Neue Buchläden: Weniger Auswahl – mehr Atmosphäre

Die Gestaltung des Moskauer Buchladens "Dodo" orientiert sich an Lewis Carroll. Foto: Alexandra Kirillowa

Die Gestaltung des Moskauer Buchladens "Dodo" orientiert sich an Lewis Carroll. Foto: Alexandra Kirillowa

Unkonventionelle Buchläden sind die neuen Treffpunkte der Großstädter. Die Auswahl ist klein und vom Geschmack des Inhabers geprägt.

Die neuen Buchläden sind anders als die Buchkaufhäuser im Zentrum der Hauptstadt, in ihrer Größe und Universalität sind es Relikte aus der Sowjetunion.

Gleichzeitig sind die neuen Buchläden Hotspots der Kommunikation und des Lebens. Als Moskauer Pioniere gelten die Kultläden „Projekt O.G.I." (1999–2012) und das 2002 gegründete „Phalanstère". Ihr Einfluss ist auch bei den aktuellen Läden zu spüren: nur wenige Quadratmeter Geschäftsfläche, dafür ausgewählte Literatur, interessante kulturelle Veranstaltungen und eine Atmosphäre, die den Geschmack des Inhabers widerspiegelt.

 Magic bookrooms statt Büchersupermärkte

 Da ist etwa die 2009 gegründete Kette Magic Bookroom (dazu gehören „Dodo", „Dodo-ZIL" und „Omnibus"), deren Design sich an Lewis Carroll orientiert. „Wir wollten eine unkonven
tionelle Buchhandlung schaffen, die frei 
von übertriebenem Snobismus ist, eine Schnittstelle für Kultur, wo man über all das reden kann, was uns Bücher kommunizieren: über Wissenschaft, Kunst, kreatives Handwerk", erklärt die Mitgründerin Schaschi Martynowa.

Magic Bookroom gibt sich dabei besonders lebenslustig und kreativ: Neben Lesungen und Workshops werden hier auch Storytelling-Sessions und „Dodo-Spielplätze" nach Motiven aus Lewis Carrolls Märchen veranstaltet.

Ganz anders ist das Angebot der kleinen, 2012 eröffneten Buchhandlung „Chodasewitsch": Sie fungiert gleichzeitig als Leihbücherei. Mit einem Abo

(für etwa 
sechs Euro monatlich) kann man Bücher jeweils zehn Tage lang ausleihen. Inhaber Stas Gajworonsk glaubt an seine 
Geschäftsidee: „Ein neues Buch kostet im Durchschnitt 400 Rubel (zehn Euro). Man kann aber locker fünf Bücher im Monat lesen."

Zur Buchhandlung der neuen Welle in 
St. Petersburg wurde 2010 der Laden „Porjadok slow" (Wortstellung). Hier finden Bücherwürmer eine Vielzahl an Non-Fiction und im Aushang Termine zu Lesungen, Filmvorstellungen sowie Treffen mit Autoren und Regisseuren.

Ein weiteres Nonplusultra für Literaturfans ist der 2011 eröffnete Buchladen „Wse swobodny" (wörtlich: Alle sind frei). Dort wird den Besuchern nicht nur die Atmosphäre einer Petersburger Hausbibliothek geboten, sondern auch ein Schallplattenladen nebst einer gemütlichen Teestube, so die Gründer Artjom Faustow und Ljubow Beljazkaja.

Manche Läden schließen bald wieder

„Wir haben uns von ‚Phalanstère' ins
pirieren lassen", erzählt Faustow. „Und hatten ähnliche Richtlinien: Die Bücher sollten günstig und keine Massenartikel sein. Und es war uns wichtig, einen geisteswissenschaftlichen Fokus zu haben."

Interessant ist der Werdegang der Kette „Podpisnye isdanija" (Abonnementausgaben), deren Läden zu Sowjetzeiten zu den bekanntesten

zählten. 2012 änderte eine Filiale ihren Auftritt, wodurch die Buchhandlung zu einer Sehenswürdigkeit wurde.

„Wir haben die Inneneinrichtung komplett erneuert und unser Angebot verdreifacht", erzählt Mitbesitzer Michail Iwanow. „Den Schwerpunkt haben wir auf 
gehobene Belletristik gelegt und auf Kinderbücher." In der Buchhandlung gibt es ein Café, in dem Kunden Schallplatten für die Hintergrundmusik auswählen und so die Atmosphäre mitbestimmen.

Bedauernswert ist die geringe Halbwertszeit einiger Buchhandlungen. Aber Schaschi Martynowa hofft, „dass gerade die kleinen mit ihrem einzigartigen Format als lebendige Gesprächsplattformen weiter existieren werden."



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