Entlassungs-Skandal: Kendrick White bleibt an der Lobatschewski-Universität

Kendrick White. Foto: RIA Novosti

Kendrick White. Foto: RIA Novosti

Der US-Amerikaner Kendrick White, der nach einem kritischen TV-Beitrag als Prorektor der Lobatschewski-Universität Nischni Nowgorod entlassen wurde, darf nun doch weiterarbeiten. Die Universität bietet ihm einen neuen Posten mit gleichem Aufgabengebiet an. Ihre Entscheidung begründete sie mit einer „planmäßigen Umstrukturierung“.

Der US-Amerikaner Kendrick White darf nun doch weiter an der Staatlichen Lobatschewski-Universität Nischni Nowgorod arbeiten. Am Dienstag vergangener Woche war der Prorektor der Hochschule nach einem kritischen Beitrag in der Nachrichtensendung „Westi nedeli“ entlassen worden. Nun soll er das Zentrum für Technologiekommerzialisierung der Universität leiten. Die Umbesetzung erfolge im Rahmen einer planmäßigen Umstrukturierung, erklärte die Leitung der Universität. White sagte der russischen Wirtschaftszeitung „Kommersant“, seine Entlassung sei „ein echter Schock“ für ihn gewesen.  

Entlassung nach kritischem TV-Beitrag

Der Skandal um den Risikoinvestor Kendrick White begann vor elf Tagen. Am 28. Juni berichtete Dmitri Kisseljow, Fernsehreporter und Chef der internationalen Nachrichtenagentur Rossija Segodnja, von den Plänen des Föderationsrats, eine patriotische schwarze Liste zu erstellen. Darauf sollen ausländische Organisationen erfasst werden, die mit ihrer Arbeit zu einer Destabilisierung Russlands beitragen.

Kisseljow nannte in einem Beitrag mögliche Kandidaten für diese Liste. Einer davon war Prorektor White. „Wie es passieren konnte, dass ein Bürger der USA, ein Geschäftsmann aus Washington, einen solchen Posten erhält, ist noch immer unklar“, hieß es in dem Bericht. White wurde kritisiert, Bilder von US-amerikanischen Wissenschaftlern an die Wände der Universität gehängt zu haben, während „Bilder von russischen Wissenschaftlern verschwunden sind“.

Am Tag nach dem Fernsehbericht wurden sämtliche Informationen über White von der Webseite der Universität entfernt. Die Hochschule teilte zugleich mit, dass White wegen einer „Umstrukturierung des Innovationsmanagements der Lobatschewski-Universität“ und „der Notwendigkeit, ihre wissenschaftliche Komponente zu stärken“, entlassen worden sei. Universitätspräsident Jewgeni Tschuprunow lehnte eine genauere Stellungnahme zu dieser Personalentscheidung gegenüber dem „Kommersant“ ab und erklärte lediglich, dass „die Zeiten im Moment eben so sind“.

Von seiner Kündigung wurde Kendrick White im Urlaub überrascht. Mit seiner Familie hielt er sich gerade in Florida auf. „Wir waren auf dem Land, wo man nur schwer einen W-Lan-Zugang bekommt“, sagte er dem „Kommersant“. „Als ich eine Internetverbindung hatte, sah ich auf einmal Hunderte E-Mails von der Arbeit und Interviewanfragen. Erst da habe ich erfahren, dass ich gefeuert wurde. Später habe ich die Nachrichten gelesen. Das waren unangenehme Meldungen, es war ein echter Schock.“

Auf Facebook verkündete White, dass er nun einen neuen Job suche. Bald hätten sich jedoch Verwaltungsmitglieder der Lobatschewski-Universität bei ihm gemeldet: „Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich nach Nischni Nowgorod fliege und wir dort alles besprechen.“

Das Treffen fand an diesem Montag statt. Ihm wurde der Vorschlag unterbreitet, an der Hochschule zu bleiben, aber in einer anderen Position. „Bisher ist noch nicht bekannt, wie sie heißen wird, doch so wie es aussieht, werde ich das Zentrum für Technologiekommerzialisierung an unserer Universität leiten“, sagte White. In der neuen Position werde er praktisch dieselbe Arbeit verrichten wie bisher, fügte er hinzu.

Zusammenarbeit mit russischen Investoren bevorzugt

„Ich schätze das kaufmännische Potenzial der studentischen Projekte an der Universität ein“, erklärte Kendrick White der Zeitung seine Tätigkeit. „Natürlich beschäftige ich mich nur mit offenen, zivilen Technologien. Ich betrachte ein Projekt und sage: Ja, das könnte interessant für die Wirtschaft sein, man könnte es Skolkowo, der russischen Venture Company oder dem Venture Fonds vorschlagen.“

Die Zusammenarbeit mit russischen Investoren bevorzuge er, erzählte der Wissenschaftler weiter. Gleichzeitig sehe er aber auch kein Problem darin, die Entwicklungen seiner Studenten auf den globalen Markt zu bringen – ein Kritikpunkt, den kürzlich erst Präsident Wladimir Putin aufgriff: Die Furcht vor Abwanderung von Talenten ins Ausland ist groß.

Eine unbegründete Angst, wie White meint: „Ich bin vor Kurzem mit einer Gruppe von Studenten aus Nischni Nowgorod in die USA geflogen, wo sie ihre Projekte vorgestellt haben, und sie sind alle zurückgekommen, keiner von ihnen ist in den USA geblieben“, sagte er dem „Kommersant“. „Ich habe nicht die Vollmacht und nicht die Möglichkeiten, jemandem die Ausreise zu ermöglichen. Das ist sowieso nicht nötig, denn wir sind gegen die Abwanderung von Wissenschaftlern. Wir möchten, dass Nischni Nowgorod sich entwickelt und zu einem Vorbild für andere Regionen Russlands wird“, betonte der Wirtschaftswissenschaftler.

Dasselbe habe er auch der Reporterin von „Westi nedeli“ erzählt. „Ich habe mehrmals wiederholt, dass wir der Abwanderung von Wissenschaftlern entgegenwirken möchten, dass die Universität viele internationale Projekte mit ausländischen Hochschulen durchführt“, betonte White. Die Journalistin hätte genickt und gesagt: „Sie sind großartig“. „Und dann wurde daraus ein so grauenvoller, verzerrter Bericht, in dem es hieß, es sei schlecht, mit Ausländern zusammenzuarbeiten. Eine furchtbare Geschichte.“

White versicherte dem „Kommersant“, er sei „nicht beleidigt“ von der Reaktion der Hochschule. „Ich bin sicher, dass wir die Universität und die Region auch weiterhin voranbringen können. In meiner neuen Position bringe ich ebenfalls Nutzen, und wie der Posten nun heißt, ist mir nicht wichtig.“ Dennoch fügte er nicht ganz ohne Verärgerung noch hinzu: „Es ist nur nicht gut, dass diese Entscheidung mit einem solchen Bericht zusammenfiel.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitung Kommersant.

Nach TV-Beitrag: US-Amerikaner muss Universitätsposten räumen

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