Umstrittener Tweet: „Echo Moskwy“ entlässt Journalisten

Der Journalist Alexander Pljuschtschew (zweiter von links) im Senderaum von Echo Moskwy. Foto: TASS

Der Journalist Alexander Pljuschtschew (zweiter von links) im Senderaum von Echo Moskwy. Foto: TASS

Eine Kurznachricht auf Twitter wurde Radiojournalist Aleksander Pljuschtschew zum Verhängnis. Auf Druck der Aktionäre des Senders „Echo Moskwy“ musste er nun seinen Platz räumen, gegen den Willen des Chefredakteurs, der diese Einmischung rechtswidrig nennt. RBTH über das schwierige Verhältnis von Eigentümern und Redaktionen.

Auf Anordnung des Vorstandsvorsitzenden von „Gazprom-Media", Michail Lessin, wurde Alexander Pljuschtschew, Journalist beim Radiosender Echo Moskwy (zu Deutsch - Echo Moskaus), entlassen. Gazprom ist Hauptaktionär des Senders. Pljuschtschew hatte zuvor beim Nachrichtendienst Twitter einen Eintrag zum Tode des Sohnes von Sergej Iwanow, Chef der Präsidialverwaltung der Russischen Föderation, verfasst. Alexander Iwanow war Anfang November ertrunken. Pljuschtschew hatte seinen Tod „einen Beweis für die Existenz Gottes oder einer höheren Gewalt" genannt. Hintergrund dieses Eintrages ist, dass Alexander Iwanow bei einem Autounfall den Tod einer Frau verschuldet haben soll, sich dafür jedoch nie verantworten musste. Später löschte Pljuschtschew den Eintrag wieder und entschuldigte sich. An seiner Entlassung konnte das nichts mehr ändern. Lessin begründete seine Entscheidung damit, dass Pljuschtschews Äußerungen „unethisch" gewesen seien.

Alexej Wenediktow, Chefredakteur bei „Echo Moskwy", weigerte sich, Pljuschtschew auf die Straße zu setzen. Eine solche Personalentscheidung könnte nach den Statuten des Senders nur er als Chefredakteur treffen, sagte er. In einem Interview mit dem Fernsehsender „Doschd" erklärte Wenediktow: „Die Einmischung der Gesellschafter in die Redaktionspolitik ist ein Verstoß gegen das Gesetz über die Massenmedien. Alexander Pljuschtschew muss weiterarbeiten!", stellte er sich hinter den Journalisten. Die sozialen Netzwerke seien ein privater Raum der Mitarbeiter, erklärte er.

Dennoch ordnete auch die Generaldirektorin des Radiosenders Jekaterina Pawlowa an, Pljuschtschew zu entlassen. Der Pförtner des Gebäudes, in dem Echo Moskwy seine Räume hat, wurde schriftlich angewiesen, dem Journalisten den Zutritt zu verweigern. Gazprom ließ verlauten, Wenediktow selbst riskiere seinen Job, wenn er sich der Entlassung Pljuschtschews in den Weg stelle. Eine Arbeitskommission, an die der Journalist sich mit einer Beschwerde gerichtet hat, prüft nun die Rechtmäßigkeit seiner Entlassung.

 

Wer hat in den Redaktionen das Sagen?

Von RBTH befragte Experten halten den Konflikt bei „Echo Moskwy" für einen deutlichen Beleg für den Mangel berufsethischer Normen im russischen Journalismus. Jelena Wartanowa, Dekanin an der Fakultät für Journalistik der Moskauer Lomonossow-Universität, sagte: „In der russischen Medienbranche verweisen Aktionäre in Konfliktfällen auf die Gesetzgebung, die Redakteure auf die internen Statuten der Redaktion. Ein ethischer Kodex als Ergebnis einer kollektiven Verständigung innerhalb der Journalistengemeinschaft aber ist wichtig, um Konflikte nicht sofort auf dem Rechtsweg austragen zu müssen". Wartanowa fordert, in den Arbeitsverträgen der Journalisten festzuschreiben, ob Äußerungen in den sozialen Netzwerken grundsätzlich als private Meinungsäußerung gelten sollten.

Anton Nossik ist ein bekannter russischer Journalist und populärer Blogger. Er glaubt nicht, dass es in einer journalistischen Gemeinschaft einheitliche ethische Prinzipien geben könne. Der Fall Pljuschtschew sei eindeutig: „Aktionäre von Echo Moskwy haben sich in Angelegenheiten der Redaktion eingemischt, das ist nach dem Mediengesetz und den Statuten des Senders verboten. Über den ethischen oder unethischen Charakter von Tweets von Journalisten zu urteilen, ist verfehlt, solange die Aktionäre selbst gegen das Gesetz verstoßen", sagt er.

Jelena Scherstobojewa, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikation, Medien und Design der Higher School of Economics, meint, dass ein Journalist als öffentliche Person mehr Umsicht bei der

Äußerung seiner Standpunkte in den sozialen Netzwerken walten lassen sollte. Bei der Entlassung Pljuschtschews sieht Scherstobojewa eher eine Verletzung rechtlicher, denn ethischer Normen: „Das Gesetz über Medien in Russland schreibt vor, dass ein Gesellschafter sich nicht in redaktionelle Abläufe einmischen darf." Die Beziehungen zwischen Gesellschafter und Redaktion würden alleine durch die Satzung der Redaktion geregelt, so Scherstobojewa. „Wenn die Satzung von Echo Moskwy besagt, dass der Chefredakteur über die Entlassung eines Journalisten befindet, dann genießt diese Norm den Schutz des Gesetzes. Eine Nichtbeachtung der Satzung ist als Gesetzesverstoß auszulegen, für den man zur Verantwortung gezogen wird", erläutert sie und weist daraufhin, dass in diesem Falle sogar strafrechtliche Konsequenzen für „Gazprom-Media" und Michail Lessin drohen könnten.

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