Traditionell gut: Moskauer Biennale für junge Kunst

Oleg Krasnov
Anfang Juli wurde die Moskauer Biennale für junge Kunst eröffnet. Zu sehen sind Werke der jungen Generation – doch die zeigt sich eher traditionell. RBTH stellt sechs Installationen vor, die sich auch auf jeder „erwachsenen“ Biennale sehen lassen könnten.

Auf dem Gelände der Trjochgornaja-Manufaktur, einer ehemaligen Textilfabrik, wurde die Hauptausstellung der Moskauer Biennale für junge Kunst eröffnet. Das sehr frei interpretierbare Konzept mit dem Namen „Deep inside“ initiierte der britische Kurator Nadim Samman. Von 2 000 Bewerbungen wählte er 87 Künstler aus, die hier ihre Werke ausstellen dürfen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen war das junge Alter der Künstler: Sie durften nicht älter als 35 Jahre sein. Der Kurator selbst kann in diesem Jahr noch mit den Teilnehmern mithalten: Er ist gerade einmal 33 Jahre jung.

Für Samman ist die Biennale der Treffpunkt für neue Gesichter in der Kunstindustrie. Allerdings knüpft sein selbst entworfenes philosophisches Manifest nicht unbedingt an neue Ideen in der Kunst an. Visuell ist das Projekt im italienischen Stil der Arte Povera, der „armen Kunst“, gehalten. Dazu passt zumindest das Budget der Biennale, das lediglich 350 000 Euro betragen hat.

So revolutionär wie die Kunstrichtung der Sechzigerjahre sind die ausgestellten Werke aber nicht. „Die jungen Künstler sind nicht mehr so frech und mutig wie früher“, sagt die bekannte Kunstkritikerin und -historikerin Olga Kabanowa. „Sie erschließen keine neuen Räume, sie begnügen sich mit den Erfolgen ihrer Vorgänger, die alle Grenzen der Kunst überschritten und ausgeweitet haben“, erklärt die Expertin.

Sechs Installationen von „Deep inside“ würden es daher mit Sicherheit auch auf jede „erwachsene“ Biennale in allen Ländern der Welt schaffen – RBTH stellt sie vor.

1. Juliana Cerqueira Leite: „Drei Tänze“

Foto: Oleg KrasnowFoto: Oleg Krasnow

Das Kunstwerk der brasilianischen Künstlerin wurde mit dem Jurypreis ausgezeichnet. Ihre mehrgliedrige Figurenkomposition erinnert an Edgar Degas und seine Ballettszenen. Diese Komposition ist eine Art Autoporträt der Künstlerin, die mit ihrer frischen plastischen Art besticht.  

2. Timofej Parschtschikow: „Die große Flucht“

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Der weltweit bekannte russische Fotograf und Künstler Timofej Parschtschikow errichtete eine Installation aus den Fluchtwegplänen alter sowjetischer Riesengebäude. Die auf einer Leinwand gedruckten, meditativen, geometrischen Fluchtpläne wirken angsteinflößend. Sie sind die Vorboten einer aufkommenden Panik. Außerdem zieht der Künstler eine Analogie zwischen den Plänen und den suprematischen Kompositionen der Avantgardisten. Die Installation knüpft an die legendäre Ausstellung „0,10“ von 1915 an, auf der Kasimir Malewitsch erstmals sein „Schwarzes Quadrat“ präsentierte.

3. Ksenia Kudrina: „Schwarzes Eis“

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Die Künstlerin aus der Republik Sacha im Nordosten Russlands arbeitet mit den ethnischen Motiven und Mythen der nordischen Völker Russlands. Ihre surrealistisch angehauchte Installation zeigt das Schamanenleben und die Totempfähle der Jakuten „Serge“. Jeder Pfahl ist eine Skulptur aus Metall und buntem Glas, die Geister, unterschiedliche Welten, Leben und Tod symbolisieren.

4. Davide Quayola: „Schöne Plätze“

Die Videoinstallation ist Van Gogh gewidmet. Die Aufnahmen der Landschaft wurden in einem französischen Dorf in der Provence gemacht. Genau dort lebte der weltberühmte Postimpressionist. Das Video kann der Betrachter dank Endlosschleife ewig anschauen: Im Wind wiegen sich die Äste. Langsam beginnt sich die realistische Aufnahme in Pixel auszulösen, als ob der Stil dieses Kunstwerks sich vor den Augen ändern würde. Diesen Effekt kann man sich im folgenden Video der Prisma-App anschauen (https://cabinet.rbth.com/text/143740). 

5. Daria Pravda: „Scharowery“

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Die Künstlerin tritt als Vertreterin des Moskauer Konzeptualismus auf. Sie erfand und visualisierte die Geschichte über die Sekte „Scharowery“ (zu Deutsch „Kugelglauber“), die Ende der 1960er-Jahre in Kronstadt lebten. In dieser Installation rekonstruiert Pravda das Zimmer der Begründerin der Sekte Wera Pawlowa, die einmal hinter einer Fabrik eine Kugel aus nichts gesehen haben will, die sie als Symbol der Einheit interpretierte.

6. Natalia Tikhonova: „Kein Wort über den Krieg“

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Die Installation, die sich mit den Besonderheiten unseres Gedächtnisses auseinandersetzt, wurde letztes Jahr im Moskauer Museum für Moderne Kunst vorgestellt. In einer Serie von schwarzweißen Landschaftsfotos, die an einer Wand in Lightboxes platziert sind, stellt die Künstlerin Szenen aus dem Soldatenleben und Spuren des Krieges mit roter Farbe dar. Diese Farbe verleiht den Aufnahmen einen blutigen, äußerst dramatischen Beigeschmack. Vor den Fotos stehen zwei rote Filter. Schaut man durch die Filter, „verschwinden“ die dargestellten Personen.

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