Die Transsibirische Eisenbahn

Die Transsibirische Eisenbahn die längste durchgehende Eisenbahnverbindung der Welt und die Hauptverkehrsachse Russlands. Foto: Andrej Kutschurenko

Die Transsibirische Eisenbahn die längste durchgehende Eisenbahnverbindung der Welt und die Hauptverkehrsachse Russlands. Foto: Andrej Kutschurenko

Die Fahrt mit der Transsib ist eine Geschichte für sich. Es ist der Traum fast eines jeden Deutschen und die Horrorvorstellung schlecht hin für fast jeden Russen. Das, was der Deutsche als besonderes Abenteuererlebnis empfindet, ist für den Russen nicht mehr, als einfach nur endlose Tage und Nächte im Zug zu verbringen. Und das auch noch in einem, der seit Jahrzehnten so ist, wie er eben ist: für einen Russen – gewöhnlich schäbig, für einen Deutschen – ungewöhnlich exotisch.

Ich persönlich scheine in der Zugfrage eine Position dazwischen einzunehmen. Die Transsib – da war ich mir sicher – ist eine Reise wert, das muss man mal erlebt haben…aber…ohne Dusche, mehrere Tage?! Das muss eigentlich nicht sein. Jetzt sitze ich aber im Zug Novosibirsk-Wladiwostok und fahre auf meiner Reise die längste Strecke non-stop: zwei Tage und zwei Nächte, und habe es bisher noch keine Minute bereut.

Abenteuer Transsib

 

Schon die 16 Stunden Fahrt von Irkutsk nach Tschita waren ein Erlebnis. Der Blick aus dem Fenster ist Oscarreif. Man lernt aus ihm, dass Russland tatsächlich verdammt groß ist. Nicht, dass das eine neue Information sei. Wirft man einen Blick auf die Weltkarte, fällt das auch auf. Aber was ist schon der Blick auf die Karte im Vergleich zum Blick auf die endlosen Weiten Sibiriens! Wälder, soweit das Auge reicht, Seen, Flüsse, Berge, Felder. Das rhythmische Klopfen der Zugräder versetzt einen in Halbtrance und auf einmal hat man patriotische Gefühle. Diese scheinen alle Zuginsassen zu überrumpeln. Niemand ist vor ihnen sicher. Auch die ausländischen Fahrgäste werden leicht sentimental, sogar melancholisch, kleben am Fenster und bekommen fast schon russische Gesichtszüge. Kurz gesagt: sie kommen der geheimnisvollen russischen Seele ein bißchen näher.

Irkutstk-Tschita

 

Im russischen Zug, sei es die Transsib oder jeder andere Nachtzug, passieren Geschichten, die von zufälligen Begegnungen gekennzeichnet sind. So war es auch auf der Strecke Irkutsk-Tschita. Das Team des Goethe-Instituts hatte eine Aufgabe: Die „Lern Deutsch“-Kampagne musste auch auf Rädern fortgesetzt werden. Also gingen wir durch den Zug, verteilten Flyer, redeten mit den Fahrgästen, Jost –der Rapper aus Berlin – gab einen Freestyle nach dem anderen und im Endeffekt landeten wir in einem Zugabteil am Tisch mit Sascha, seinem kleinen Sohn Sascha und der Frau Olga. Die holten nach russischer Art alles Essen aus ihren Taschen und nicht zuletzt die Flasche Vodka. Der große Sascha konnte Bruchstückweise Englisch und hatte auch ein paar Deutsche Sätze auf Lager, wie etwa: „Eins, zwei – Polizei!“ Es war eine erstaunlich herzhafte Atmosphäre, in der wir mehrere Stunden verbrachten und der deutsch-russischen Austausch real wurde.

Strecke Tschita-Habarowsk: OMON-Vasja

 

Die zwei Tage und zwei Nächte in der Transsib waren ein Erlebnis und vergingen schneller, als gedacht – trotz vier Stunden Verspätung. Übrigens: eine Seltenheit. Die Transsib ist, im Gegensatz zur Deutschen Bahn, fast nie zu spät. Wälder gingen – Felder und Steppen kamen. Dörfer, - verarmt und alt, zogen immer öfter an uns vorbei. Dann wurde es Abend und wir verschanzten uns mit unserem Proviant im „Männerabteil“ (Anmerkung: wir besetzten komplett zwei Abteile im Wagen). Unser Fotograf Andrej lernte auf seinem Spaziergang durch den Wagen Vasja kennen: ein junger und wirklich sehr großer Mann, der den Spezialeinsatzkräften der russischen Polizei, dem OMON diente. Vasja gesellte sich zu uns, denn auch er interessierte sich für die Deutsche Kultur. Und für deutsche Rapmusik, deswegen musste Jost sein Bestes geben – sitzt man nämlich vor einem Fleischberg wie Omon-Vasja, möchte man ihn möglichst glücklich und zufrieden machen, um dieses Begegnung konfliktfrei und heil zu überleben. Doch die harte Schale dieses Riesenkerls weichte allmählich auf und zum Vorschein kam ein sentimentaler, einfach gestrickter und eigentlich recht sympathischer Mensch, der sich mit uns dermaßen wohl fühlte, dass er nicht wieder gehen wollte. Für meine deutschen Freunde war er ein interessanter Weggefährte, - exotisch.  Seine Liebe zu uns zeigte Vasja, in dem er seine Handynummer hinterließ mit den Worten:  „Ruft an, wenn ihr ein Problem habt.“  Spätestens ab da hatten wir bis Wladiwostok keine Angst mehr.

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