Jahr der Sprache inmitten der politischen Krise

Botschafter Wladimir Grinin mit Peter Gauweiler, dem Vorsitzenden des Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Ausschusses. Foto: DBT/Melde

Botschafter Wladimir Grinin mit Peter Gauweiler, dem Vorsitzenden des Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Ausschusses. Foto: DBT/Melde

Dem gespannten Verhältnis zum Trotz halten die Regierungen in Berlin und Moskau an ihrem Vorhaben fest, vom Sommer 2014 bis Sommer 2015 das „ Jahr der Deutschen Sprache und Literatur in Russland“ und parallel dazu ein „Jahr der Russischen Sprache und Literatur in Deutschland“ zu feiern.

Das sehr umfangreiche Programm stellte der Botschafter Russlands, Wladimir Grinin, am 7. April 2014 selbst dem „Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik" des Bundestages vor.

Allein die Tatsache, dass der Botschafter selbst eine Erläuterung und Begründung für das Jahres-Vorhaben gab, war schon angesichts der gespanten Lage zwischen den beiden Ländern bemerkenswert. Ebenso

Unterausschuss "Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik"

 

Mit der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik beschäftigt sich der vierte Unterausschuss des Auswärtigen Ausschusses.

Hier stehen die Goethe-Institute und der Deutsche Akademische Austauschdienst immer wieder auf der Agenda der Kulturpolitiker. Hinzu kommen internationale Übereinkommen zum Schutz von Kulturgütern, die nur mit Zustimmung des Bundestages ratifiziert werden können.

Die Abgeordneten beschäftigen sich in diesem Ausschuss zudem mit interkulturellen Beziehungen. Träger der Auswärtigen Kulturpolitik sind insbesondere das Goethe-Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst, das Deutsche Archäologische Institut und die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen.

bemerkenswert war es, dass von den neun Mitgliedern im Ausschuss immerhin fünf gekommen waren (Diether Dehm, (Linke); Michelle Müntefering (SPD), Philipp Mißfelder (CDU), Claudia Roth und Omid Nouripour von den Grünen). Eingeladen hatte Ausschussvorsitzender Peter Gauweiler (CSU) Vertreter des Goethe-Institutes in Moskau, des Auswärtigen Amtes, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD, der Humboldt-Stiftung und des „Zentralen Auslandsschulwesens".

Das Projekt 2014/2015 ist nicht neu, denn schon 2012/2013 veranstalteten Deutschland und Russland unter dem Motto „Gemeinsam die Zukunft gestalten" ein Jahr lang Projekte in den Bereichen Kultur, Bildung und Wissenschaft sowie Politik und Wirtschaft. Doch vor nur einem Jahr waren die bilateralen Beziehungen weitaus entspannter als sie heute aufgrund der Krim-Krise sind.

Dennoch soll gefeiert werden, um die Kulturbeziehungen beider Länder nun auf dem Gebiet der Sprache und Literatur zu vertiefen. Botschafter Grinin hielt daher auch eine abwägende, kluge Rede. Er ging nicht direkt auf die schwelende Krise zwischen Deutschland und Russland ein, sondern lobte die „Kultur, die für die Begleitung eines Annäherungsprozesses zwischen den Staaten eine extrem große, ja wahrscheinlich primäre Relevanz hat. Gerade durch die gegenseitige kulturelle Erkundung vollzieht sich auch die gegenseitige Verständigung, findet eine Art internationale Verflechtung statt. Die Menschen der einen Kultur lernen langsam die Mentalität und Denkweise von Vertretern der anderen Kultur kennen. Es werden Klischees, Vorbehalte und Stereotypen aufgebrochen. Natürlich ist das nur möglich, wenn das Interesse für diese Erkundung auch von Toleranz begleitet wird. Noch besser wäre es, wenn die Toleranz erzogen bzw. anerzogen würde." Was aber, so fragte Grinin, wäre dies ohne die Sprache? Die Sprache ist naturgemäß der „Kommunikationskanal zwischen den Menschen". Und dann kam Grinin auf den Kernpunkt seiner Aussage. Viel zu wenig sei bisher zwischen Russland und Deutschland geschehen, um dieses Potential der „Spüraschen" (Deutsch und Russisch) auszunutzen. Mehr „Werbung", um die jeweils andere Sprache zu erlernen, sollte es daher geben.

Das genau wird es auch geben in diesen 12 „Sprach-Monaten". Der Botschafter zählte auf, was alles dem wissbegierigem Russen, ob Jung oder Alt, geboten wird: Veranstaltungen in den Bereichen Sprachunterricht,

Übersetzung und Literatur: Die Russisch-Olympiaden, Wettbewerbe für deutsche Schüler und Studenten; Konferenzen, Seminare, Workshops für Lehrer und Hochschulprofessoren für Russisch; Übersetzer-Symposien; Begegnungen unterschiedlicher Art zwischen russischen und deutschen Schülern und Studenten, die jeweils Deutsch und Russisch studieren und vieles andere mehr. Ausstellungen, Lesungen, Literaten- und Publizistentreffen. Deutsch rangiert nach Englisch auf Platz zwei gemessen am Angebot des Fremdsprachenunterrichts an russischen Bildungseinrichtungen und wird von zwei Millionen Menschen gelernt. Damit ist das Potential für die deutsche Sprache in Russland noch lange nicht ausgeschöpft.

Besorgt zeigte sich der russische Botschafter über den nachlassenden Eifer in Deutschland, Russisch zu lernen. „Das besorgt mich", so Grinin. Denn die „russische Sprache ist in meinem Verständnis ein robustes Bindeglied, eine Art Brücke zwischen zwei Kulturen und zwei Staaten." Und schließlich ist die Kenntnis der russischen Sprache für Deutsche auch besonders wichtig. Denn Deutschland ist Russlands zweitstärkster Handelspartner. Grinin: „Der Bedarf an bilingualem Personal zur Deckung dieses gegenseitigen Investitionsprozesses ist bekanntermaßen gewaltig. Auch die Einbindung dieser Fachleute, deren Interessiertheit an diesem Austausch könnte eine stimulierende Wirkung auf den ganzen wirtschaftlichen Prozess selbst ausüben."

Angedacht werden sollte zum Beispiel, dass die russische Sprache als Wahlfach an den Schulen einiger Bundesländer eingeführt wird, wo sie noch nicht angeboten wird oder als solche gestrichen worden ist. Es geht um den erweiterten zwischenstaatlichen Lehrkräfteaustausch, die Anerkennung (Zertifizierung) der Sprachenkenntnisse etc. Und generell

sollte man den Studierenden- und Akademikeraustausch ausbauen, irgendwelche besonderen Formen einer gegenseitigen Erweiterung der dualen Berufsausbildung in Erwägung ziehen, so der Botschafter.

Das war also ein großer Fragenkatalog des Botschafters an die Abgeordneten. Und die antworteten alle der Reihe nach, versprachen Hilfe, mahnten aber auch eine Entspannung der Lage an. Die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zeigte sich besorgt, angesichts der Entwicklung. Und betonte, dass sie „sich vor zwei Monaten sehr gefreut habe über dieses Sprachenjahr, jetzt aber doch sehr besorgt sei". Aber sie betonte, dass „Deutschland den Dialog nicht abreißen lassen wolle".

Michelle Müntefering prägte den Satz, die „Kultur sei die sanfte Form der Außenpolitik" und forderte vom Botschafter und seiner Regierung in Moskau mehr „Fortschritte hin zu einer Zivilgesellschaft".

So gab es keine harsche Kritik an Moskaus Ukraine Politik, nur Ermahnungen. Sowohl Botschafter Grinin als auch die Abgeordneten waren sich einig: „Wir wollen in die Zukunft blicken, nicht in die Vergangenheit. Daher darf der Faden des Dialogs nicht abreißen."

Dem „Jahr der Sprache„ kann daher nur viel Erfolg gewünscht werden.

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