Krimtataren: Gedenkfeier zum 71. Jahrestag der Deportation wurde verboten

Foto: Artjom Kreminskij/RIA Novosti

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Die Regierung der Krim hat eine Gedenkveranstaltung der Krimtataren zum 71. Jahrestag ihrer Deportation verboten, angeblich auf Wunsch der Krimtataren selbst. Russische Experten vermuten dahinter jedoch die Absicht, radikale Kräfte unter Kontrolle zu halten und die Stabilität der Region nicht zu gefährden.

Am vergangenen Montag wollten die Krimtataren eine Gedenkveranstaltung zum 71. Jahrestag der Deportation der Krimtataren abhalten. In Simferopol sollten ein Trauermarsch und eine Kundgebung stattfinden. In diesem Jahr wurde nach Angaben des Medschlis, zentrales Exekutivorgan der Krimtataren, mit rund 5 000 Teilnehmern gerechnet. Doch wie schon im vergangenen Jahr fand die Veranstaltung nicht statt. Sie wurde von den Behörden verboten. Die russische Zeitung „Kommersant" berichtet, dass Sergej Aksjonow, Präsident der Republik Krim, nach eigenen Angaben mit dem Verbot auf eine Bitte der krimtatarischen Öffentlichkeit reagiert habe. Es sollte verhindert werden, dass die Gedenkveranstaltung politisiert werde. 2014 wurde das Verbot mit der Vorbeugung von Provokationen durch Extremisten begründet, wie es in einer entsprechenden Weisung hieß.

Um mögliche Provokationen ging es auch in diesem Jahr. Am 7. Mai erklärte der Vizepremierminister der Krim Ruslan Balbek, dass ukrainische Politiker und Medschlis-Vertreter die Veranstaltung für eigene Zwecke nutzen wollten. Dies hätten Polizei und Regierung in Erfahrung gebracht. Gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Novosti sagte Balbek: „Wir werden nicht zulassen, dass die interethnische Einstimmigkeit auf der Krim gestört wird." Offiziell wurde die Absage auch mit einer Belegung der öffentlichen Plätze begründet, auf denen die Veranstaltung hätte stattfinden sollen. Die Regierung schlug vor, stattdessen kleinere Trauerfeiern abzuhalten oder in den Moscheen zu beten.

Gegen eine Politisierung des Gedenktages sprach sich auch Mufti Emirali Ablajew aus. Laut Kommersant, der sich dabei auf Informationen aus dem Ministerrat beruft, sei auch der Anführer der Bewegung Krim und Vizevorsitzender des Rats der Republik Remsi Iljasow für eine Absage gewesen. Im Medschlis vermutet man, dass die Behörden Angst hätten, die Probleme der Krimtataren könnten öffentlich werden, denn „auf dem Papier sind alle Probleme bereits gelöst", so Medschlis-Präsidiumsmitglied Ali Chamsin.

 

Angst vor Protesten und Destabilisierung

Waswi Abduraimow, Vorsitzender der oppositionellen Vereinigung Milli Firka, erklärte, von der breiten Masse der Krimtataren habe niemand um eine Politisierung gebeten. Vielmehr seien es „Krimtataren, die hohe Posten in der Regierung besetzen und auch von sogenannten gesellschaftlichen Organisationen, die mithilfe von administrativen Ressourcen und mit öffentlichen Geldern geschaffen wurden", gewesen, sagt er im Interview mit RBTH. Alle anderen Krimtataren, sowohl jene, die Russland „nicht allzu loyal" gegenüberstünden, als auch jene, die eine Integration mit Russland unterstützten, seien mit der Entscheidung einer Absage nicht einverstanden. Die Regierung der Krim habe dem Image Russlands nun einen Bärendienst erwiesen, findet Abduraimow. „Nun werden die anderen Länder mit dem Finger auf Russland zeigen und das Land für den Umgang mit dem Vermächtnis der Krimtataren kritisieren."

Hinter dem Verbot verberge sich möglicherweise tatsächlich Angst vor Protesten, vermutet der Vizepräsident der unabhängigen Stiftung Polittechnologiezentrum Rostislaw Turowskij im Interview mit RBTH. „Wenn der Protest zu laut ausfällt, wird das der Regierung der Region angekreidet

werden", sagt er. „Gerade wird eine regierungsnahe krimtatarische Bewegung aus dem Boden gestampft, während gleichzeitig versucht wird, die radikalen Krimtataren an die Peripherie zu drängen, was in vielerlei Hinsicht gelingt", so Turowskij weiter.

Dmitrij Schurawljow, Generaldirektor des Instituts für Regionalprobleme, sieht in dem Verbot mehr den Wunsch der Regierung, Stabilität in der Region zu bewahren. „Die Deportation ist eine furchtbare Geschichte, man sollte sie nicht vergessen, aber heute sind soziale Erschütterungen für eine Region, die gerade erst wieder aufatmet, sehr gefährlich", bemerkt er. „Der Medschlis hat sich selbst zum einzigen Vertreter des krimtatarischen Volkes ernannt – zu Unrecht", findet der Politologe und fügt hinzu: „Nicht alle hohen Persönlichkeiten der Krimtataren unterstützen die Position des Medschlis." Turowskij und Schurawljow rechnen jedoch nicht mit negativen Auswirkungen für die Regierung der Krim oder die interethnischen Beziehungen in der Region.

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