Putinsatire für die Wohnstube

1994 startete mit „Kukly" (Puppen) die wahrscheinlich wichtigste parodistische Sendereihe Russlands. Foto: Kommersant

1994 startete mit „Kukly" (Puppen) die wahrscheinlich wichtigste parodistische Sendereihe Russlands. Foto: Kommersant

Die politische Satire kehrt in neuer Gestalt in die russische Fernsehlandschaft zurück. Als Sitcom mit Putin in der Hauptrolle begeistert sie das satirehungrige Publikum.

Als vor kurzem einer der größten russischen Fernsehsender die politische Sitcom „Da, Gospodin President" (zu Deutsch: „Ja, Herr Präsident") ausstrahlte, deren Protagonist Wladimir Putin ist, war die Presseresonanz gewaltig. Das überrascht nicht – war doch die russische Politsatire in den vergangenen Jahren unaufhaltsam ins Internet abgewandert und hatte im Fernsehen nur kümmerliche Reste zurückgelassen.

Die Ära der politischen Satire im russischen Fernsehen ist insgesamt nicht besonders lang. Sie erstreckt sich seit dem Zerfall der Sowjetunion über

etwas mehr als 20 Jahre. Alles begann mit einer Reihe von Sketchen des Klub der Frohsinnigen und Findigen (KWN), einer beim jüngeren Publikum sehr beliebten Stand-up-Comedy. Dort wurden schon Ende der 80er-Jahre politische Parodien auf die Bühne gebracht, die anfangs noch dem letzten sowjetischen Oberhaupt Michail Gorbatschow, danach dem ersten russischen Präsidenten Boris Jelzin galten.

1994 startete mit „Kukly" (Puppen) die wahrscheinlich wichtigste parodistische Sendereihe. Sie war ein Lizenzprodukt der französischen Fernsehsendung Guignols de l'info, deren Darsteller nach dem Vorbild russischer Politiker gestaltete Gummipuppen waren. Der Drehbuchautor des Projektes, der Schriftsteller und Satiriker Viktor Schenderowitsch, verlieh den Puppen-Sketchen eine unverwechselbare Bissigkeit und Aktualität. Die Sendung brachte es innerhalb kürzester Zeit zu einer außerordentlichen Beliebtheit und hohen Zuschauerquoten. Acht Jahre lang behauptete „Kukly" ihren Sendeplatz bei NTV, einem der führenden russischen Fernsehsender, wurde jedoch nach einem Eigentümerwechsel im Jahr 2001 eingestellt.

In den 2000er-Jahren folgten einige Versuche, das Genre der politischen Satire im russischen Fernsehen wieder zum Leben zu erwecken. Von 2005 bis 2008 strahlte NTV die Sendung „Realnaja Politika" aus, die unter anderem kurze computeranimierte Filme mit im Vergleich zu „Kukly" handzahmen Parodien führender Politiker brachte. Im Jahr 2009 nahm der russische Fernsehsender Perwy Kanal außerdem das Projekt „Mult litschnosti" (ein Wortspiel mit „Kult litschnosti" –Personenkult) in sein Programm auf.

Hier werden animierte Figuren aus der russischen und internationalen Politik und Stars aus dem Showbusiness parodiert. Dieses Projekt läuft heute noch, es ist aber nach Einschätzung vieler Experten, darunter auch des Drehbuchautors und Ideengebers der „Kukly" Viktor Schenderowitsch, nur eine schlechte Kopie politischer Satire.

 

Internet als sprudelnde Satire-Quelle

So stark, wie das Genre der Politsatire im Fernsehen verkümmerte, trat das Internet in den Vordergrund, in dem tatsächlich bissige und aktuelle politische Parodien publiziert wurden. Ein Beispiel ist der Blog vladimirvladimirovich.ru, der in regelmäßigen Abständen kurze absurde Geschichten aus dem fiktiven Leben eines Wladimir Putin veröffentlicht. Die Jahre 2011 bis 2012 standen ganz im Zeichen der Videoserie „Graschdanin Poet" (im Deutschen: Bürgerpoet). Der beliebte Schauspieler Michail Jefremow las parodistische Strophen des nicht weniger bekannten Autors und Journalisten Dmitri Bykow zu kritischen Themen der russischen Politik.

Seit 2010 gibt es den Twitter-Blog KermlinRussia, eine Parodie des offiziellen Blogs des damaligen Präsidenten Dmitri Medwedjew. Da ihn vom offiziellen Kreml-Blog nur ein einziger Buchstabe unterscheidet, kam es mehrfach zu amüsanten Verwechslungsfällen, in denen die parodistischen Einträge von den Medien für bare Münze genommen und ungeprüft aus vermeintlich offizieller Quelle zitiert wurden.

Womöglich ist die politische Sitcom als neues TV-Format ein Versuch, das Fernsehpublikum zu binden. Darüber sprach Russland HEUTE mit dem in New York lebenden russischen Autor Alexej Zwetkow, der sich mit einer Serie kurzer satirischer Skizzen aus dem Leben führender Staatspersönlichkeiten einen Namen gemacht hat. Zwetkow vermutet, dass die Fernsehsender auf diese Weise einen Teil des ins Internet abgewanderten Publikums zurückgewinnen und für das Werbegeschäft nutzbar machen möchten. Auf die Frage, ob Satire für die Regierung riskant sein könnte, antwortet Zwetkow: „wenn das politische Klima im Land einigermaßen gesund" sei, die Satire „diese Gesundheit durchaus stärken kann, indem sie das Publikum zu dem erforderlichen Skeptizismus erzieht".

NTV selbst gibt keine Antwort auf die Frage nach der Zukunft dieser Sendung. Auf Seiten der Fernsehzuschauer ist die Nachfrage nach politischer Satire jedenfalls groß. „Das Publikum ist das derzeitige Fernsehprogramm leid. Es freut sich über jeden Versuch einer Regierungskritik. Davon müssen wir grundsätzlich ausgehen", sagt der Schriftsteller und Verfasser der Jelzin-Biografie Boris Minajew. Schließlich mache, so Minajew, politische Satire das Atmen leichter und das Leben fröhlicher.

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