Kampf gegen Bakschisch und Korruption

"Man kann auch ehrlich arbeiten": Die Moskauer Polizisten Menschenin (links) und Kusminow auf Streife. Foto: Ruslan Suchuschin

"Man kann auch ehrlich arbeiten": Die Moskauer Polizisten Menschenin (links) und Kusminow auf Streife. Foto: Ruslan Suchuschin

Ab dem 1. März tritt das neue Polizeigesetz in Kraft. Die Redaktion wollte von den zukünftigen Polizisten wissen, was sich alles ändern wird und was beim Alten bleibt.

Milizionär Michail Menschenin versucht gerade, eine um sich schlagende 86-jährige Rentnerin zu beruhigen, während er ihren rudernden Armen ausweicht. Menschenin und sein Kollege wurden von der Sozialarbeiterin Ljudmila in die Wohnung der Frau gerufen. Die Rentnerin habe sie angegriffen, schluchzt Ljudmila. „Sie ist völlig durchgedreht.“ Die Beamten Alexander Kusminow, 23, und Menschenin, 25, gehen in einem Bezirk in Moskaus Südwesten auf Streife. Stolz erzählen sie, wie gewissenhaft sie ihre Pflicht erfüllen. Doch als Beamte der Moskauer Miliz, wie die Polizei in Russland heißt, gehören sie einer Behörde an, die als korrupt verschrien ist.

 

Mageres Gehalt, viel Stress

„Ich liebe meinen Job. Ich habe Kontakt zu Menschen, ich kann Gutes tun“, sagt Menschenin. „Psychologisch ist es hart, aber harte Arbeit wird auch belohnt. Das Gehalt ist nicht besonders gut, und wir schlagen uns mit Prämien durch.“ Menschenin verdient etwa 25 000 Rubel im Monat, das sind ungefähr 600 Euro, eine lächerliche Summe für Moskau, und erst recht für einen verheirateten Mann mit zwei Kindern. Der niedrige Verdienst bringt viele Beamte dazu, Bestechungsgelder anzunehmen, was dem Ruf der Polizei beträchtlich schadet. Umfragen zeigen, dass 60 Prozent der russischen Bürger mit der Arbeit der Polizei nicht zufrieden sind. Es ist dieses routinemäßige Einfordern kleiner Summen, etwa bei geringfügigen Geschwindigkeitsübertretungen, das die Russen so sauer auf ihre Polizei macht.„Was erwarten sie denn für das Geld, das wir bekommen?“, fragt Alexej, ein Polizeibeamter, der seinen Nachnamen nicht nennen will. „Die guten Beamten nehmen Geld nur für Kleinigkeiten. Damit man über die Runden kommt.“

Polizei statt Miliz

Der Amoklauf des Polizeimajors Denis Jewsjukow, der in einem Moskauer Supermarkt 2009 zwei Menschen tötete und sieben verletzte, veranlasste Präsident Medwedjew, eine grundlegende Reform des Polizeiapparates einzufordern. Der Entwurf eines neuen Polizeigesetzes wurde im Internet zur Diskussion gestellt.

Kommentar

Zu viele Fragen bleiben offen

Caroline
von Gall, Rechtsexpertin

Das neue Polizeigesetz bietet keine Antwort auf die gegenwärtigen Probleme der russischen Polizei. Zu kritisieren waren bisher in erster Linie die fehlende Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen sowie die Kriminalität innerhalb der Miliz. Auch verfehlt Präsident Medwedjew sein Ziel, mit dem Gesetz sein Profil als Verfechter eines liberalen Rechtsstaats zu schärfen. Obwohl das Gesetz im Einleitungsteil den Schutz des Bürgers zur Aufgabe der Polizei erklärt, wird dieser Ansatz in den einzelnen Bereichen nicht konsequent umgesetzt. Vielfach fehlt es dem neuen Gesetz an Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen. Eine ernst gemeinte Reform müsste sich auch die anderen Sicherheitsapparate vornehmen und eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit schaffen.

Als vertrauensbildende Maßnahme schlug Medwedjew vor, zum Begriff „Polizei“ aus der Zarenzeit zurückzukommen – in Abgrenzung zur gegenwärtigen Miliz, einem Überbleibsel aus der Sowjet-Ära. Ferner soll künftig die Befugnis eines Beamten auf seinen Bezirk beschränkt bleiben, im Falle einer Festnahme hat man das Recht auf ein Telefongespräch und kann vom Recht der Aussageverweigerung Gebrauch machen.

Man kann auch ehrlich arbeiten

Beträchtliche Gehaltserhöhungen bei gleichzeitiger personeller Verschlankung des Polizeiapparats sollen Bestechungsgelder hinfällig machen. Einige Abgeordnete bezweifeln, dass die Reform der Bevölkerung ihr Vertrauen zurückgebe. „Statt eines neuen Sicherheitssystems geben wir der Miliz nur einen neuen Namen“, klagt der Duma-Abgeordnete Gennadi Gudkow. Die Pro-Kreml-Partei Einiges Russland habe Versuche blockiert, die Polizei einer umfangreicheren öffentlichen Kontrolle zu unterziehen. Auch einige höhere Polizeibeamte haben Kritik an dem Gesetz geübt. Es müsse eine allumfassende Offensive vor allem gegen Korruption geben. Dies schlösse staatliche Institutionen und öffentliche Meinung gleichermaßen ein. „Wenn wir die anderen Institutionen nicht zusammen mit der Polizei reformieren und die Zuständigkeitsbereiche abgrenzen, werden weder Entlassungen von Mitarbeitern noch Gehaltserhöhungen viel ändern“, sagt Juri Matjuchin, Polizeichef des Bezirks Südwest-Moskau.



 Übergang von Miliz zur Polizei

Nikolai Petrow von der Moskauer Carnegie-Stiftung glaubt, dass hinter der geringen Wertschätzung der Polizei etwas ganz anderes stehe, nämlich eine „gärende Unzufriedenheit mit staatlichen Institutionen“. „Nach meiner Erfahrung gibt es eigentlich nichts, was bei der Polizei schlechter als woanders wäre.“ Ein wichtiger Aspekt der Reform ist noch nicht geklärt: Die Eignungsprüfung der Milizionäre beim Übergang in die Polizei. Das Prozedere soll in naher Zukunft durch einen Ukas von Präsident Medwedjew geregelt werden.

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