Berliner Kriegsgräberstätten: Ruhe nach dem Schrecken

Sowjetische Ehrenfriedhöfer bleiben frei von der politischen Konjunktur. Foto: Pjotr Chedinov

Sowjetische Ehrenfriedhöfer bleiben frei von der politischen Konjunktur. Foto: Pjotr Chedinov

Wie die sowjetischen Ehrenmale von deutschen Kommunen gepflegt und geachtet werden.

Berlin. Es ist sonnig. Wenige Hundert Meter bis zum Bundestagsgebäude. Pavel schaut auf den T-34-Panzer, der einst im Einsatz in der Schlacht um Berlin war und schon seit 70 Jahren im sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten steht. Motor aus, sein Kampf ist längst vorbei. Pavel lobt die alte Technik und spricht von den "Opas", die damals hier gekämpft haben. "Das darf man nicht vergessen", sagt er. "So viel Leid auf beiden Seiten". Danach geht er Richtung Brandenburger Tor - sichtlich gerührt.

Mitte April haben die Springer-Blätter Bild und B.Z. eine Petition an den Bundestag angereicht: "Russen-Panzer" sollen von dem Ehrenmal entfernt werden. Vom russischen Militarismus war die Rede, von der Bedrohung für das demokratische Europa. Gehofft wurde auf die Entstehung einer

Diskussion über sowjetische Ehrenmale - vergeblich. Die deutsche Gesellschaft hat sich als unglaublich reif erwiesen. Selbst diejenigen, die die Außenpolitik von Russland stark kritisieren, waren von der Idee nicht begeistert.

"Absurder Populismus", nennt die Petition Fritz Kirchmeier von dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. "Die alten T-34 in Verbindung zu bringen mit den Ereignissen auf der Krim oder in Donetsk ist absurd", sagt er. Die Panzer stehen symbolisch für den sowjetischen Anteil an der Befreiung von Deutschland vom Nationalsozialismus. Eine andere Bedeutung reinzuinterpretieren wäre fehl am Platz.

Jegliche Veränderungen am Ehrenmal sind auch deswegen moralisch schwer durchführbar, weil alle drei Berliner Ehrenmale (Tiergarten, Treptower Park, Schönholzer Heide) gleichzeitig Soldatenfriedhöfe sind, wo Tausende von Rotarmisten begraben wurden, - und als solche werden sie von Kommunen geschützt. "Die sowjetischen Kriegsgräber, sowie Kriegsgräber von den anderen Nationen sind in Deutschland geachtet und sind gut gepflegt", sagt Fritz Kirchmeier. Neben Kommunen, die damit beauftragt sind und für die Pflege Staatsgelder erhalten, arbeiten daran Freiwillige, organisiert durch verschiedene Vereine. "Wir nutzen sowjetische Kriegsgräberstätte als Lernorte der Geschichte, wir bringen die Leute dazu sich mit der Vergangenheit, mit den Einzelbiographien auseinanderzusetzen", meint Fritz Kirchmeier.

Soldatenfriedhöfe erfüllen in Deutschland einen Bildungsauftrag und sind keine Symbole des Militarismus. Versteht man das, wird einem klar, dass selbst bei der Verschlechterung der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland die Pflege der sowjetischen Ehrenmale und Kriegsgräberstätten als eine Art Selbstverständlichkeit erhalten bleibt. Und die Arbeit geht weiter.

Am 2. Mai wurde der Gedenkort "Ehemaliger SS-Schießplatz Herbetshausen" in einer Gedenkfeier wiedereröffnet. Hier wurden 1941 und 1942 4000 sowjetische Kriegsgefangene von der Lager-SS erschossen. Durch die gezeigten Fotos und Biografien der Ermordeten erhalten die bislang namenlosen Opfer endlich ein Gesicht und eine Identität. "Bei der Zeremonie gab es Hinweise, dass die aktuelle Krise

präsent war, doch man hat auch gemerkt, dass es um ein gemeinsames Erinnern an die Opfer dieser Mordaktion ging, und das hat natürlich eine verbindende Funktion", sagt dazu die Leiterin der Gedenkstätte Dachau Doktor Gabriele Hammermann.

Und am 8. Mai fand eine Wiedereröffnung des sowjetischen Ehrenfriedhofs in Brielow nach der aufwendigen Rekonstruktion statt. Übrigens mit der Beteiligung vom russischen Botschafter Wladimir Grinin und dem Regierungschef von Brandenburg Dietmar Woidke. Man sieht, dass der Prozess der Pflege der sowjetischen Kriegsgräberstätten völlig frei von der politischen Konjunktur verläuft - man investiert hier in die Geschichte, man ist bemüht den Toten Respekt zu erweisen.

Am gigantischen sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park, wo 1994 das militärische Zeremoniell zum Abzug der russischen Truppen aus der DDR abgehalten wurde, ist es heute still - eine Ruheoase in der Spreemetropole. Eine Müttergruppe mit den Kinderwagen trifft sich hier um über die Themen zu sprechen, die von der monumentalen Kriegsästhetik weit entfernt sind.

Eine Clique von Skateboard-Fahrer hat sich einen Teil des Monuments zum Eigen gemacht. In der Ferne flanieren russische Touristen.

Es ist ruhig hier, die Anlage ist gut gepflegt - der Rasen ist gemäht, die Sträucher abgeschnitten, die Platten sind sauber, Stalin-Sprüche deutlich zu lesen. Die Veteranen, die sich am 9. Mai, am Tag des Sieges, hierher kommen, dürfen mit der Anlage zufrieden sein - es ist alles bei Altem geblieben. Respekt- und taktvoll wird das Ehrenmal behandelt. Ein positives Beispiel auch fürs Ausland. "Der Zustand der sowjetischen Kriegsgräber in Deutschland ist ein wichtiges Argument bei unserer Arbeit in Russland, Weißrussland und in der Ukraine, sagt Fritz Kirchmeier. - Wir zeigen da gern den guten Zustand der sowjetischen Gräber in Deutschland und bitten um Verständnis, dass wir im Ausland die Gräber unserer Toten pflegen möchten".

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