Premiere in Wolgograd

Foto: Viktor Jaschukow

Foto: Viktor Jaschukow

Das Symphonieorchester der Stadt Osnabrück tritt bei den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Schlacht von Stalingrad in Wolgograd auf. Zusammen mit dem Wolgograder Philharmonieorchester führen die Musiker Beethovens Neunte Symphonie, Stücke von Brahms, Schubert und Haydn sowie ein eigens von Jelena Firsowa komponiertes Werk auf.

Die Auftritte des Osnabrücker Symphonieorchesters Anfang Februar in Wolgograd finden im Rahmen des Internationalen Festivals „Musik der Welt gegen den Krieg“ statt. Anlass der Feierlichkeiten ist  der 70. Jahrestag der

Schlacht von Stalingrad. Das Festival ist ein einmaliges Projekt, das mit Unterstützung des Kulturministers des Gebietes Wolgograd sowie des Goethe-Instituts im Rahmen des Deutschlandjahres in Russland veranstaltet wird.

Die „Musik der Welt gegen den Krieg“ – symphonische und Chormusik – erklingt dabei nicht nur in den üblichen Konzertsälen, sondern auch im

Festsaal des Panoramamuseums Schlacht von Stalingrad. Auch in der alten Kirche des Museumsparks Sarepta, einer ehemaligen Siedlung der deutschen Herrnhuter Brüdergemeine am Unterlauf der Wolga, werden Melodien erklingen.

„Das Festival besitzt nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine politische Bedeutung. Zwei große Länder, zwei hervorragende Künstlerkollektive, weltberühmte Solisten – das ist nicht gerade wenig!“, betont der Direktor der Philharmonie des Gebietes Wolgograd, Viktor Kijaschko. „Das Festival wird mit einem großartigen künstlerischen Projekt beendet, bei dem gleich zwei Symphonieorchester auf der Bühne des Zentralen Konzertsaales der Stadt Wolgograd spielen werden“.

 

Im gleichen Schicksal verbunden: Osnabrück und Wolgograd

 Osnabrück und Wolgograd sind keine Partnerstädte, aber ihr Schicksale gleichen einander in vielen Punkten: Beide wurden während des Zweiten Weltkrieges fast vollständig zerstört. Beide wurden wieder vollkommen neu aufgebaut. Beide gelten als Stadt des Friedens.

„Es ist zutiefst symbolisch, dass Musiker des Symphonieorchesters aus der deutschen Stadt Osnabrück Gäste des Festivals sein werden. Zehntausende friedliche Einwohner dieser Stadt haben während des Zweiten Weltkrieges ebenso unter den Bombardements gelitten“, erklärt der Gouverneur des Gebietes Wolgograd, Sergej Boschenow, in seinem Grußwort. „Ein solcher Dialog ist für die Bewahrung der historischen Erinnerung an den Krieg und dessen Folgen ausgesprochen wichtig“.

Der Initiator des Auftrittes in Wolgograd, der deutsche Musiker und Geiger des Osnabrücker Symphonieorchesters Christian Heinecke, erzählt, dass die Geschichte seiner Familie eng mit dem Zweiten Weltkrieg und der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland verbunden sei. Noch während er die Schule besuchte, beschloss er, unbedingt drei Orte auf dieser Welt besuchen zu wollen – Auschwitz, Hiroshima und Wolgograd.

„Als Musiker war ich bereits in Auschwitz und Hiroshima“, erzählt Heinecke. „Aber aus irgendeinem Grunde machte mein berufliches Leben stets einen Bogen um Wolgograd. Deshalb beschloss ich, mich selbst dafür zu engagieren, dies zu ändern“.

Christian Heinecke stieß im Internet auf die Webseite des Wolgograder Symphonieorchesters und sandte per E-Mail eine Anfrage. Darin erzählte er von seiner Idee und wollte wissen, ob ein solches Projekt realisierbar sei. Auch stand die Frage im Raum, ob denn der Auftritt eines deutschen Orchesters zum 70. Jahrestag der Schlacht von Stalingrad überhaupt erwünscht sei. Nach einiger Zeit erhielt er als Antwort vom Chef-Dirigenten des Wolgograder Symphonieorchesters, Eduard Serow: „Herzlich willkommen!“

 

„In Deutschland erinnern wir uns still – in Russland wird gefeiert“

„Das Repertoire spielte eine ganz entscheidende Rolle, da die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen und den Russen auf vollkommen verschiedene Weise wahrgenommen werden: Wir in Deutschland erinnern uns still und in Trauer, in Russland dagegen wird gefeiert“, erläutert Christian Heinecke. „Deshalb waren wir sehr erfreut, als uns Matre Serow gleich anfangs vorschlug, die Neunte Symphonie Beethovens aufzuführen“.

Das Festival „Musik der Welt gegen den Krieg“ findet seinen Abschluss in einem gemeinsamen Auftritt der Symphonieorchester Wolgograds und Osnabrücks, an dem auch mehrere Chorensembles Wolgograds sowie der Staatliche Chor der Republik Kalmykien teilnehmen.  Gleichzeitig werden sich dann mehr als 300 Musiker auf der Bühne befinden. Als Solistin wird die weltbekannte Altistin Tabea Zimmerman zu bewundern sein.

Eigens für das Abschlusskonzert des Festivals hat die Komponistin Jelena Firsowa das Stück „Hoffnung“ komponiert, das sie den Opfern der Schlacht von Stalingrad und des Zweiten Weltkrieges gewidmet hat. In Wolgograd wird die Welturaufführung dieses symphonischen Werkes, welches von der Schöpferin selbst als ein „kleines Requiem“ bezeichnet wird, zu erleben sein.

„Wir sehen dem Abschlusskonzert des Festivals mit großer Ungeduld entgegen, da das Stück Jelena Firsowas aufs Beste die Atmosphäre und Stimmung, die während der Schlacht von Stalingrad in der Stadt herrschte, wiedergibt“, kommentiert Andreas Hotz, Generalmusikdirektor am Theater Osnabrück. „Außerdem werden wir die Neunte Symphonie Beethovens aufführen, die das Trachten der Menschen, aus Feinden Brüder zu werden, versinnbildlicht. Im Wesentlichen wurde das Programm unserer Auftritte aus Werken deutscher Komponisten zusammengestellt: Haydn, Schubert, Beethoven und Brahms“.

„Erstmals in der Geschichte der Zusammenarbeit der beiden Länder wird Wolgograd eines der wichtigsten Kulturzentren sein. Neben dem Festival „Musik der Welt gegen den Krieg“ ist außerdem ein Musikfestival für das jugendliche Publikum an der Uferpromenade geplant.

Im April kommen wir mit der Inszenierung des „Faust“ aus dem Dresdner Theater hierher. Und im Sommer erfolgt dann der Gegenbesuch des Wolgograder Symphonieorchesters in Osnabrück. Diese Kulturevents sind nur der Anfang, später sollen noch weitere Veranstaltungen folgen“ gibt   Wassilij Kusnezow, der Verantwortliche des Goethe-Instituts für die Kulturprogramme in den Regionen Russlands, einen Ausblick. Er ist sich sicher, dass sich die gelungene Zusammenarbeit nicht nur auf das Deutschlandjahr in Russland beschränken wird.

Neben dem musikalischen Event gibt es im Rahmen des Festivals noch ein anderes Ereignis, welches ebenfalls von Christian Heinecke initiiert wurde. Die Mitglieder der Organisation „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ konnten die Namen von Einwohnern Stalingrads, die während des Kriegs nach Deutschland verschleppt wurden und in der Umgebung Osnabrücks arbeiten mussten, ausfindig machen.

Die deutschen Gäste fanden siebzig Personen heraus, die in Deutschland umgekommen sind. „Ihre Namen werden zu Beginn des Konzertes verlesen. In ihrer Heimat galten diese Menschen als vermisst. Möglicherweise wird es uns gelingen, ihre Verwandten ausfindig zu machen und ihr Schicksal für ihre Angehörigen zu klären“, erläutert Heinecke seine Initiative.

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