T-Shirts, Jeans und Sneakers

ganz das Klischee - schöne russische Frauen in Pelz und unscheinbare Männer. Copyright: TASS

ganz das Klischee - schöne russische Frauen in Pelz und unscheinbare Männer. Copyright: TASS

Wer in Russland ein Büro oder die U-Bahn betritt, wird sofort über sein Erscheinungsbild auf den sozialen Status gemustert. Daher dürfen moderne Russen sich nicht erlauben, ärmer auszusehen, als ihre Mitmenschen. Das wirklich bemerkenswerte daran jedoch ist, dass man nicht besser sein will. Man will eben nicht aus dem Durchschnitt ausscheren.

Dieses Verhalten schlägt sich stark in der Alltagskultur nieder. So würde z.B. ein Boutiquenverkäufer einen Kunden im Pelz höflicher behandeln, als einen Kunden in  einer Daunenjacke. Viele erklären diesen Snobismus mit der wirtschaftlichen Umbruchphase: Elegante Mode war Russen lange Zeit vorenthalten, also mussten sie sich mit minderwertiger Qualität heimischer Produkte abfinden. Und wenn es mal importierte Anziehsachen zu kaufen gab, mussten modebewusste russische Damen Schlange stehen. Für eine Deutsche Frau wäre dies wohl unvorstellbar. Nicht so in Russland, wo das stundenlange anstehen nach einem neuen BH noch vor 20 Jahren das Alltäglichste war. Damals glich ein Fläschchen polnischen Nagellacks einem Wunder, französisches Parfum war die Exklusivität schlechthin. Und für die meisten Russinnen leider unerreichbarer Wunschtraum. Die wenigen Ausreisefähigen – Diplomaten, Parteibeamte, Kulturschaffende, Fachkräfte und einfache Seeleute – waren höchst angesehene Bürger, denn sie konnten sich im Ausland ankleiden.

Mit dem Aufschwung kommt die Veränderung

Dieses System der „Armut-Gleichheit“, wie Russen oft scherzten, zerbrach mit dem Untergang der sowjetischen Wirtschaft. In den turbulenten Neunzigern spielte die Mode eine untergeordnete Rolle. Erst mit dem wirtschafltlichen Aufschwung kam das Thema wieder auf. Inzwischen beträgt das Einkommen der „Reichsten zehn Prozent“ der Gesellschaft das 16-fache davon, was die „Ärmsten zehn Prozent“ verdienen, und zwar durchschnittlich. Nach inoffiziellen Schätzungen liegt das Arm-Reich-Gefälle in Ballungsräumen sogar bei Faktor 40. In den USA liegt dieser bei 12, in Europa bei vier bis sechs. Daher fällt auch Moskau so durch seine Gegensätze auf. Luxuriöse Limusinen teilen sich die Straße mit klapprigen Rostlauben, glaumuröse Schönheiten defilieren über Bürgersteige, wo Rentnerinnen um Almosen betteln. Der Kult der Macht und des Prunks steht im heutigen Russland ganz oben. Und so schnell wird sich dieser Trend auch nicht legen: Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass es mehrere Jahrzehnte wirtschaftlicher Stabilität braucht, bis man seinen Status nicht nur durch Besitztümer wie Autos, Kleidung oder Immobilien symbolisiert, sondern auch durch persönliche Erfolge in Karriere und Privatleben.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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