die zulässige Anzahl von ausländischen Sportlern in den Teamsportarten festzulegen. Zuvor konnten die Föderationen ihre Quoten noch selbstständig festlegen.

 

Schutz des Nachwuchses

Als eine der ersten Sportarten hat der russische Fußball die Veränderungen zu spüren bekommen. Drei Tage vor Beginn der neuen Saison in der Premierliga wurde die Formel „Sechs Ausländer + fünf Russen auf dem Feld“ eingeführt, die die Regelung aus dem Vorjahr, „Sieben Ausländer + vier Russen auf dem Feld“, noch einmal verschärft hat.

Der Minister für Sport der Russischen Föderation, Witalij Mutko, begründete die Entscheidung damit, dass man die Interessen junger Spieler schützen müsse. Für einen jungen russischen Spieler sei es sehr schwierig, von Anfang an auf dem Platz zu stehen, wenn seine Mannschaft zugleich einen fertig ausgebildeten Ausländer für seine Position eingekauft habe. „Die Begrenzung wird schrittweise auch in allen anderen Sportarten eingeführt. Wir müssen unsere Sportler, unseren Sport und unsere Investitionen schützen“, wird Mutko in der Sportzeitschrift „Sport-Express“ zitiert.

André Villas-Boas, Trainer von Zenit Sankt Petersburg, einer der erfolgreichsten russischen Fußballmannschaften der vergangenen Jahre, kritisiert dagegen das neue Gesetz scharf. „Eine solche künstliche Begrenzung dient nicht der Weiterentwicklung der einheimischen Fußballer. Wenn man nicht den stärksten Kader nur aufgrund irgendwelcher Begrenzungen und Empfehlungen aufstellen kann, dann tötet man den Kampfgeist und die Konkurrenz. Das ist das Ende des Fußballs in Russland“, erklärte der Portugiese auf der Pressekonferenz nach dem Sieg im russischen Supercup.

 

Vorbilder: Volleyball und Rugby

Solche Einschränkungen werden auch im russischen Basketball eingeführt, wo bis jetzt noch eher liberale Regeln vorherrschten. So darf eine Mannschaft der VTB United League, der höchsten Liga, von nun an sechs ausländische Spieler in ihren Reihen haben. Meister ZSKA Moskau hatte in der letzten Saison sieben Ausländer in ihren Reihen. Sie alle nahmen eine Schlüsselrolle bei den Erfolgen der Mannschaft ein.

Auch im russischen Eishockey wurde eine strenge Begrenzung eingeführt: Die Mannschaften dürfen bei der Anmeldung für ein Match nicht mehr als fünf Ausländer in ihren Reihen haben. Eine ähnliche Situation herrscht im russischen Volleyball. Hier sind insgesamt nur zwei Ausländer zugelassen. Der Präsident des Verbands, Stanislaw Schewtschenko, sagte in einem Interview der Zeitung „Sowjetskij sport“, dass die 2010 eingeführten Begrenzungen zu fantastischen Resultaten der Mannschaft geführt hätten. So gewann die Männermannschaft bei den Olympischen Spielen 2012 die Goldmedaille, die Frauenmannschaft erreichte den fünften Platz. Beide Teams wurden 2013 zudem Europameister.

Eine noch strengere Begrenzung gibt es im 7er-Rugby, wo es den russischen Teams generell verboten ist, Ausländer einzuladen. Solche Maßnahmen bringen Erträge: Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 gehört die Frauenmannschaft zu den Favoriten, das Team gewann zudem die letzten beiden Europamannschaften.

 

Die Chancen sollen steigen

Aber zurück zum Fußball. Der ehemalige Nationalspieler Igor Tschugajnow ist überzeugt, dass die Begrenzungen nicht zu einer Verbesserung der Qualität des russischen Fußballs als Ganzes führen werden. „Spieler, die sicher sind, dass sie einen Platz im Kader nur aufgrund des russischen Passes bekommen, werden sich nie weiterentwickeln. Du hast komfortable Bedingungen, spielst unabhängig vom Resultat, bleibst jedoch Stückware und verdienst gutes Geld. Das Resultat ist eine Mannschaft mit satten Spielern, die sich vielleicht gar nicht für Europa- oder Weltmeisterschaften qualifizieren könnte“, sagt Tschugajnow.

Dmitrij Chomucha, Cheftrainer der U-19-Nationalmannschaft, die bei den letzten Europameisterschaften den zweiten Platz erreichte, denkt dagegen, dass die Ausländerquote eine passende Methode für die Lösung kurzfristiger Aufgaben sei. „Ja, die Maßnahme ist künstlich. Doch im Moment ist sie notwendig. Wenn wir den jungen Fußballern keine Möglichkeit geben, in Mannschaften der ersten Liga zu spielen, dann werden wir auch bei der Weltmeisterschaft 2018 im eigenen Land versagen“, sagte Chomucha in einem Interview dem Portal championat.com. In den drei Jahren bis zur Weltmeisterschaft müssten sie deshalb unterstützt werden.

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