Swerew-Museum in Moskau ehrt russischen Avantgarde-Künstler

Anatoli Swerew, Selbstporträt. 1959. Foto: Pressebild

Anatoli Swerew, Selbstporträt. 1959. Foto: Pressebild

Vergangene Woche Mittwoch eröffnete in Moskau ein Museum mit Werken von Anatoli Swerew, einer Legende des sowjetischen Undergrounds. Der bekannte Künstler gilt als „russischer Van Gogh“. Seinen Förderern ist zu verdanken, dass seine Werke bis heute erhalten blieben.

Richtig bekannt wurden die Werke von Anatoli Swerew erst nach dessen Tod im Jahr 1986. Davor fanden seine Bilder und Grafiken nur in der Moskauer Bohème Anklang. Der Lebensweg des Künstlers war mehr als ungewöhnlich, sein postumer Ruhm ist beinahe märchenhaft.

 

Erfolg als Niederlage

Zitat

 

Robert Falk, einer der Gründer der Avantgarde-Vereinigung Bubnowyj Walet: „Jedes Aufsetzen des Pinsels ist wertvoll. Solche Künstler kommen einmal in hundert Jahren auf die Welt.“

Einmal erklärte Anatoli Swerew mit der ihm eigenen provokanten Attitüde: „Ich wollte nie ein Künstler sein, dazu kam es ganz zufällig. Ein Genie dagegen wurde ich nicht zufällig." Damals, in den 1960er-Jahren, war es in der Sowjetunion geradezu verpönt, sich selbst oder Freunde als Genie zu bezeichnen. Diese Aussage hatte daher deutlich mehr Gewicht als das Bekenntnis zur „Zufälligkeit" seiner Berufswahl. Und konnte man Swerew überhaupt im strengen Sinne einen Künstler nennen? An den damaligen staatlichen und gesellschaftlichen Vorgaben gemessen konnte man das sicherlich nicht. Er hatte weder eine Hochschule absolviert – wegen renitenten und anarchistischen Benehmens war er von der Moskauer Kunstschule geflogen –, noch gehörte er dem Künstlerverband der UdSSR an. Auch nahm er keine staatlichen Aufträge entgegen. Swerew lehnte sich also schon in jungen Jahren gegen den Status Quo auf und ging den Weg des Nonkonformismus. Dieser Berufung blieb er bis zum Ende seines Lebens treu.

 

Anerkennung durch Picasso

Der Beginn seiner Karriere war verheißungsvoll. Im Jahr 1957 nahm Swerew an einem Kunstwettbewerb im Rahmen des Internationalen Festivals der Jugend in Moskau teil. Die Jury unter Vorsitz des Mexikaners David Alfaro Siqueiros zeichnete seine Arbeit mit dem ersten Preis aus. Bald darauf äußerte sich auch Pablo Picasso über diesen vielversprechenden jungen Mann und nannte ihn den „besten russischen Zeichner".

Ein solcher Start hätte Swerew zum internationalen Durchbruch verhelfen können. In der Sowjetunion herrschten jedoch andere Spielregeln. Künstler, die sich außerhalb der offiziellen Hierarchien einen Namen gemacht hatten, wurden von den Behörden häufig benachteiligt.

Anatoli Swerew, Porträt von Lilia Kostaki. Foto: Pressebild

Die erste und letzte Swerew-Ausstellung außerhalb der UdSSR fand aus diesem Grund im Jahr 1965 in der Pariser Galerie Motte statt. Die beiden folgenden Jahrzehnte über genoss er lediglich in einem kleinen Künstlermilieu seines Landes Ansehen. Gleichwohl gelangten einige seiner Arbeiten im Laufe der Zeit in den Westen.

 

Liebhaber des „russischen Van Gogh"

Natalja Opaljewa, Inhaberin und Leiterin des Anatoli-Swerew-Museums, erinnert sich an ihre ersten Erfahrungen mit den Arbeiten des Künstlers: „Der ungewöhnliche Pinselstrich, das Provisorische und das Geheimnisvolle an Swerews Frauenporträts zogen mich auf eine unerklärliche Weise an. Die Beschäftigung mit seiner ungewöhnlichen Biografie und das Kennenlernen von Menschen aus seinem Kreis steigerten mein Interesse noch weiter."

Anatoli Swerew, "Suprematische Komposition", 1957. Foto: Pressebild

Swerew fand zu seinen Lebzeiten unterschiedlichste Förderer. Sein wichtigster Sponsor und Ideengeber war Georgi Kostaki, ein Sammler nonkonformistischer Kunst. Der gebürtige Grieche war ein großer Liebhaber der russischen Avantgarde des beginnenden 20. Jahrhunderts. Etwas später stand er dem für ihn zeitgenössischen Underground nahe. Besonders Swerew schätzte er. Er prägte für ihn den Namenszusatz „russischer Van Gogh". Kostakis Sammlung gilt als eine der repräsentativsten und wichtigsten für den Nachlass Swerews.

Das Anatoli-Swerew-Museum in Moskau. Foto: Pressebild

Einen Teil dieser Sammlung spendete Alika Kostaki, Tochter des Sammlers, dem neuen Museum: „Die Jahre zwischen dem Ende der 1950er-Jahre und 1963 hielt mein Vater für die wichtigsten in Swerews Lebenswerk. Viele Arbeiten aus dieser Zeit waren Teil seiner Sammlung. Einige verbrannten bei einem Feuer in unserer Datscha, einige überlebten den Brand mit versengten Rändern", sagt sie. „Ich hatte Schuldgefühle bei dem Gedanken, dass diese Werke niemals an die Öffentlichkeit kommen. Als ich von dem geplanten Museum erfuhr, entschloss ich mich, sie ihm zu schenken. Damit das Publikum sie in der Heimat des Künstlers sehen kann. Das Geschenk widme ich dem Gedenken an meinen Vater".

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