„Lieber Hans, bester Pjotr“ feierte Filmpremiere

Der deutsche Ingenieur kehrte einige Jahre nach seiner Tätigkeit in der UdSSR als deutscher Wehrmachtssoldat zurück an den ihm einst wohlbekannten Ort. Foto: Kinopoisk.ru

Der deutsche Ingenieur kehrte einige Jahre nach seiner Tätigkeit in der UdSSR als deutscher Wehrmachtssoldat zurück an den ihm einst wohlbekannten Ort. Foto: Kinopoisk.ru

Die russischen Kriegsveteranen würden wohl etwas anderes erwarten. Das zumindest glaubte das Kultusministerium vor zwei Jahren, als es dem Film „Lieber Hans, bester Pjotr“ von Alexander Mindadze die staatliche Förderung verweigerte. Nun feierte das Arthouse-Werk doch noch seine Filmpremiere. Eine Rezension dazu.

Alexander Mindadze ist einer der bekanntesten russischen Dramaturgen und Regisseure. Sein Debütfilm „Otriv“ (2007), das Tschernobyl-Drama „An einem Samstag“ (2011) und sein jüngstes Werk „Lieber Hans, bester Pjotr“ (2014), welche alle nicht nur aus seiner Feder stammen, sondern bei denen er auch Regie führte, zeigen, dass er mit Recht als einer der klügsten, stilistisch mutigsten und hinsichtlich seiner künstlerischen Vorstellungskraft unabhängigsten Filmemacher gilt. „Lieber Hans, bester Pjotr“ wurde gerade auf dem Moskauer Filmfestival gezeigt.

Mindadze widmet sich dem Menschen, der unter Extrembedingungen leben oder überleben muss. „Lieber Hans, bester Pjotr“ entführt den Zuschauer in die dreißiger Jahre, die Zeit vor dem Krieg. Damals kamen nach einer Abmachung zwischen Molotow und Ribbentrop deutsche Ingenieure in die Sowjetunion, um dort die Industrie aufzubauen und neue Technologien zu entwickeln.

Info:

 

Wie die Filmproduzentin Lisa Antonowa mitteilte, wird „Lieber Hans, bester Pjotr“ bald auch in Deutschland und im englischsprachigen Raum in die Kinos kommen. Das genaue Datum ist noch nicht bekannt.

Die Idee zum Film lieferte ein Zeitungsartikel, der über einen dieser Ingenieure berichtete. Dem Bericht zufolge kehrte dieser einige Jahre nach seiner Tätigkeit in der UdSSR als deutscher Wehrmachtssoldat zurück an den ihm einst wohlbekannten Ort. Doch dort, wo er früher mit den Russen Wodka getrunken hatte, tanzen gegangen war und einem russischen Mädchen den Hof gemacht hatte, explodierten nun Bomben und die Russen waren nicht mehr Freunde, sondern Feinde. Diese erzwungene Transformation des Schicksals erschütterte den Autor und legte den Grundstein für das Drehbuch.

Mindadze wirft den Zuschauer hinein ins Geschehen und erklärt nichts. Man ist plötzlich mittendrin in den erbitterten Auseinandersetzungen der Protagonisten. Fast zieht es einem den Boden unter den Füßen weg. Mindadze nennt seine Methode „Prinzip versteckter Exposition“: In dem Film gibt es keinen Bezugspunkt, von dem aus der Zuschauer den Handlungsverlauf nachvollziehen könnte. Mindadzes Aufmerksamkeit gilt dem emotionalen Zustand einer Gesellschaft, die mit Haut und Haar in den Sog eines aufkommenden großen Krieges gerät. Und er verdichtet die Handlung, spannt ihre Triebfedern an: Menschen gelangen an den Rand der Hysterie und darüber hinaus. Sie verlieren nach und nach die Selbstkontrolle.

 

Sturm der Emotionen

Die deutschen Ingenieure sollen Linsenglas entwickeln, sie machen keine großen Fortschritte dabei. Doch die Zeit drängt, das führt zu einer angespannten Atmosphäre, in der jeder jeden kontrolliert. Ein Fehler kann das Projekt zum Scheitern bringen und vielleicht sogar die Freiheit kosten. Der Protagonist Hans braucht seine Arbeit jedoch, er hat ein Haus gekauft und muss es abbezahlen. Noch weiß er nicht, dass es die Bank, bei der er seine Schulden hat, schon bald nicht mehr geben wird. Niemand weiß, doch alle ahnen etwas: Krieg liegt in der Luft. In der Fabrik gibt es plötzlich eine Explosion, bei der Menschen sterben. Dann kommt der Krieg. Auch um Liebe geht es, eine zum Scheitern verurteilte, kranke Liebe im Schatten des Krieges.

Jakob Diehl in der Rolle des Hans. Foto: Kinopoisk.ru

Mindadzes Film ist Arthouse-Kino pur: Es gibt eine große Botschaft, hochaktuell in unserer Zeit, die im Zeichen sorgenvoller Erwartung steht, in der die Horizonte und Perspektiven einer glühenden Welt brechen, sich verzerren und verflüchtigen. Möglicherweise überfordert der Sturm der Emotionen den einen oder anderen Zuschauer. Sitcoms haben das Publikum an ausgetretene Pfade und durchgekaute Sujets gewöhnt. „Lieber Hans, bester Pjotr“ ist einer der Filme, die sich ihren Weg nicht auf Anhieb bahnen, aber dann lange im Gedächtnis bleiben.

Die Hauptrollen sind mit deutschen Schauspielern besetzt: Jakob Diehl in der Rolle des Hans, Birgit Minichmayr als Greta, Mark Waschke spielt Otto, Marc Hosemann den Willi. Der Russe Pjotr, gespielt von Andrius Darjala, hat lediglich einen kurzen Auftritt: Er wird zum einzigen Zeugen der Fahrlässigkeit seines deutschen Freundes und damit zum Träger eines schrecklichen Geheimnisses, das ein Menschenschicksal zu verändern vermag.

Der Filmautor findet für das deutsche Ensemble nur lobende Worte: „Sie alle haben ihre Rolle  hervorragend nachempfunden, ihre Textkenntnisse waren brillant, sie waren immer auf der Höhe und gaben stets hundert Prozent. Sie standen schon für Haneke oder Tarantino vor der Kamera und sind dennoch sehr bescheiden. Und natürlich sind sie echte Profis – für einen Regisseur sind sie wie feinfühlige Musikinstrumente.“

 

So lief die ganze Finanzierungsgeschichte ab:

 

Der Regisseur des Filmes Alexander Mindadze. Foto: Kinopoisk.ru

2013 wurde Alexander Mindadzes Film „Lieber Hans, bester Pjotr" in Russland die staatliche Förderung verweigert, weil der militärhistorische Rat beim russischen Kultusministerium Bedenken gegen das Drehbuch hatte. Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes fürchtete man die Ablehnung durch russische Kriegsveteranen. „In diesem Film könnte ein etwas anderer Blick vorherrschen als von den Veteranen des Großen Vaterländischen Kriegs erwartet", begründete Wjatscheslaw Telnow, der Vorsitzende des Departements für Kinematografie, diese Entscheidung. Damit der Film letztendlich doch für die Vorführung zugelassen werden konnte, musste der Regisseur einige Änderungen am Drehbuch vornehmen. Das bildete einen der ersten großen Skandale im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Kultusministers Wladimir Medinskij, der seinen Posten 2012 übernommen hatte.

Russische Kulturszene: Wachsender Druck durch Politik und Religion

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