Auf in den Osten

Foto: Artjom Sagorodnow

Foto: Artjom Sagorodnow

Die Expedition Trophy führt Artjom Sagorodnow über den gefrorenen Baikalsee in den Fernen Osten. Neues Team, neue Mission – und noch mehr als 1 000 Kilometer bis zum Ziel.

Am Morgen nach der großen Party wurde ich darüber informiert, dass ich den nächsten Abschnitt der Tour nach Chabarowsk mit dem Team „Unser Alaska" reisen würde. Da es noch sehr früh war, war ich zu müde, um zu reagieren; ich murmelte verschlafen „Hallo", kletterte auf die riesige Matratze, die den gesamten hinteren Teil des Wagens belegte, und schlief schnell ein. Ich bemerkte noch nicht einmal die Person neben mir.

Zunächst fuhren wir über den eingefrorenen Baikalsee. Die Fahrt verlief ohne Probleme. Bald darauf erhielten wir unser neues Ziel und wir machten uns miteinander bekannt. In meinem Jeep kamen alle aus Sankt

Petersburg: Sergej war ein Berufsfotograf, der kürzlich eine 14-monatige Weltreise auf dem größten Segelboot der Welt, der Sedow, hinter sich hatte, und Nastja und Bogdan arbeiteten in einer Computerfirma. In dem anderen Jeep fuhren Daniel, ebenso aus Sankt Petersburg, sowie Cheslov und Richard, zwei Autofreaks aus Polen, mit. Die beiden Polen waren ausgebildete Ingenieure, die nun aber als Finanzberater arbeiteten. Sie waren recht vertraut mit der russischen Sprache und liebten die Kultur des Landes.

Wie wir so weiter Tag und Nacht in den Ostteil Russlands, der im Süden an die Mongolei und im Osten an die Mandschurei grenzt, weiterfuhren, verlor ich bald wieder mein Zeitgefühl – ein Problem, das ich kurz während meiner Rast am Baikalsee nicht verspürt hatte.

Als die Berge allmählich in eine schier endlose Ebene übergingen, blieben die Städte, durch die wir fuhren, nur trübe als eine Reihe von Namen auf den Ortseingangsschildern in unserem Gedächtnis haften: Ulan Ude, bekannt für den weltgrößten Lenin-Kopf bzw. dessen Denkmal, Petrowsk-Sabajkalskij, Tschita... Dies änderte sich mit einem Mal, als es hell wurde und wir begannen, uns auf unser nächstes Ziel zu konzentrieren: Punkte sammeln, indem wir so viele lokale Dorfschulen wie nur möglich besuchten. „Wenn du deinen Artikel ablieferst, solltest du die Veranstalter mal fragen, was eigentlich der tiefere Sinn dieser Aktion war", witzelte Sergej und wir schlängelten uns östlich der Hauptstraße von Dorf zu Dorf, um die Schüler vom Unterricht abzuhalten. In jeder Schule baten wir den dortigen Direktor, unseren Besuch mit einem Stempel offiziell zu bestätigen, damit wir einen Nachweis für die Veranstalter hatten.

So wie „Lemax" war auch das Team „Unser Alaska" daran gescheitert, eine der Weltraumkapseln in Kasachstan zu ergattern. Sie waren einfach nicht schnell genug gewesen im Gegensatz zu anderen Mannschaften wie zum Beispiel das Team „Cosmos".

„Unser Alaska" hatte sich geweigert, den schwierigen Weg nach Chabarowsk entlang der Gleise der Baikal-Amur-Magistrale zu nehmen. Das hätte zwar Extrapunkte eingebracht, aber ihre Wagen hätten die Reise wahrscheinlich nicht überlebt. Die einzige Hoffnung der Mannschaft bestand nun darin, so viele Punkte wie möglich für die Navigation zu bekommen, ohne zu weit von der Hauptstrecke abzukommen. Deshalb auch der Besuch der Dorfschulen.

Ich habe mal irgendwo gelesen, dass Politiker in Moskau behauptet hätten, alle russischen Schulen seien bereits mit einem Highspeed-Internetzugang ausgestattet oder würden diesen in sehr naher Zukunft erhalten. Schwer vorstellbar, dass dieses Versprechen auch in den Orten umgesetzt wird, die wir besuchten. Fast alle Ortschaften hatten eine Bevölkerung von weniger als tausend Einwohnern. Das hieß auch, dass es wohl jeweils nur eine einzige Schule im Ort gab, die wir besuchen konnten.

Die Gebäude und die Ausstattung hatten alle schon einmal bessere Tage erlebt und bildeten einen starken Kontrast zu der Überschwänglichkeit und der Neugierde der Schüler und Lehrer, die uns eigenartige Besucher mit den Jeeps auf unserer ungewöhnlichen Reise von Murmansk hier vorbeikommen sahen.

Im Dorf Tscherimochowo war die Schule bis auf eine Klasse, in der gerade Biologie unterrichtet wurde, vollkommen menschenleer. Der verdutzte Lehrer erklärte uns, dass alle zum Mittagessen nach Hause gegangen seien, und entließ dann seine Klasse, um uns zum Haus des Direktors zu führen. Dieser sollte uns den Stempel geben, denn eine Videoaufnahme oder irgendeinen anderen Beweis unseres Besuchs hätten die Veranstalter nicht akzeptiert. Die Schüler jedenfalls beklagten sich nicht.

Wir haben jetzt mehr als anderthalbtausend Kilometer auf der neuen Autobahn von Tschita nach Chabarowsk zu fahren, um über die Mandschurei in den Fernen Osten Russlands zu gelangen. Und noch immer liegt eine Riesendistanz vor uns...

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