Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Marktplatz der 5 000-Einwohner-Stadt Palmyra voll von Touristen. Nun stehen die Häuser rundherum leer. Die Spuren der Zerstörung durch Artillerie- und Panzerbeschüsse sind überall deutlich zu sehen. Kaum eine Wand ist von den vielen Salven der Maschinengewehre verschont geblieben.
In aller Frühe starten wir in Latakia. Es ist ein langer Weg, 300 Kilometer legt unsere Autokolonne zurück. Wir Journalisten werden von russischen Boden- und Lufttruppen geschützt. Alle fünf bis zehn Kilometer treffen wir auf Kämpfer der nationalen Befreiungsarmee, die Kontrollposten eingerichtet haben. Als sie unsere Kolonne sehen, freuen sie sich. Sie winken uns zu und rufen uns Worte der Anerkennung hinterher.Die Kontrollposten sind sehr unterschiedlich: Einige sind lediglich durch einen aufgeschütteten Erdwall geschützt. Dort sind kleine Infanterieeinheiten stationiert. In anderen Distrikten bestehen sie aus tiefen Schützengräben. Dort treffen wir auf Panzer und Artilleriegeschütze. Die russischen Militärs erklären, dass es in diesen Abschnitten häufig zu Auseinandersetzungen mit den Terroristen komme.
Foto: Nikolaj Litowkin
Nach sechs Stunden erreichen wir Palmyra. Unsere Ankunft wird von Artilleriefeuer begleitet: Die syrische Armee nimmt Stellungen des „Islamischen Staates“ unter Beschuss. Am Abend zuvor kam es 15 Kilometer von unserer Position zu Zusammenstößen mit den Terroristen, die in der Stadt Al-Sukhnah einen Stützpunkt eingerichtet haben.
In der Nähe Palmyras befindet sich ein Behelfsstützpunkt der russischen Streitkräfte, wo selbstfahrende Flugabwehrraketensysteme des Typs Panzir-S1 zum Schutz der Truppen und Pioniereinheiten vor Luftangriffen stationiert sind. Mit einem flüchtigen Blick lassen sich noch einige Radarstationen erkennen, aber auch nicht mehr – die Informationen zur Technik der russischen Militärbasis sind eine „Geheime Verschlusssache“.Die schwersten Kämpfe fanden nicht im historischen Stadtzentrum Palmyras statt, erzählt uns ein Kämpfer der syrischen Armee. Vor allem in den dicht besiedelten Randgebieten der Stadt mit ihren engen Gassen gab es heftige Auseinandersetzungen. „An diesen Kämpfen war die russische Luftwaffe nicht beteiligt. Die Kämpfe wurden ausschließlich von Bodentruppen geführt, bis hin zu Messergefechten Mann gegen Mann“, berichtet er.
Der Soldat sagt, dass die Kerntruppe des „Islamischen Staates“ aus Ausländern bestehe, die zum Islam konvertiert seien und nun in Syrien ihren Beitrag zum Heiligen Krieg, zum Dschihad, leisten wollten. Lediglich 20 Prozent seien professionell ausgebildet, schätzt er. Die anderen seien „Kanonenfutter“ und würden in den Gefechten verheizt. „Diese Jungs hatten keine Ahnung, was sie während des Angriffs zu tun haben. Sie waren orientierungslos und nicht in der Lage, die Gefechtsstände oder Deckung zu finden“, erinnert sich der syrische Kämpfer.
Wieso sind diese Männer nach Syrien gekommen? Einige, so glaubt der Syrer, seien dem Traum vom schnellen Geld verfallen. Sie hofften, in den besetzten Gebieten die Einwohner für sehr viel Geld sicher aus der Stadt geleiten zu können, bis zum letzten Kontrollposten in Palmyra. Ein schlechtes Geschäft für die Stadtbewohner, denn außerhalb befindet sich nur Wüste. Die Stadt Homs ist noch etwa hundert Kilometer entfernt. Und wer weiß, ob die Terroristen sie am Ende nicht einfach ohne Essen und Trinken ihrem Schicksal überlassen oder gleich einfach erschossen hätten?
Foto: Nikolaj Litowkin
Palmyra ist vom Krieg gezeichnet. Alleine im historischen Teil der Stadt haben russische Pioniere 234 Hektar von Minen gesäubert und 3 000 Sprengkörper entschärft, erklärt Generalleutnant Juri Stawizkij, der derzeit in Palmyra stationierte Kommandeur der russischen Pioniertruppen. Unter den Terroristen gebe es ausgewiesene Sprengstoffexperten, die neue Arten von Sprengvorrichtungen gebaut hätten.
Die Zerstörungen in Palmyra erwiesen sich jedoch als geringer, als Experten zunächst befürchtet hatten. „Es wurden tatsächlich mehr als 50 Prozent der Stadt zerstört, aber der größte Teil davon kann wiederaufgebaut werden. Ich gehe davon aus, dass dies etwa fünf bis sieben Jahre in Anspruch nehmen wird“, schätzt der Direktor der Eremitage in Sankt Petersburg Michail Piotrowskij.Eleonora Mitrofanowa, ständige Vertreterin Russlands bei der Unesco, sieht zumindest keine finanziellen Hürden für den Wiederaufbau von Palmyra: „Die Mittel werden aus dem Welterbe-Fonds zur Verfügung gestellt. Sie stammen aus den Beiträgen aller Mitgliedsstaaten der Organisation.“ Nun müsste zunächst ein Gutachten erstellt werden, erklärt Mitrofanowa die nächsten Schritte: „Ein Plan zum Wideraufbau muss ausgearbeitet und die Höhe der benötigten Finanzmittel geschätzt werden.“
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