Die Marsexpedition rückt näher

Am 4. November endete das bislang größte Bodenexperiment zur Simulation einer bemannten Marsexpedition. Das am Institut für biomedizinische Probleme der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAW) durchgeführte Experiment sollte auf den lange erwarteten Flug ins All vorbereiten. Es lässt aber eine entscheidende Frage unbeantwortet: Ist der Mensch in der Lage, eine weite interplanetare Reise unbeschädigt zu überstehen?

Das leben in der Isolation.

An dem Projekt mit der Bezeichnung „Mars-500”, das am 3. Juli 2010 startete, beteiligte sich eine internationale Besatzung aus sechs Freiwilligen: drei Russen, zwei Vertreter der Europäischen Weltraumagentur und ein Chinese. In relativ kleinen Containern, die das Raumschiff der Marsexpedition simulieren sollten, verbrachten die Männer 520 Tage. Jeder von ihnen erhält 3 Millionen Rubel als Vergütung für diesen außerordentlichen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung.

Der reale Flug einer internationalen Besatzung auf den Mars könnte ab dem Jahr 2030 stattfinden, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos Witali Dawydow auf einer Pressekonferenz zum erfolgreichen Abschluss dieses Experiments. „Viele von uns haben somit gute Chancen, dieses Ereignis noch zu erleben”, so Dawydow. Die im Rahmen des 520 Tage dauernden Experimentes zur Simulation des Flugs zum Roten Planeten gewonnenen wissenschaftlichen Informationen werden Roskosmos und seine europäischen und chinesischen Partner auf jeden Fall nutzen, betonte der Vertreter von Roskosmos.

„Wir erarbeiten eine Strategie zur Entwicklung der russischen Weltraumtätigkeit bis 2030, auf deren Grundlage wir ein föderales Zielprogramm für den Zeitraum bis 2025 aufstellen wollen. Dabei werden wir natürlich die Ergebnisse des Experiments ‚Mars-500’ berücksichtigen”, erläuterte der Weltraumexperte weiter.

Das grundlegende Ziel des Experimentes war es, die Reaktionen eines Menschen unter außerordentlichen Stressbedingungen zu beobachten, wenn es nicht möglich ist zu fliehen oder Hilfe von außen zu bekommen. Das Überleben in Isolation ist physisch möglich, der Mangel an Aspekten des Erdendaseins aber macht sich psychisch empfindlich bemerkbar. Das Fehlen einer Privatsphäre und der Möglichkeit sich zurückzuziehen stellt eine sehr große Belastung dar. „Die dreistöckigen Schlafplätze waren normale Kojen, deren unterste sich praktisch auf Bodenhöhe befand. Wir beschlossen, die Kojen alle zehn Tage zu wechseln. Auf der untersten Eben zu schlafen war wegen der hohen Konzentration von Kohlendioxid sehr schwer”, erinnert sich eines der Besatzungsmitglieder.  

Ernsthafte Konflikte zwischen den Teilnehmern des Experimentes „Mars-500” gab es nicht. Eher waren es Monotonie und Langeweile, die den Männern in ihren engen Kapseln zu schaffen machte, insbesondere nach der simulierten Landung auf dem Mars im Februar dieses Jahres.

Als eine gewisse Herausforderung erwiesen sich auch die kulturellen Eigenheiten der Besatzungsmitglieder. So etwa konnten der Franzose und der Italiener nicht verstehen, warum die Russen das Neue Jahr mit solcher Freude feiern, das Weihnachtsfest dagegen übergehen. Die größten Probleme warf die Kommunikation mit dem Chinesen auf. Man schickte daher an Bord des „Raumschiffes” sogar E-Books über die Besonderheiten der chinesischen Kultur.

Der Mensch ist an Bord eines Raumschiffes vollkommen abhängig vom Funktionieren des sogenannten Lebenserhaltungssystems. Das Lebenserhaltungssystem für interplanetare Expeditionen wird sich grundlegend unterscheiden von analogen Systemen, zum Beispiel von den Technologien in der Raumstation ISS, die nicht den gesamten Stoffwechsel umfassen, also keine geschlossene Biosphäre darstellen. Die Entwicklung eines solchen Systems, das die vollständige Regeneration der grundlegenden lebensnotwendigen Komponenten leisten kann, wird noch mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen.

Eine große Gefahr für unseren Organismus stellen die Bedingungen der Mikrogravitation dar. Im Rahmen des Experimentes „Mars-500” wurde Schwerelosigkeit nicht modelliert. Frühere amerikanische Forschungen hatten indessen ergeben, dass Menschen, die eine längere Zeit im Weltraum zubringen, unter Knochenschwund leiden. Die medizinische Kontrolle von dreizehn Astronauten, die ein halbes Jahr auf der Raumstation ISS verbracht hatten, ergab, dass die Stärke ihrer Knochen in diesem Zeitraum um durchschnittlich 14% abgebaut hatte. Langzeitraumfahrten stellen extreme psychische Anforderungen an die Besatzungsmitglieder, kann doch die „Erde” auf einem interplanetaren Flug der Besatzung kaum helfen.

Die Besatzung des gegenwärtigen Experiments arbeitete trotz vollkommener Isolation mit dem Bewusstsein einer umfassenden Kontrolle von der „Erde”. Wie aber sieht es in der Umgebung des wirklichen Mars aus, wo die Signale der Erde mit 40-minütiger Verzögerung ankommen und Entscheidungen innerhalb weniger Sekunden zu treffen sind?

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