Sawtschenko zurück in der Ukraine: So reagieren die Menschen

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko mit Nadija Sawtschenko, ihrer Mutter, Schwester und Dienstkollegen nach der Rückkehr der Pilotin nach Kiew.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko mit Nadija Sawtschenko, ihrer Mutter, Schwester und Dienstkollegen nach der Rückkehr der Pilotin nach Kiew.

Reuters
Am gestrigen Mittwoch fand der Austausch statt, über den man fast ein ganzes Jahr gesprochen hatte: Die ukrainische Kampfpilotin Nadeschda Sawtschenko kehrte mit einem Sonderflug in die Ukraine zurück, während zwei russische Bürger, die im bewaffneten Konflikt im Donbass aktiv waren, nach Russland zurückkehren durften. Eine Notwendigkeit, Schwäche oder ein guter Kompromiss? RBTH berichtet über die Reaktionen auf das Ereignis.

Die Begnadigung der ukrainischen Soldatin Nadeschda Sawtschenko und der Austausch gegen die zwei russischen Bürger Jewgeni Jerofejew und Alexander Alexandrow kam für die Öffentlichkeit beider Länder sehr überraschend. Bis zu ihrem Abflug aus Russland wussten selbst ihre Anwälte nichts über die geplante Operation. Auch ihre Familie war nicht informiert. Die Mutter der Soldatin war besorgt, dass sie nicht rechtzeitig mit der Zubereitung ihres Borschtsch fertig werden würde.

Einen besseren Tag hätte es aus Sicht der ukrainischen Führung jedoch kaum geben können: Vor genau zwei Jahren übernahm Petro Poroschenko das Amt des Präsidenten und schwor, dass er die Befreiung der für den Mord an russischen Journalisten verurteilten Sawtschenko erreichen würde. „So wie wir Nadeschda zurückgeholt haben, so holen wir auch den Donbass und die Krim“, versprach Poroschenko nun während einer gemeinsam mit Sawtschenko abgehaltenen Pressekonferenz.

Blumen, eine Menge Journalisten, führende Politiker und der Ministerpräsident – in ihrer Heimat wurde Sawtschenko erwartungsgemäß als Heldin gefeiert. Aber auch in Russland, wo man der Soldatin ganz anders gegenübersteht, reagierte man mit Erleichterung.

„Die Mitarbeiter des Flughafens sind geschockt“

Oberleutnant Sawtschenko wurde von einer ukrainischen Präsidentenmaschine in Rostow am Don, 1 100 Kilometer südlich von Moskau, abgeholt. Der Präsident der Ukraine war nicht an Bord, sondern wartete im Flughafen von Boryspol, wo die Maschine schließlich landete. Die Befreite stieg ohne Schuhe aus, weil sie die Heimat barfuß betreten wollte. „Im Flughafen herrscht Ausnahmezustand. Die Journalisten stellen Bänke auf, die sie von der Haltestelle gebracht haben, um Sawtschenko zu sehen. Die Mitarbeiter des Flughafens sind geschockt", berichtete der Korrespondent der ukrainischen Zeitung „Strana“.

Als sie vor den Journalisten stand, bat Sawtschenko darum, ihre „Privatsphäre zu respektieren“ und drei Meter Abstand zu halten: „Ich saß zwei Jahre in Einzelhaft, ich bin Menschen nicht gewohnt und deshalb so direkt.“ Danach folgte eine kurze, emotionale Rede, ein Sieger-Selfie in der Kolonne des Präsidenten, die Ernennung zur Heldin der Ukraine und der feierliche Empfang beim Präsidenten, wo die Journalisten weniger Gelegenheiten hatten, sich mit der Kampfpilotin zu unterhalten. „Damit die Journalisten Nadeschda Sawtschenko im Bankovoj-Gang keine Fragen stellen, wurden sie für wenige Minuten im Saal der staatlichen Feierlichkeiten eingesperrt. Die Einfachheit ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagte Swjatoslaw Chomenko, Sprecher der ukrainischen Luftwaffe.

Die beiden Russen Jewgeni Jerofeew und Alexander Alexandrow werden in Moskau von ihren Frauen abgeholt. Foto: Russia-24.Die beiden Russen Jewgeni Jerofeew und Alexander Alexandrow werden in Moskau von ihren Frauen abgeholt. Foto: Russia-24.

„Wegen der Aufregung um Sawtschenko hat man irgendwie vergessen, dass zwei unsere Bürger nach Hause gekehrt sind“, schrieb der bekannte TV-Moderator Wladimir Solowjew auf Twitter. Der Kontrast könnte in der Tat kaum größer sein: Im Flughafen Wnukowo herrschte kein Ausnahmezustand. Auf dem Parkplatz des Terminals stand ein Auto mit diplomatischem Kennzeichen. Die ehemaligen Soldaten trafen nur ihre Ehefrauen und einige wenige föderale Sender an und äußerten sich nicht. „Ich weiß nicht wie es in Boryspol ist. Aber bei uns im Sonderterminal in Wnukowo ließ man zum Empfang von Jerofejew und Alexandrow nur „Russia Today“, „Channel One“ und „NTV“ passieren. Und selbst diesen Sendern erlaubte man nicht, Fragen zu stellen, sondern lediglich kommentarlos zu filmen", sagte Pawel Kanygin, Journalist der liberalen Zeitung „Nowaja Gaseta“.

Wird Sawtschenko zum Problem für die Ukraine?

Der Jubel über die Rückkehr der Soldaten blieb selbst in den patriotischen Kreisen der Öffentlichkeit aus. Aber unabhängig von der Haltung gegenüber Sawtschenko überwogen Reaktionen der Erleichterung die Vorwürfe über eine Demonstration von Schwäche. „Gott sei Dank ist diese Geschichte zu Ende“, gehörte zu den häufigsten Aussagen.

„Wird dieser Austausch die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine positiv beeinflussen? Das bezweifle ich. Die ukrainische Seite wird versuchen, das Maximum an antirussischer Propaganda herauszuholen. Aber der Austausch Sawtschenkos war notwendig. Es gab keine andere Möglichkeit", schrieb der Journalist Wladimir Posner auf seiner Website.

Nach dem vollzogenen Austausch und der Veröffentlichung der Details sprach man über die Einzelheiten: Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, die Entscheidung habe vor allem auf "humanistischen Gedanken" basiert. Die Sprecherin des Föderationsrats Walentina Matwijenko stellte fest, dass es kein Austausch, sondern eine Option eines internationalen Vertrags gewesen sei: „Russland und die Ukraine haben das Europäische Übereinkommen über die Übergabe von verurteilten Personen zum Strafvollzug in ihren jeweiligen Ländern ratifiziert.“

Dennoch sei ein Austausch eine Begnadigung, Zeichen der Schwäche und ein Ausdruck der diplomatischen Flexibilität. Die lange Geschichte des Falles Sawtschenko werde einen genauso langen Nachgeschmack hinterlassen, glaubt man in beiden Ländern. Und während Moskau endlich einen „Erregungsfaktor“ loswerden konnte, erhielt die Ukraine eine Rada-Abgeordnete – Sawtschenko besitzt seit 2014 ein Mandat –, die man als Hardlinerin bezeichnen kann. „Sie wird eine entscheidende Rolle in vielen Prozessen spielen. Sie wird eindeutig gegen das Gesetz über die Wahlen im Donbass sein. In ihrer Anwesenheit wird man es nicht verabschieden können, was für Poroschenko zum Problem werden kann“, glaubt Igor Popow, Abgeordneter der Radikalen Partei Oleh Ljaschkos.  

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