Der Kraftprotz mit weiblichem Namen

Marussia B2    Foto: Ruslan Suchuschin

Marussia B2 Foto: Ruslan Suchuschin

2008 zerlegte Nikolaj Fomenko, russischer Entertainer und Hobby-Rennfahrer, beim einem Rennen in China seinen Aston Martin. Eigentlich wäre das Rennen somit für ihn gelaufen - die nötigen Ersatzteile fehlten. Über Nacht jedoch bauten chinesische Teampartner Scheinwerfer, einen Kotflügel und eine Stoßstange nach - und das für umgerechnet 200 Euro. So kam Fomenko der Traum von einem günstigen Sportwagen.

Fomenko sitzt in einem kleinen Büro in einem Industriegebiet im Norden Moskaus. Seine Augen leuchten auf, als er an die  Reparaturkosten zurück denkt: "In Europa hätte das 5 000 Euro gekostet", sagt er. Die Schnelligkeit, mit der die Chinesen seinen Aston Martin repariert hatten, war für den Sänger, Schauspieler, Fernseh- und Radiomoderator eine Offenbarung. Kurz darauf gründete er mit Marussia Motors den ersten russischen Sportwagenhersteller. Der Name Marussia wurde gezielt gewählt: Es ist ein altrussischer Mädchenname, der auch den Beisatz "-Russia" in sich trägt. 18 Monate später stehen die ersten Modelle B1 und B2 im nur wenige hundert Meter vom Kreml entfernten Showroom.

Marussia Motors ist ein kleiner Betrieb, wo jährlich in Handarbeit gerade mal 300 Fahrzeuge montiert werden sollen. Die vorgefertigten Bausätze kommen von einer Tochterfirma in Belgien, die Teile dafür wiederum aus China. Die Hälfte aller Marussias soll nach Europa, den eigentlichen Zielmarkt, exportiert werden. Läuft das Geschäft gut, wird die Kapazität ab April auf jährlich 2200 Autos erhöht. Die nötige Publicity werden die russischen Renner jedenfalls bekommen: Im kommenden Jahr will Fomenko seine Fahrzeuge auf allen wichtigen Autosalons präsentieren - in Frankfurt, Berlin, London und Monaco.

 

Gegen Lamborghini und Ferrari - auch in der Formel 1

Auf die Frage, wer denn seinen Sportwagen kaufen soll, gibt sich der frisch gebackene Unternehmer vorerst etwas zurückhaltend: "Wir kümmern uns nicht um den Wettbewerb, wir sind einfach wir selbst", sagt er etwas wirtschaftsfern. Doch dann gesteht er: Lamborghini, Ferrari und McLaren - das ist die Liga, in der auch Marussia mitspielen soll. Mit einem breiten Grinsen gibt er wohl seinen kühnsten Traum preis: "Wir wollen die Lamborghini-Fahrer auf den Marussia umsteigen lassen".

Dass hinter Lamborghini eine lange Firmengeschichte und komplexes Marketing stehen, hat man bei Mariussia Motors erkannt. Deshalb hat das Unternehmen Mitte November Anteile am Formel 1-Team Virgin Racing erworben. Rund 12 Millionen Euro hat Fomenko für den Deal hingelegt, damit sich die Marussias auch in Europa verkaufen: "Das Formel-1-Projekt ist nur die Speerspitze bei der Vermarktung eines Supersportwagens", gibt Fomenko zu. Gerade in Italien, der Heimat von Lamborghini und Ferrari: "Die Italiener nehmen das sehr ernst, sie würden nie ein Auto kaufen, das als letztes ins Ziel kommt, während ein Ferrari gewinnt", sagt der Marussia-Mentor mit einem gutmütigen Lächeln. Die beiden F1-Teamkollegen Timo Glock und Jérôme D’Ambrosio, die für Virgin Racing und somit auch für Marussia in der kommenden Saison fahren, müssten ihr Bestes geben.

Russische Rennschönheit mit britischem Herz


Wichtigstes Entscheidungskriterium für Marussia sei die Performance. Sein 2,8 Liter V6-Motor aus dem Hause Cosworth bringt es auf 360 PS, in der Turbo-Version gar auf 420 PS. Wegen des maroden Image der russischen Automarken wird der Kampf um Käuferakzeptanz für den Marussia richtig hart. Fomenko bleibt trotzdem optimistisch. Sein Marussia werde die Schwächen zu Stärken wandeln, indem er seinen Mehrwert durch das Neue und bis dato Unbekannte - ein Sportwagen aus Russland - zeigt. "Wir wollen der Mac im Vergleich zum PC sein", lächelt Fomenko.

Der Entertainer und Hobby-Rennfahrer Nikolaj Fomenko lernte mit dem Marussia den 3. Beruf - Automobilhersteller

Einen weiteren Vorteil sieht Fomenko in der dynamischen Entwicklung des Wagens. Die im September vorgestellten Marussia-Modelle existierten noch vor einem Jahr nur auf dem Reißbrett. "Früher haben großen Firmen die kleinen gefressen, heute sind es die schnellen Firmen, die die langsamen verschlingen", glaubt er. "Wir sind schneller als die anderen und auch moderner - sowohl in der Fertigung als auch bei den Materialen."

Dass die Produktion in Russland ist, findet Fomenko vorteilhaft: "Unsere Ingenieure sind genauso gut wie anderswo auch, aber sie sind jünger und werden nicht von der Industrie unter Druck gesetzt - das bringt junges Blut in den Prozess." Darüber hinaus wäre eine Herstellung in Europa auf Grund höherer Kosten sowie Gesundheits- und Sicherheitsstandards nicht möglich gewesen.

Modellpalette mal drei

Fomenko verrät weder seine Investoren noch spricht er über Summen. Schenkt man dem Entertainer aber Glauben, so fehle ihm weder an Geld noch an Ideen: Bereits auf der IAA 2011 in Frankfurt kommenden September sollen den Marussia-Stand sechs Modelle zieren - vier Sportwagen, zwei SUVs. "Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber ich sehe in dem Marussia ein schnelles Bächlein und keinen Sumpf, wie viele andere Automobilhersteller einer sind", poetisiert Fomenko. "Wenn wir groß sind, verkommen wir vielleicht auch zu einem Sumpf, aber erst in 30 Jahren".

Der Marussia gegen die Konkurrenz


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