Schon als 16-Jährige machte Rubina als Autorin auf sich aufmerksam. Als Schülerin schickte sie eine Erzählung in die ferne Moskauer Redaktion. Foto: Anton Denisow/RIA Novosti
Für gewöhnlich gefallen literarische Werke in Russland entweder den Lesern oder den Kritikern. Die Bücher Dina Rubinas jedoch stellen eine bemerkenswerte Ausnahme dar: Sie erreichen Millionenauflagen, während ihr meisterhaftes Können zugleich die Anerkennung der Literaturkenner und Auszeichnungen einheimst – sowohl in Russland als auch in Israel, wo die Autorin seit mehr als 20 Jahren lebt.
Rubina beherrscht ihr Fach. Sie versteht es, Motive zu verweben und atemberaubende Schicksalswendungen einzuknüpfen, ohne dabei den Blick für Details, das Gefühl für die Bildhaftigkeit der Sprache und die Ausdruckskraft ihrer Charaktere zu verlieren. Oftmals werden herausragende Persönlichkeiten zu den Helden ihrer Romane: Künstler, Sänger, Zirkusleute oder andere Menschen mit einem besonderen Talent.
Seit ihrer eigenen Kindheit ist sie stets von Kunst umgeben. Sie ist Tochter eines Künstlers, Ehefrau eines Künstlers und Mutter eines Künstlers. Bereits
im Alter von vier Jahren stand sie ihrem Vater geduldig Modell. Später setzte sie ihre künstlerische Laufbahn in einer Musikschule für Begabte und danach in einem Konservatorium fort. Daher hat sie wahrscheinlich ihr feines Gehör, sowohl für den musikalischen als auch den sprachlichen Ton. So liest sie auch gerne das, was „unisono“ mit ihr übereinstimmt – die Werke von Tschechow, Nabokow, Bunin, Brodskij und ihres Lieblingsschriftstellers Borges.
Rubina verwandelt die Lebenswirklichkeit so talentiert in Fiktion, dass das Original vor dem Hintergrund seines Abbildes verblasst. Ihre schillernde Prosa bleibt im Gedächtnis, so wie die Autorin selbst. Ein fröhlicher, etwas ironischer Blick, aufrechte Haltung, helle Stimme – die Frau begeistert und macht ihrer Namensgeberin, der Hollywood-Schauspielerin Dina Durbin, alle Ehre. Übrigens bezeichnet sich die Autorin gerne mal als kleine Schauspielerin. Auf ihr Talent für Imitationen ist sie offensichtlich stolz. Die Bühne fürchtet sie nicht – Rubina musste sich früher selbst einem Publikum stellen, wenn auch nicht als Schauspielerin: Sie verdiente ihr Geld eine Zeit lang als Schullehrerin für Literatur.
Das eigene Leben dient als Vorlage
Ein Charakteristikum ihrer Romane ist die beeindruckende Polyphonie. Vielleicht liegt es daran, dass die Schriftstellerin in Taschkent aufgewachsen ist, einer sonnigen Stadt des Südens, in der verschiedene Nationalitäten und Kulturen nebeneinander leben. Die heiße Sonne und die Mehrstimmigkeit der fernöstlichen Stadt ihrer Jugend hallen oftmals in ihren kleinen und großen Werken nach.
Dina Rubina ist in Taschkent aufgewachsen. Foto: RIA Novosti
So arbeitet sie in ihrem weitläufigen Roman „Auf der sonnigen Seite der Straße“, dessen Handlung in Taschkent spielt, echte Erinnerungen der Einwohner dieser Stadt in die Handlung ein. Ihr mutiger Mix aus Fiktion und Wirklichkeit erzielt dabei einen wahrhaft starken Effekt. Für dieses Werk, an dem Rubina insgesamt 25 Jahre lang arbeitete, wurde sie mit dem Bolschaja-Kniga-Preis gewürdigt, einer der bedeutendsten literarischen Auszeichnungen Russlands. Und in Taschkent organisieren Stadtkenner Führungen nach Motiven ihres Romans.
Schon als 16-Jährige machte Rubina als Autorin auf sich aufmerksam. Als Schülerin schickte sie eine Erzählung in die ferne Moskauer Redaktion, die sich durch eben jene Ironie auszeichnet, die zum Markenzeichen ihrer weiteren Werke werden sollte. Ihre Erzählung wurde auf Anhieb in einer großen literarischen Zeitschrift veröffentlicht. Der frühe Erfolg trübte ihre
Arbeitsmoral nicht. Noch heute arbeitet sie zwölf bis 14 Stunden am Tag. Sie prüft ihre Werke auf das Genaueste, nicht nur in literarischer, sondern auch in technischer Hinsicht. Die Verarbeitung ungeheurer Mengen an Fachwissen ist für sie inzwischen zur Routine geworden. Sie muss ihre Themen bis ins kleinste Detail beherrschen, denn die Helden ihrer Romane gehen oftmals seltenen Berufen nach – Puppenmacher oder Restaurateur zum Beispiel. Außerdem weitet die Autorin das Spielfeld ihrer Werke bis ins Unendliche aus und schickt ihre Figuren in alle möglichen Winkel dieser Erde. Ohne detailliertes Wissen geht das nicht.
Ein Leben zwischen den Welten – und doch mittendrin
Eines der wichtigsten Motive Rubinas ist wohl die Suche nach den Wurzeln, die Verbindung mit den eigenen Ursprüngen. Ihre eigene Suche führte die Schriftstellerin nach Israel, wohin sie mit ihrer Familie 1990 auswanderte.
Dina Rubina, "Hier kommt der Messias". Volk und Welt, 2011. 300 S. |
Das war ein „biografischer, künstlerischer, persönlicher“ Meilenstein, der sich in ihren Werken widerspiegelt. In Israel, erinnert sich Rubina, hat sie „ein wenig gedient, viel geschrieben“, ist aufgetreten, hat in besetzten Gebieten gelebt, ist unter Beschuss gefahren, hat literarische Auszeichnungen bekommen, in Jerusalem wie in Moskau. Im Großen und Ganzen hat sie das gemacht, was sie immer und überall macht: Sie hat Leben in Literatur verwandelt.
Ihrer neuen Heimat sind viele Seiten gewidmet. Auffällig ist, dass das Judentum bei Rubina in allen Tönen und Genres zum Vorschein kommt. Ob im großartig-tragischen „Hier kommt der Messias“ – in viele Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet – oder im grotesk-komischen „Syndikat“. In ihrer alten Heimat Russland ist Dina Rubina immer ein willkommener Gast. Die Literaturabende mit ihr sind stets überfüllt und ihre Neuerscheinungen führen bald die Bestsellerlisten an.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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