Russland tut sich schwer mit syrischen Flüchtlingen

Syrische Flüchtlinge im nordrussischen Murmansk.

Syrische Flüchtlinge im nordrussischen Murmansk.

Lew Fedosejew / Tass
Europa steht vor der größten Flüchtlingskrise der jüngsten Vergangenheit. Hilfsorganisationen rufen nach stärkerem Engagement Russlands bei der Lösung des Problems.

Ob im Osten oder Westen, zu Hause ist‘s am besten. Für viele syrische Flüchtlinge stimmt das schon lange nicht mehr. So auch für Achmad – 40 Jahre, kräftig gebaut, schiitischer Moslem. 

Vor dem Krieg lebte er mit seiner Frau und den beiden Kindern in der Stadt Al-Malihah, rund sechs Kilometer von Damaskus entfernt. Fünf Jahre lang arbeitete er als Chefkoch in einem orientalischen Restaurant in London und ging danach nach Syrien zurück. Dort investierte er das verdiente Geld in ein Bekleidungsgeschäft und in eine Hühnerfarm. Damals traf er auch seine Frau, die als Lehrerin in Damaskus arbeitete. 2011 brach eine politische Krise über sein Land herein. Als er sah, „wie Bomben über unsere Köpfe, Häuser und Schulen hinwegflogen und unschuldige Zivilisten töteten“, beschloss er zu fliehen. 

Mit einem Touristenvisum floh Achmad 2013 nach Russland, erhielt zeitweiliges Asyl und arbeitete in einem Moskauer Restaurant. Doch 2014 lehnten die Behörden die Verlängerung seines Aufenthalts ab und wiesen die Abschiebung seiner Familie an. Achmad zog vor Gericht und wartet nun auf das Urteil. „Die Papiere sind für mich das größte Problem“, sagt er. „Ohne sie kriege ich keinen anständigen Job und keine medizinische Versorgung, falls mir was passiert.“

Auch die Zukunft seiner Kinder bereitet ihm Kopfschmerzen. An ihr neues Leben in Russland haben sich die Kleinen erfolgreich angepasst. Sie sprechen gut Russisch und kamen kürzlich auf eine russische Schule. Das Problem für Achmad ist die Ungewissheit. Ob er für lange – wenn überhaupt – in Russland bleiben könne, wisse er einfach nicht. „Ich brauche Stabilität. Meine Kinder fangen gerade an, sich in die russische Gesellschaft zu integrieren. Wenn wir Russland in wenigen Jahren verlassen müssen, müssen sie das Ganze nochmal durchmachen, sich an das Leben in einem anderen Land anpassen“, sagt er.

Enttäuschte Hoffnungen

Auch der syrische Journalist und Menschenrechtler Muez Abu Al-Jadael ist politischer Flüchtling. Er erhielt Asyl in Schweden. Jetzt hilft er Syrern, sich an das Leben in Russland anzupassen. Er bietet seinen Landsleuten Rechtsberatung an. Seine größten Herausforderungen sind „Korruption und Bürokratie“. Zudem bestehe immer das Risiko, dass Syrer in Russland von Arbeitgebern ausgenutzt werden, selbst von eigenen Landsleuten. Deshalb würden viele Flüchtlinge Russland mit enttäuschten Hoffnungen in Richtung Europa verlassen.

„Als das UN-Flüchtlingshilfswerk 2012 die Unterzeichnerstaaten der Flüchtlingskonvention aufforderte, die Abschiebung der Flüchtlinge nach Syrien auszusetzen, demonstrierten die russischen Machthaber ihre Loyalität und bereiteten ein entsprechendes Moratorium vor“, sagt Swetlana Gannuschkina, Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation „Zivile Unterstützung“. „Als aber im letzten Jahr ukrainische Flüchtlinge nach Russland strömten, waren die Syrer schnell vergessen.“ Mit zunehmender Verschlechterung der Lage in Syrien habe Moskau einige Syrer sogar abgeschoben, behauptet sie. Doch Nikolaj Smorodin, Leiter des Föderalen Migrationsdienstes (FMS), erklärt, Russlands Position hinsichtlich syrischer Flüchtlinge habe sich nicht verändert. „Bei der Prüfung von Asylanträgen syrischer Staatsbürger durch den FMS gelten keine verschärften Regeln“, sagte er in einer Stellungnahme. „Wir gewähren Syrern Asyl mit Blick auf die Lage in ihrem Land. Darüber informiert uns das russische Außenministerium permanent.“ Seit 2011 kamen nach Angaben des FMS 12 000 Menschen aus Syrien nach Russland. 2 000 Flüchtlinge erhielten zeitweiliges Asyl. 2 666 bekamen eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis. 2 029 dürfen sich permanent in Russland aufhalten. Bei rund 5 000 Menschen stehen die Entscheidungen über ihren Status noch aus.


Russland nur Transitland 

Indes erklärte Dmitrij Peskow, Pressesprecher des russischen Präsidenten, syrische Flüchtlinge könnten russisches Territorium als Transitland nutzen. Die Frage der Aufnahme von Flüchtlingen sei für Russland allerdings irrelevant, weil seiner Ansicht nach die Last der gegenwärtigen humanitären Krise von Ländern geschultert werden müsse, die den Bürgerkrieg in Syrien verursacht hätten. Ein weiteres Argument, welches er gegen die dauerhafte Aufnahme syrischer Flüchtlinge anbringt, ist das Risiko, Terroristen des Islamischen Staates (IS) könnten als Flüchtlinge getarnt nach Russland kommen.

Einige russische Experten wie Alexej Grischin vom russischen Thinktank „Religion und Gesellschaft“ bestätigen diese Ansicht. „Seit einiger Zeit nutzt der IS die Migrantenströme für seine Zwecke“, sagt Grischin. Extremisten könnten in den Aufnahmeländern eine erhöhte Gefahr darstellen.

MEINUNG: Migration ist gemeinsame Aufgabe

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