Freude schenken!

Der Entschluss, einsame alte Menschen zur unterstützen, wurde 2007 auf Initiative der damaligen Studentin der Moskauer Staatlichen Universität Jelisaweta Oleskina gefasst. Foto: Pressebild

Der Entschluss, einsame alte Menschen zur unterstützen, wurde 2007 auf Initiative der damaligen Studentin der Moskauer Staatlichen Universität Jelisaweta Oleskina gefasst. Foto: Pressebild

In Russland gibt es mehr als anderthalbtausend Altersheime. In ihnen lebt über eine Viertelmillion alter Menschen. Ehrenamtliche Helfer bereiten Tausenden einsamen älteren Menschen im ganzen Land ein frohes Fest.

Am späten Abend drängen sich bei minus zwanzig Grad vor einer Starbucks-Filiale im Zentrum Moskaus mehrere Dutzend Menschen. „Haben Sie etwas für die Oma oder den Opa?" – „Parfüm ist leider nicht gestattet, besser sind warme Socken, Bademäntel, Hausschuhe und Ansichtskarten". Die Menschen in der Schlange informieren einander in kurzen Sätzen – das Sprechen fällt bei dieser Kälte schwer. Die PR-Managerin Polina hält, wie auch die anderen Starbucks-Besucher am heutigen Abend, in ihrer Hand ein Geschenkpaket für das Neujahrsfest. „Ich habe mich strikt an die Empfehlungen gehalten: ein Wolltuch, ein Plüschtier, Schokoladenküsse und eine Glückwunschkarte mit der Aufschrift Liebe Oma", erzählt die junge Frau.

Die liebe Oma wird Polina nie zu Gesicht bekommen. „Ich habe im Internet den Aufruf gelesen, dass Geschenke für Altersheime im ganzen Land

gesammelt werden", erklärt die 27-jährige junge Frau. „Wir haben mit den Kollegen zusammengelegt und konnten für das Geld drei Geschenke zusammenstellen – zwei für Großmütter und eines für einen Großvater. Es blieb sogar noch etwas für eine Packung Windeln übrig". Kurz vor dem Neujahrsfest und vor Weihnachten, das in Russland am 7. Januar gefeiert wird, sammelt die gemeinnützige Stiftung Freude im Alter Geschenke, die sie anschließend in Dutzenden Altersheimen in ganz Russland verteilt.

Der Entschluss, einsame alte Menschen zur unterstützen, wurde 2007 auf Initiative der damaligen Studentin der Moskauer Staatlichen Universität Jelisaweta Oleskina gefasst. Im Frühjahr 2006 fuhr Jelisaweta, eine attraktive junge Russin mit langem Zopf, guter Seele und einem für das russische Naturell recht untypischen Tatendrang, zu einem Volkskunstpraktikum in das Gebiet Pskow. Auf der Suche nach traditionellen Volksliedern besuchte sie unter anderem auch ein Altersheim auf dem Lande. Nach ihrer Rückkehr gingen ihr die bescheidenen Lebensbedingungen der alten Menschen und deren gedrückte Stimmung nicht mehr aus dem Sinn.

„Am Anfang rief ich im Internet dazu auf, ein Konzert in einem Veteranenheim in der Nähe von Moskau zu organisieren. Wir vereinbarten, uns in der U-Bahn zu treffen. Ich hatte keine Ahnung, wer und ob überhaupt jemand kommen würde", erinnert sich Jelisaweta. Es kamen ein paar Studenten zur Metro-Station Komsomolskaja. Sie sind es auch, die jetzt die Kernmannschaft der ehrenamtlichen Helfer bilden: Sie organisieren den Briefwechsel mit den Großmüttern und Großvätern, besuchen diese regelmäßig und bringen Musikinstrumente sowie Liedtexte aus der Sowjetzeit vorbei. Windeln, Rollstühle, Bettwäsche, Matratzen, spezielle medizinische Präparate und vieles andere mehr sind ebenfalls immer herzlich willkommen.

Mit der Zeit eröffneten die ehrenamtlichen Helfer „Filialen" im ganzen Land. Gegenwärtig betreut die gemeinnützige Stiftung mehr als 85 Altersheime überall in Russland. Bereits seit mehreren Jahren führen die Organisatoren der Aktion Freude im Alter regelmäßig ein Jahrestreffen der ehrenamtlichen Helfer durch. Auch Freiwillige aus Deutschland kommen dahin.

„Die Idee, Geschenke für das Neujahrsfest zu sammeln, kam uns 2011. Damals sammelten wir fünfhundert Pakete und beschenkten damit alte Menschen in der Nähe von Moskau. Im vergangen Jahr beschlossen wir, diese erfolgreiche Aktion zu wiederholen und sammelten .... 12.000 Geschenke. Nun werden die Pakete, Beutel und Bündel innerhalb der nächsten paar Tage zu fünf Moskauer Kaffeehäusern und von dort zu mir nach Hause gebracht", erzählt die 24-jährige Stiftungsdirektorin Jelisaweta Oleskina.

Der Treppenaufgang des noblen Gebäudes aus der Stalinzeit, das am Ufer des Flusses Moskwa steht und in der zu Sowjetzeiten die Moskauer Intelligenzija wohnte, hat für die Aktion Freude im Alter mehr als nur Signalcharakter. Hier treffen sich die ehrenamtlichen Helfer seit Anbeginn, hierher werden vor dem Abtransport in die Altersheime die von den alten Menschen benötigten Sachen und vor den Neujahrsfeiertagen die Tausenden Geschenkpakete transportiert. „Vor dem Versand müssen die Geschenkpakete mit den Gaben sortiert werden. Dieser Berg hier geht morgen auf den Weg nach Mordowien, knapp tausend Kilometer von Moskau entfernt, nächste Woche schicken wir Geschenke in den Nordwesten, in das Gebiet Nowgorod und in den Norden, in das Gebiet Archangelsk".

Jelisaweta schlängelt sich in der Kelleretage des Gebäudes durch die Paketberge mit den Geschenken, die sich bis zur Decke stapeln. „Zusammen mit dem Aufruf, den Großmüttern und Großvätern etwas zum Neujahrsfest zu schenken, verteilen wir Listen mit den benötigten und gewünschten Sachen", erklärt die junge Frau. Aber es kommt vor, das die Leute unnötige und manchmal in Altersheimen nicht gestattete Geschenke mitbringen.

Parfümierte Seife können wir leider nicht entgegennehmen, weil die alten Menschen manchmal denken, dass es sich um Süßigkeiten handelt und versuchen, sie zu essen. Eau de Cologne und Parfüm sind ebenso verboten – die alten Männer könnten sie austrinken. Harte Süßigkeiten sind für die betagten Menschen aufgrund der schlechten Zähne auch nicht geeignet. Kerzen und Räucherstäbchen sind aus Brandschutzgründen nicht zulässig. Die Geschenke werden auch daraufhin überprüft, ob sie die obligatorische Komponente enthalten: eine unterschriebene Karte mit Glückwünschen für das Neujahrsfest. Falls jemand die persönliche Glückwunschkarte doch vergessen haben sollte – im Keller gibt es einen Stapel Glückwunschkarten und Stifte.

Die PR-Managerin Polina hat daran gedacht, die Karte beizufügen. Sie wird wahrscheinlich auch erfahren, wer denn das von ihr gekaufte kuschelige Tuch und die Pantoffeln bekommen wird. In den Umschlag mit der Neujahrskarte hat die Moskauerin noch ein leeres Kuvert gesteckt, frankiert und mit ihrer eigenen Adresse versehen. „Ich habe die mir unbekannte Oma gebeten, mir ein paar Zeilen über sich zu schreiben und freue mich schon auf ihre Antwort", sagt die junge Frau. „Und in der Zwischenzeit bereite ich meine Freunde auf die nächste Geschenkesammlung vor. Die findet wahrscheinlich zu Ostern statt".

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