Terror in Sankt Petersburg: Selbstmordattentäter unter Verdacht

Russian Archives/Global Look Press
Die Zahl der Opfer nach der Explosion in der U-Bahn von Sankt Petersburg ist auf 14 gestiegen. In Sankt Petersburg und Moskau wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Die Ermittler gehen von einem Selbstmordattentäter aus. Verdächtigt wird eine Person aus Zentralasien.

Die russische Gesundheitsministerin Weronika Skworzowa teilte am heutigen Morgen die aktuelle Anzahl der Toten und Verletzten nach dem Anschlag in der Sankt Petersburger Metro mit. Demnach ist die Zahl der Opfer auf 14 gestiegen. Elf Menschen seien unmittelbar bei der Explosion gestorben. Weitere drei Personen erlagen ihren Verletzungen. Zu Beginn des Tages wurden 49 Verletzte in den Krankenhäusern behandelt. Das Katastrophenschutzministerium der Stadt Sankt Petersburg veröffentlichte eine Liste mit den Namen der Opfer.

Was bekannt ist

Stand heute ist Folgendes sicher: Die Explosion im Waggon ereignete sich zwischen den Stationen Sennaja-Platz und Technologisches Institut am Montag gegen 14.30 Uhr Moskauer Zeit. Zugführer Alexander Kawerin stoppte die U-Bahn nicht, sondern befolgte die Anweisungen und brachte den Zug erst in der nächsten Station zum Halt. Diese Handlung habe Menschenleben gerettet, lobte der Pressedienst der Sankt Petersburger Metro.

Zugführer Alexander Kawerin / ReutersZugführer Alexander Kawerin / Reuters

Eine weitere Bombe, die an der Station Plotschtschad Wosstanija (Platz des Aufstandes) gefunden wurde, konnte von den Behörden entschärft werden. Die Lokalzeitung „Fontanka“ schreibt, dass die Nachricht über die Bombe am Platz des Aufstandes noch vor der Explosion im Waggon veröffentlicht worden sei. Nach Informationen der Zeitung lag die Bombe in einer verwaisten Tasche: Ein Feuerlöscher soll zwei Trotylladungen mit einem Gewicht von etwa 500 Gramm enthalten haben.

Spekulationen

Eine der ersten Versionen war die Annahme, dass beide Bomben von einem dunkelgekleideten Mann mit Bart hinterlassen wurden. Er habe den Waggon schnell verlassen, hieß es. Sein Foto wurde wenige Stunden nach dem Anschlag in den Medien verbreitet. Am Abend desselben Tages wurde die Version aber wieder fallengelassen.

Denn der Mann auf dem Foto hatte sein Gesicht in den Nachrichten erkannt und bei der nächsten Polizeistelle seine Unschuld beteuert. Laut „RBK“, die sich auf die Sankt Petersburger Polizei bezieht, hat er tatsächlich nichts mit dem Anschlag zu tun.

Daraufhin kam die Version eines Selbstmordattentäters in Umlauf. Unter anderem berichtete die Nachrichtenagentur Interfax, es könnte sich um einen Studenten aus Kasachstan namens Maxim Aryschew handeln. Diese Information sei jedoch nicht bestätigt worden.

Laut einer anderen Version habe ein gebürtiger Kirgise und russischer Staatsbürger den Anschlag verübt. Das wurde vom kirgisischen Ausschuss für Staatssicherheit gegenüber der Tass bestätigt. Die Botschaft von Kirgisistan habe diese Informationen weder bestätigt noch dementiert. Der russische Ermittlungsausschuss teilte mit, dass die Identität des Attentäters bekannt sei. Sein Name werde bisher jedoch nicht verbreitet.

Der kirgisische Ausschuss für Staatssicherheit nannte den Namen des Verdächtigen dennoch: Akbarschon Dschalilow, Jahrgang 1995. Die Zeitung Gaseta.ru veröffentlichte ein Foto aus den sozialen Netzwerken. Laut „Kommersant“ habe man ihn am Kopf identifizieren können. Dieser Körperteil sei das Einzige, was von der Explosion übriggeblieben sei.

Ob er etwas mit dem IS zu tun hatte, bleibt offen. Der Radiosender Goworit Moskwa kontaktierte einen Bekannten, der im Jahr 2013 mit ihm in einer Sushibar in Sankt Petersburg gearbeitet hatte. Der Bekannte von Dschalilow sagte, dass er damals keine Anzeichen von Religiosität gezeigt habe. Er habe „nicht mal den Koran gelesen“.

Akbarschon Dschalilow / Russian Archives/Global Look PressAkbarschon Dschalilow / Russian Archives/Global Look Press

UPDATE

Inzwischen hat der russische Ermittlungsausschuss bestätigt, dass Akbarschon Dschalilow, ein 22-jähriger Russe aus Kirgisistan, den Selbstmordanschlag begangen hat. Wie Gaseta.ru berichtete, war Dschalilow nach Erhalt der russischen Staatsbürgerschaft 2011 mit seinem Vater nach Sankt Petersburg gezogen. Dschalilow soll mit dem „Islamischen Staat“ sympathisiert haben. Außerdem wird vermutet, dass er nicht allein gehandelt hat – die Drahtzieher des Terroranschlags und weitere Beteiligte sollen sich in Moskau aufhalten. Darauf weise die Tatsache hin, dass Dschalilow nach einem Besuch seiner Eltern Ende Februar in Kirgisistan, wohin sein Vater zurückgekehrt war, nicht direkt nach Sankt Petersburg flog, sondern einen Umweg über Moskau machte. Laut „RBK“ verhören die kirgisischen Sicherheitskräfte derzeit die Familie von Dschalilow.

Die Lage nach dem Anschlag

Am nächsten Tag herrscht in der Stadt eine angespannte Atmosphäre. Die Metro, die am Montag komplett geschlossen wurde, hat zwar wieder ihren Betrieb aufgenommen, doch die Stationen werden aufgrund von verwaisten Gegenständen oder Bombendrohungen regelmäßig geschlossen.

Der Pressedienst der Sankt Petersburger Metro teilte mit, dass in den Tunneln und an den Stationen Untersuchungsarbeiten durchgeführt würden. Nach einer Meldung eines verdächtigen Gegenstands wurde zudem eine Fakultät der Staatlichen Universität Sankt Petersburg evakuiert.

Kontrolliert wird nicht nur in Sankt Petersburg. Moskaus Vizebürgermeister Maxim Liksutow teilte mit, dass die Sicherheitsmaßnahmen der Moskauer Metro ebenfalls verschärft wurden. Dort sei die Polizeipräsenz höher und es komme öfter zu Kontrollen. Zudem seien zusätzliche Aufgebote mit Hunden im Einsatz.

„Uns wurde der Krieg erklärt“

All diese Maßnahmen, die von der Bevölkerung bemerkt werden, seien nur die Spitze des Eisbergs, glaubt Sergej Gontscharow, Vorsitzender des Veteranenverbands der Anti-Terror-Einheit „Alfa“. „Entscheidend ist nun die Arbeit der Geheimdienste, die die Partner der Terroristen aufdecken müssen, um weitere Anschläge zu verhindern“, sagte Gontscharow im Gespräch mit RBTH.

Ähnlich sieht es Kirill Jankow, Leiter der öffentlichen Fahrgastvereinigung. Im Gespräch mit „Kommersant“ erklärte er, dass es selbst mit mehreren Polizisten unmöglich sei, jeden Einzelnen zu überprüfen. „Das, was wir nicht sehen, hat viel mehr Wirkung. Zum Beispiel die Arbeit von Agenten oder in den sozialen Netzwerken“, sagte Jankow.

Auf die Frage, wie lange die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen andauern sollen, antwortete Gontscharow: „In einer Zeit, in der die Extremisten der zivilisierten Welt praktisch den Krieg erklärt haben, wäre es falsch zu sagen, dass wir uns nach wenigen Tagen oder Wochen wieder entspannen können. Wir müssen immer auf der Hut sein“, sagte der Experte.

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