Der gläserne Russe: Welche Informationen liefern öffentliche Datenbanken?

Die Russen gehen zu sorglos mit privaten Informationen im Internet um. Foto: Shutterstock/Legion Media

Die Russen gehen zu sorglos mit privaten Informationen im Internet um. Foto: Shutterstock/Legion Media

Es ist leicht, in Russland etwas über Personen des öffentlichen Lebens herauszufinden, denn zahlreiche Informationen sind im Internet für jeden zugänglich. Privatleute geben zudem oft sorglos Privates in den sozialen Netzwerken preis. Das macht sie zum Ziel für Betrüger, mahnen Experten.

In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass das Ministerium für Bildungswesen und Wissenschaft der Russischen Föderation beabsichtigt, eine große Datenbank über Schüler und deren Eltern anzulegen. Darin sollen Informationen über die Fähigkeiten und Leistungen von mindestens 22 Millionen Schüler und Studenten ebenso erfasst werden wie Angaben über den Gesundheitszustand und die familiäre Situation. Nach einem Bericht der russischen Zeitung „Kommersant" sollen außer dem Ministerium für Bildungswesen und Wissenschaft auch das Ministerium für Gesundheitswesen und das Ministerium für Arbeit, die Steuerbehörden und die Rentenkasse, regionale und kommunale Bildungsstrukturen, Unternehmen in Lehre und Forschung sowie Organe der Jugendfürsorge Zugriff auf die Daten bekommen.

 

Informationen über Einkommen und Vermögen

Aber auch ohne solche von oben angeordneten Datenbanken lässt sich eine Menge über das Leben der Russen in Erfahrung bringen. Das Spektrum dieser Daten richtet sich nach dem Status der jeweiligen Persönlichkeit, über die man Näheres erfahren will.

Iwan Begtin, Mitglied des Expertenrates für Vertragsbeziehungen beim Ministerium für Wirtschaft und Entwicklung der Russischen Föderation, weiß, wie es geht: „Wenn sich ein Mensch unternehmerisch betätigt, kann man ohne weiteres dessen individuelle Steuernummer INN herausbekommen, seine Wohnanschrift und sogar, ob und welche Verträge er mit staatlichen Einrichtungen geschlossen hat." Diese Angaben seien im Register für Privatunternehmer enthalten, das es in jeder Region gebe. „Auf Antrag wird ein Auszug aus dem Register ausgestellt."

Bei Staatsbediensteten könne man nicht nur nachschauen, wie hoch deren Bezüge sind, sondern sogar in Erfahrung bringen, welches Auto gefahren wird oder ob Immobilien auf den Namen eingetragen wurden, erzählt Begtin. „Diese und noch andere Informationen findet man auf den Internetseiten der Ämter und Steuerbehörden." Auch Informationen über Wahlkandidaten und Abgeordnete, etwa Angaben über ihren Arbeitgeber oder ihr Einkommen, seien öffentlich, zumindest während des Wahlkampfes. Über Personen des öffentlichen Lebens wie Politiker fänden sich meist sehr umfangreiche Informationen im Internet, etwa auf den Homepages staatlicher Einrichtungen, so Begtin weiter. Entsprechendes gelte auch für die Vorstände großer Unternehmen.

Begtin verweist auch auf die Internetseiten der russischen Gerichte, die über Verfahren informierten, bei denen Russen involviert seien. In den Datenbanken der Gerichtsvollzieher finden sich Informationen über Schuldner und deren Schulden. Um darauf zugreifen zu können, genüge eine Anfrage an das Föderale Register, sagt Begtin. Manche Informationen bekommt man nur gegen Entgelt. Dabei gelte: Je mehr man bereit zu bezahlen ist, desto mehr Informationen gibt es. Da könnten für umfangreiche Auskünfte schon einmal „Eintrittsgelder" zu den Datenbanken in Höhe von bis zu 1 000 Euro fällig werden, weiß Begtin. Zudem gebe es neben den offiziellen auch inoffizielle Quellen.

 

Sorgloser Umgang mit sensiblen Daten

Eine ganze Menge an Informationen gibt es aber auch ganz umsonst, denn: „Viele Russen geben bereitwillig detaillierte Auskünfte über sich und ihr Leben in den sozialen Netzwerken", sagt Begtin.

Es ist jedoch nicht ganz so, dass in Russland jeder über jeden Informationen im Internet finden könne. Von den offiziellen Datenbanken werden bei weitem nicht alle russischen Bürger erfasst. „Der Informatisierungsgrad ist in Russland nicht sehr hoch. Selbst die Rentenkasse hat nicht alle Angaben zu allen Personen, die von ihr zu erfassen wären. Daher kann man Informationen nur über die Personen der russischen Gesellschaft beschaffen, die sich wirtschaftlich oder in der Öffentlichkeit aktiv betätigen", so Begtin. „Das Land ist groß und die Informationen sind weit verstreut."

Alexander Baranow, Leiter des Lehrstuhls für Informationssicherheit an der Hochschule für Wirtschaft, ist der Meinung, dass die Menschen in Russland

den Umgang mit der Privatsphäre im Internet erst noch erlernen müssten. Sie sollten auch mögliche negative Folgen in Betracht ziehen, die eine Offenlegung von Informationen über sich selbst nach sich ziehen könnten. „Der einfache Bürger ist den Informationstechnologien ziemlich schutzlos ausgeliefert. Mehr noch, ihm ist nicht immer klar, welche Informationen öffentlich preisgegeben werden können und welche besser nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten", sagt Baranow. Die Russen seien zu sorglos: „Sie achten zu wenig darauf, was sie sagen." Baranow merkt an, dass der Begriff der personenbezogenen Daten in den russischen Gesetzen nicht exakt formuliert sei und die Menschen gar nicht verstehen würden, was man wie verlautbaren könne. Das riefe Betrüger auf den Plan. Der Fachmann ist davon überzeugt, dass der Staat ein System für den zivilen Schutz von Informationen schaffen müsse, das die Russen vor Angriffen von Betrügern und Hackern im Internet bewahrt.

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