Stalingrads Schützengräben in 3D

Russland schickt “Stalingrad” ins Rennen um fremdsprachigen Oscar. Foto: kinopoisk.ru

Russland schickt “Stalingrad” ins Rennen um fremdsprachigen Oscar. Foto: kinopoisk.ru

Um den russischen Oscar-Vorschlag „Stalingrad“ zu produzieren, wählte Regisseur Bondartschuk eine Kooperation mit IMAX. Größtenteils entstand er in deren Produktionsstätten in Los Angeles.

„Stalingrad“ von Fjodor Bondartschuk soll einen Oscar für Russland gewinnen. Ob der Streifen es unter die Finalisten in der Kategorie „Bester ausländischer Film“ schafft, wird die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) entscheiden. Nicht allein die Oskar-Nominierung allerdings verbindet das Werk Bondartschuks mit Nordamerika. Die Arbeiten an „Stalingrad“ fanden dann über weite Strecken auch im IMAX-Studio in Los Angeles statt. Es ist der erste russische Film im IMAX-Format.

„Um einen IMAX-Film drehen zu können, müssen drei Bedingungen erfüllt sein. Man braucht erstens einen Regisseur, für den die bildliche Darstellung oberste Priorität hat. Zweitens sollte er in einem uns kollegial verbundenen Studio entstehen. Drittens, und das ist das wichtigste, es muss ein Film sein, der den Zuschauer in eine fiktive, aber glaubwürdige Wirklichkeit führt: in die Hogwarts-Schule, auf eine Raumstation, nach Pandora, auf den Boden des Ozeans – oder in die Ruinen Stalingrads“, erläutert der Vorsitzende und Präsident von IMAX Filmed Entertainment Greg Foster die Prinzipien seines Unternehmens. Das Gespräch fand einen Tag nach der ersten Präsentation von „Stalingrad“-Auszügen vor russischen Journalisten im IMAX-Studio statt.

Der Film beginnt in der Neuzeit

„Stalingrad“ beginnt mit einer Szene in Japan, im zerstörten Fukushima. Auf der Leinwand ist ein gewaltiges Flugzeug des Katastrophenschutzes zu sehen, das sich dem Unglücksort der Kernkraftwerk-Havarie nähert. Russische Helfer suchen nach Überlebenden. In einer Höhle unter Trümmern entdecken sie eine junge Deutsche. Die Rettungskräfte nehmen Kontakt mit ihr auf, und um sie abzulenken und zu beruhigen, fängt ein Kommandeur an zu erzählen.

Stalingrad. Offizieller trailer auf Englisch. Quelle: YouTube

Er spricht von der Schlacht bei Stalingrad. Es ist ein älterer Mann, dessen Gesicht die Zuschauer bis zum Ende des Filmes nicht sehen werden. Die nächste Szene zeigt eine nächtliche Überfahrt über die Wolga. Die Helden nutzen dazu teilweise überflutete Pontons, stapfen mühsam durch einen Erdwall, gehen zum Angriff über und geraten in einen rasenden Kugelhagel. Weiter geht es mit Einstellungen aus einem Nahkampf, ein tödliches Ballett wie bei den Wachowski-Brüdern oder Zack Snyder.

„Stalingrad“ ist ein Kriegsepos mit einem romantischen Handlungsstrang, satt und effektvoll gedreht. Ein Vergleich des neuesten Streifens von Bondartschuk mit dem Filmwerk der oben erwähnten Regisseure ist durchaus angebracht. Die Wachowskis und Snyder verfilmten Comics wie „V wie Vendetta“, „Watchmen – die Wächter“ und „300“, und griffen damit auf ein Genre zurück, das wegen der enormen Nachfrage unter amerikanischen Soldaten Massenpopularität erlangt hatte. Bondartschuk lässt sich außerdem auch von Figuren anderer Superhelden inspirieren und bedient sich gerne leicht erkennbarer Figuren der sowjetischen Massenkultur: echte Soldaten der Ostfront, ein Offizier beim Vorreißen der Feuerlinie, einen Fluss durchwatende Soldaten.

Der russische Markt ist wichtig für IMAX

„Stalingrad“ sei nicht der erste russische Film gewesen, den man seinem Unternehmen vorgestellt habe, sagt der für die internationale Entwicklung von IMAX zuständige Anthony Vogel. „Insgesamt werden es wohl etwa zehn Filme gewesen sein, darunter eine Menge Zeichentrickfilme. Ihr dreht überhaupt ziemlich viele Zeichentrickfilme, wie mir scheint“, erinnert er sich. Die strategische Bedeutung des russischen Spielfilmmarktes jedenfalls ist für IMAX offensichtlich. Es verzeichnet ein rasantes Wachstum: Die Einnahmen waren im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 80 Prozent gestiegen. Russland sei, wie Foster erläutert, hinter den USA und China der drittgrößte Markt für sein Unternehmen — allein im Jahr 2013 kletterte die Zahl der IMAX-Kinos in der GUS von 22 auf 38, also auf mehr als das Eineinhalbfache. Die Produktion eines russischsprachigen Films im IMAX- Format war also nur eine Frage der Zeit.

Die Produktion des Films war aufwendig und kostspielig. Allein in die Gestaltung der Kulissen bei Sankt Petersburg flossen mehr als 2,5 Millionen Euro. Für den Kulissenbau war der Künstler und Regisseur Sergej Iwanow verantwortlich, unter dessen Leitung 400 Personen sechs Monate lang an der Umsetzung der Entwürfe arbeiteten. Der Kameramann Maxim Ossadtschij, der für Bondartschuk schon fast seit Beginn von dessen Karriere dreht, realisierte die Dreharbeiten an „Stalingrad“ mit Unterstützung eines großen Teams von Toningenieuren, schwebender Projektionsflächen und unter Einsatz neuester Epic-Kameras von RED. Die Filmmusik schrieb Angelo Badalamenti, Komponist der Soundtracks für fast sämtliche Werke von David Lynch, einschließlich „Twin Peaks“.

Foster lobt den Film in den höchsten Tönen. In Russland habe man nun endgültig begriffen, was man mit IMAX alles machen könne, sagte er. Immer mehr Leute gingen in IMAX-Kinos, um Blockbusters wie Bondartschuks neuen Film zu sehen.

Ist Russland eine Alternative für Hollywood?

„Stalingrad“ eröffnet anscheinend noch eine weitere Perspektive. Hollywood durchlebt derzeit nach Meinung vieler Experten eine kreative Krise und leidet an finanziellen Engpässen, einem Mangel an Investitionen und schwindenden Absatzmärkten. Immer mehr russische Filmschaffende – nicht nur junge Schauspieler, sondern auch Produzenten und Regisseure – lassen sich von Filmproduktionsgesellschaften aus Hollywood engagieren. Im Projekt „Stalingrad“ kooperierten die Mitarbeiter von IMAX mit ihren russischen Kollegen auf absolut paritätischer Grundlage. Foster will, wie er betont, auch weiter mit Bondartschuk zusammenarbeiten. Die Perspektiven des internationalen Verleihs sieht er optimistisch: „Bei den Amerikanern wird der Film mit Sicherheit gut ankommen, er verbreitet viel, wie wir sagen, John-Wayne-Flair.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Lenta.ru.

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