east forum Berlin: Die Politik muss den Dialog starten

In einem Berliner Memorandum forderten Teilnehmer des Forums die Europäische Union und die Eurasische Wirtschaftsunion auf, endlich einen offiziellen Dialog zu beginnen.

In einem Berliner Memorandum forderten Teilnehmer des Forums die Europäische Union und die Eurasische Wirtschaftsunion auf, endlich einen offiziellen Dialog zu beginnen.

Hubert Thielicke
Mehr als 300 Vertreter von Wirtschaft und Politik aus Europa und Asien diskutierten am Donnerstag in Berlin unter dem Motto „Die Zukunft der europäischen und eurasischen Partnerschaft“. Viele Teilnehmer sprachen sich für eine Intensivierung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen aus.

Das east forum Berlin hat sich in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Plattform für den internationalen Austausch entwickelt. Dass es inzwischen zu einer Art Seismograf wurde, der sehr genau die Stimmung von Wirtschaft und Politik registriert, zeigte sich auch in diesem Jahr: Die Teilnehmer verwiesen mit Sorge auf die gegenwärtigen problematischen Entwicklungen in der Europäischen Union und die insbesondere von den USA ausgehenden

protektionistischen Tendenzen in der Weltwirtschaft. Zugleich setzten sie aber ein klares Zeichen für internationale Zusammenarbeit und offene Märkte.

Sowohl die Reden im Plenum als auch die Diskussionsforen verdeutlichten den Willen der Wirtschaftsvertreter, im eurasischen Raum das Vertrauen wiederherzustellen, Barrieren zu überwinden und sich auf die Wachstumstreiber zu konzentrieren. Nicht zuletzt ging es dabei darum, die Möglichkeiten der digitalen Revolution stärker zu nutzen.

Schlüsselfaktor Vertrauen

Der eurasische Raum biete ein großes Potenzial für die Zusammenarbeit. Es gelte, sich auf die Gemeinsamkeiten zu konzentrieren und die sich aus Vernetzung und Handel ergebenden Chancen zu nutzen, bekräftigte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.

Rainer Lindner (3.v.l.), Geschäftsführer für Zentral- und Osteuropa, Mittlerer Osten und Afrika der Schaeffler-Gruppe, leitete das Rundtischgespräch zur Digitalisierung. / Hubert ThielickeRainer Lindner (3.v.l.), Geschäftsführer für Zentral- und Osteuropa, Mittlerer Osten und Afrika der Schaeffler-Gruppe, leitete das Rundtischgespräch zur Digitalisierung. / Hubert Thielicke

Die Wiederherstellung des Vertrauens bezeichnete Tigran Sargsyan, Vorsitzender der Eurasischen Wirtschaftskommission, als Schlüsselfaktor der gegenwärtigen internationalen Beziehungen. Leider werde die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) im Westen noch oft geradezu im Zerrspiegel gesehen, als eine Art Versuch, die alte Sowjetunion wiederherzustellen. Es sei jedoch eine ökonomische Organisation mit gleichen Rechten für alle Mitglieder, betonte Sargsyan, von seinem kleinen Heimatland Armenien bis hin zum riesigen Russland.

Wie Botschafter Florian Raunig, Vertreter der österreichischen OSZE-Präsidentschaft, zum Ausdruck brachte, sei die Organisation im Rahmen ihrer Connectivity-Agenda bereit, den Dialog zwischen EU und EAWU voranzutreiben. Jetzt sei zu hoffen, so ergänzte Wolfgang Büchele, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, dass sich auch die EU bald zur Aufnahme offizieller Verhandlungen bereit erkläre.

Das von Teilnehmern der Konferenz unterzeichnete Berliner Memorandum fordert deshalb die Politiker der Mitgliedsländer von EU und EAWU auf, endlich einem Mandat für den offiziellen Dialog beider Organisationen zuzustimmen. „Gerade in Zeiten, in denen im anglo-amerikanischen Raum von stärkerer Abschottung die Rede ist, sollten wir dieses Projekt mit Leben füllen“, unterstrich Büchele.

Deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen intensivieren

Im Gespräch mit RBTH betonten Unternehmensvertreter ihr besonderes Interesse an den Wirtschaftsbeziehungen mit Russland. Die Schaeffler-Gruppe, ein weltweit führender Automobil- und Industriezulieferer, werde sich auch weiterhin im russischen Markt engagieren, meinte Rainer Lindner, Geschäftsführer für Zentral- und Osteuropa, Mittlerer Osten und Afrika. Man sehe interessante Möglichkeiten bei größeren Infrastrukturprojekten.

Im Transitverkehr sei eine gute Entwicklung zu verzeichnen, jetzt gehe es im innerrussischen Verkehr schrittweise aufwärts, sagte Uwe Leuschner, Senior Vice President Business Development Eurasia der Deutschen Bahn. Für eine Ausweitung des Geschäfts sei nun der Durchbruch erforderlich – eine Verbesserung der Binnenkonjunktur in Russland.

Die Lage sei stabil, wenn auch derzeit noch kein Wachstum zu verzeichnen sei, schätzte Andrej Gross, Deutsche Messe AG, ein. Auf der Hannover Messe Ende des Monats werde die Russische Föderation mit einer großen Delegation unter Leitung von Denis Manturow, Minister für Industrie und Handel vertreten sein. Auch die Stadt Moskau wolle Flagge zeigen, täglich seien Events geplant. So will der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft mit SAP eine große Veranstaltung zur Digitalisierung in der russischen Industrie durchführen.

Wie auch andere deutsche Wirtschaftsvertreter sieht Ute Kochlowski-Kadjaia, Geschäftsführerin des Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft, die in Russland begonnene Lokalisierung sehr positiv. Hier eröffneten sich gute Möglichkeiten auch für deutsche Firmen, sagte sie. Es müsse jedoch noch mehr dafür getan werden, um den Mittelstand zu fördern und einen gewissen Reformstau zu überwinden.   

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