Deutsch-russisches Museum neu eröffnet

Die neue Dauerausstellung im Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst ist der 68. Wiederkehr des Kriegsendes gewidmet. Foto: Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst (Copyright)

Die neue Dauerausstellung im Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst ist der 68. Wiederkehr des Kriegsendes gewidmet. Foto: Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst (Copyright)

Kurz vor der 68. Wiederkehr des Kriegsendes wurde am 25. April 2013 die neugestaltete Dauerausstellung im Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst eröffnet. Russland HEUTE traf den Direktor des Museums Dr. Jörg Morré zu einem Gespräch über Erinnerungskultur an den 2. Weltkrieg in Deutschland und Russland.

Wie ist der Bekanntheitsgrad des Museums heute?

Unsere Nachbarschaft hier in Lichtenberg kennt uns natürlich noch aus DDR-Tagen, glaubt aber auch oft, dass sich seitdem hier nicht viel getan hat. Der große Saal unten mit der Kapitulationsurkunde ist natürlich aus historischen Gründen gleich geblieben, aber die Dauerausstellung - und damit der gesamte erste Stock - ist nach modernen Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten dreisprachig gestaltet. Und das spricht sich inzwischen herum. Auch vom Museumsfest versprechen wir uns wieder einen solchen Effekt.

Was ist das Museumsfest?

Hier am Museum wird jedes Jahr am 8. Mai den ganzen Tag über ein Fest mit Musik und Film, aber auch Lesungen und Podiumsdiskussionen ausgerichtet, zu dem Besucher aus vielen Nationen kommen. Abends um 22 Uhr wird als Abschluss ein Toast auf den Frieden ausgebracht. Bisher gibt es als Getränk Sekt; eigentlich würden wir gerne Wodka und diverse Sakuski (russische Häppchen) servieren können, aber dazu fehlen noch die Sponsoren (lacht). Wir versuchen hier, sowohl den Ansprüchen an einen Gedenktag gerecht zu werden, als auch eine Begegnung ohne Hemmungsblockaden zu ermöglichen. Das funktioniert zunehmend gut, also herzlich willkommen!

Die Vitrine im Erdgeschoss, in der nebeneinander die Gedenkbriefmarken der DDR und der Bundesrepublik zum Kriegsende gezeigt werden, zeigt es deutlich, dass die Wahrnehmung des 8. Mai 1945 innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich war. Umso größer muss die Diskrepanz zwischen den Ländern Deutschland und Russland sein, die sich in der Erinnerungskultur spiegelt. Wie sind da Ihre Beobachtungen?

Mir fällt auf, dass die Diskussion in Deutschland um den Vernichtungskrieg und die gesellschaftliche Relevanz für uns heute in Russland kaum wahrgenommen wird. Dort ist es der »Große Vaterländische Krieg«, der große Opfer gefordert hat. Das war es aber auch schon. Wer die Opfer sind, und warum man sie zu beklagen hat, ist nicht so von Belang.

Wenn man als Deutscher in Russland zu Besuch ist, trifft man sich im Gespräch recht schnell auf der Ebene »mein Großvater blieb im Krieg, und deiner auch, und das ist für unsere beiden Familien eine Tragödie«. Damit ist gleichzeitig eine friedliche Tonlage angestimmt. Ich spüre, dass die Notwendigkeit zu Versöhnungsakten in Russland bei weitem nicht so intensiv diskutiert wird wie in Deutschland. Wenn man dort gesenkten Hauptes eintrifft, stellt man fest, dass man sich dort lieber geraden Blickes begegnet und austauscht. Das stimmt positiv für die Begegnung der jungen Generation.

Museumsdirektor Dr. Jörg Morré im Garten des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst. Foto: Balthasar von Weymarn

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass eine ähnliche Erinnerungsstätte mit Blick auf beide Seiten auf russischem Boden entsteht?

Schwer vorstellbar. Ich bin häufig gefragt worden, ob ich das Haus hier als Kriegsmuseum bezeichne, und ich sage dazu immer ja. Wenn ich Kriegsmuseen in Russland betrachte, sehe ich dort, dass der Krieg als große Tragödie dargestellt wird, die siegreich überwunden wird, aber für einen Blick auf die andere Seite habe ich dort wenig Raum gesehen.

Ich glaube auch nicht, dass man dem viel Platz einräumen will. Das hängt

auch damit zusammen, dass man im westeuropäischen Raum seit Kriegsende nun auf fast 60 Jahre sehr solider Forschungsarbeit zurückgreifen kann. Alles, was wir nicht wussten, konnten wir uns anlesen. Die russischen Kollegen haben es bei weitem nicht so einfach, weil es dort kaum frei zugängliche Archive gibt. Das fällt in der musealen Arbeit nicht so auf, aber für den Wunsch nach einer objektiven Perspektive, die die Gegenseite miteinbezieht, ist es wichtig, diesen Grundstock zu haben. Ganz abgesehen davon, dass der Wunsch nach dem »anderen Blick« auch voraussetzt, dass man mit den eigenen Themen nicht mehr so unmittelbar beschäftigt sein muss.

Wie zum Beispiel durch eine Kontroverse wie der um die Wehrmachtsausstellung?

Richtig. Die Fakten waren zwar schon lange bekannt, die gesellschaftliche Aufregung darüber gab es aber erst in den 90er Jahren. Das war ein heilsamer Prozess hierzulande, und der ist nun auch schon 20 Jahre her. Die Gelegenheit dazu auf russischer Seite wäre jetzt zum Beispiel der 70. Jahrestag von Stalingrad gewesen. Die Feierlichkeiten dort haben aber keine neuen Gedankenansätze erkennen lassen. Vielleicht muss für etwas Vergleichbares in Russland erst die Bereitschaft entstehen.

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