Tragödie in Pskow: Zwei Schüler begehen Selbstmord

Zwei russische Schüler verschanzen sich und begehen schließlich Selbstmord.

Zwei russische Schüler verschanzen sich und begehen schließlich Selbstmord.

Video screen grab/denismurav
Die ganze Tragödie wurde live im Internet übertragen: Die 15-jährigen Schüler Katja und Denis liefen von zuhause weg, besorgten sich Waffen, schossen auf Polizisten und Verwandte und brachten sich schließlich selbst um. Das Land rätselt über die Hintergründe.

Ihre Geschichte schockiert ganz Russland: Die 15-jährigen Schüler Katja und Denis nehmen sich das Leben, während sie von der Polizei belagert werden. Sie verschanzen sich in einem Haus und schießen auf Polizisten. Das Ganze wird über die Periscope-App live im Internet übertragen. Die beiden Jugendlichen vergleichen sich mit Bonnie und Clyde – am Ende sind sie tot.

„Einfach Peng! Peng!"

Laut Denis hätten sich die beiden zur Flucht entschieden, weil seine Freundin Katja von ihren Eltern „brutal“ verprügelt worden sei. Ohne zu fragen habe sie bei einer Freundin übernachtet. Ihn selbst hätten seine Eltern einfach nur genervt. Drei Tage vor den tragischen Ereignissen am Montag hob Denis Geld von der Kreditkarte seiner Mutter ab. Daraufhin fuhren sie zum Haus von Katjas Stiefvater, 70 Kilometer von deren Zuhause Pskow entfernt.

Der Stiefvater bewahrte Waffen in seinem Haus auf. Den Schülern gelang es, einen der Tresore zu knacken. Darin fanden sie ein Jagdgewehr und eine weitere Waffe, bei der es sich vermutlich um eine Schreckschuss- oder Luftpistole handelt. Zu dieser Zeit wurde der junge Mann bereits von der Polizei gesucht, er galt als vermisst. Die Eltern der Jugendlichen hielten sich in der Nähe auf. Als sie versuchten, ins Haus zu gelangen, gab Denis bei einem Handgemenge einen Schuss aus der Pistole ab und traf die Mutter seiner Freundin in die Hüfte. Als daraufhin die Polizei erschien, eröffnete Denis das Feuer auf die Polizisten – diesmal mit dem Jagdgewehr.

Auf den über die App Periscope live übertragenen Videos ist das ganze Drama im Inneren des Hauses nachzuvollziehen: „Vielleicht habe ich die Bullen getroffen, ich weiß es nicht. Ich sehe Bullen - einfach Peng! Peng! Es sind 15 Jahre, wenn ich einen getroffen habe", überlegt Denis. „Wir haben keine Wahl mehr! Aufgeben ist sinnlos“, sagt Katja. Sie lacht und ruft, dass ihre ganze Klasse über Periscope zusehen würde. Sie sagt, sie würden sie vermissen. „Wenn wir nicht aufgeben, töten sie uns. Wenn wir aufgeben, sehen wir uns nicht mehr. Sie stecken uns in verschiedene Städte und Schulen", vermutet Denis. Die Jugendlichen behaupten, sie hätten keine Munition mehr, auch wenn man in einem der Videos sehen kann, dass es im Haus weitere Munition gibt.

Auf den über die App Periscope live übertragenen Videos ist das ganze Drama im Inneren des Hauses nachzuvollziehen. Foto: denismuravAuf den über die App Periscope live übertragenen Videos ist das ganze Drama im Inneren des Hauses nachzuvollziehen. Foto: denismurav

Plötzlich endet die Übertragung. Eine Spezialeinheit stürmt das Haus, in dem sie die toten Jugendlichen findet. Die Nachrichtenagentur „Pskow“ teilt mit, Denis habe zunächst das Mädchen erschossen, dann sich selbst. Beide Teenager hinterlassen in sozialen Netzwerken Botschaften für ihre Verwandten. Darin werfen sie ihnen vor, ihr Leben und ihre Psyche zerstört zu haben.

Behörden versprechen Aufklärung

Die russische Kinderbeauftragte Anna Kusnetsowa bezeichnete den Vorfall als „eine schreckliche Tragödie“ und sagte, dass man gemeinsam mit den zuständigen Behörden ermitteln werde. Andrei Turtschak, Gouverneur der Oblast Pskow sprach den Eltern sein Beileid aus: „Es ist eine schreckliche Tragödie. Man kann den Verlust nicht in Worte fassen."

Er versicherte, dass die Strafverfolgungsbehörden die Ursachen sowie den Angriff auf die Polizisten gründlich untersuchen würden. Die Umstände der Tragödie sollen zudem von der Kommission für Jugendliche der Oblast Pskow geprüft werden.

Hitzige Debatte im Internet

Laut Denis hätten sich die beiden zur Flucht entschieden, weil seine Freundin Katja von ihren Eltern „brutal“ verprügelt worden sei. Foto: denismyr18/vk.comLaut Denis hätten sich die beiden zur Flucht entschieden, weil seine Freundin Katja von ihren Eltern „brutal“ verprügelt worden sei. Foto: denismyr18/vk.com

Die Version, dass Denis Katja erschossen haben soll, widerspricht ihren Aussagen über fehlende Munition. Auf diesen Widerspruch reagierten zahlreiche Menschen in den sozialen Netzwerken. Journalist Sergej Dorenko schrieb auf Twitter: „Woher wissen wir, dass sich die Jugendlichen aus Pskow erschossen haben und nicht etwa bei der Erstürmung getötet wurden? Die Erstürmung fand statt. Wurden Waffen eingesetzt?"

Die russische Nationalgarde behauptet, dass die Männer der Spezialeinheit SOBR bei der Erstürmung nicht geschossen hätten. Viele Nutzer sozialer Netzwerke gehen davon aus, dass die Jugendlichen bezüglich der Munition gelogen haben. Die Polizei sei zudem nicht gezwungen gewesen, auf sie zu schießen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bullen Jugendliche erschießen. Entweder petzt einer, oder der Staatsanwalt stellt ungemütliche Fragen", schreibt Juri Kunikow, selbst ehemaliger Ermittler, bei Facebook.

Wer trägt die Verantwortung?

Nach den Ereignissen in Pskow kursieren viele Erklärungen für die Tragödie. Irina Sokowja, Ärztin sowie Kinder- und Jugendpsychologin, sagte gegenüber dem Radiosender „Govorit Moskva“, dass die Jugendlichen einer Sekte angehört oder psychisch krank gewesen sein könnten. Die für ihre konservativen Ansichten bekannte Senatorin Jelena Misulina machte auf Twitter Computerspiele für die Tragödie verantwortlich.

Viele glauben jedoch, dass der von den Jugendlichen genannte Grund, nämlich häusliche Gewalt, auf der Hand läge: „Das Problem ist die Erziehung und der Zugang zu Waffen. Die Eltern und nur die Eltern sind dafür verantwortlich", schrieb Gregory Zagradsky auf Twitter.

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