Polina Daschkowa. Foto: Pressebild
Die Erfolgsgeschichte Polina Daschkowas in Deutschland ist nahezu einzigartig. Erstmals hat ein russischer Autor der Trivialliteratur im Ausland eine nennenswerte Popularität zu verzeichnen. In Russland ist Daschkowa recht bekannt: Zu Zeiten ihrer größten Popularität, Ende der 1990er-, Anfang der 2000er-Jahre, zählte sie zu den auflagenstärksten und bestverkauften Autorinnen von Frauenkriminalromanen. Den Grund für diesen Erfolg kann man in eine „russische“ und eine „deutsche“ Komponente aufgliedern. Zuerst die russische Komponente.
Daschkowa schreibt an der Schnittstelle verschiedener Genres – in erster Linie zwischen Kriminalroman und urbaner Frauenprosa. In der russischen Realität waren die Antwort auf die Romane Helen Fieldings und Candace Bushnells Frauenkrimis mit simpler Handlung, einer Heldin à la Aschenputtel, nicht immer wirklich lustigem Humor und jeder Menge Details aus dem russischen Alltag. Fielding und Bushnell schrieben für den Mittelstand, in Russland war dieser Ende der 1990er-Jahre noch nicht ausgeprägt, deshalb waren die Bücher Darja Donzowas oder ihrer Kolleginnen Tatjana Ustinowa und Julia Schilowa auf das gesamte weibliche Publikum ausgerichtet.
Daschkowa näherte sich dabei der westlichen Variante am meisten an. Ihre Krimis zeichnen sich durch gute Sprache, raffinierte Handlung und Spannung aus, die Helden stehen vor etwas vertrackteren Herausforderungen und verfügen in der Regel über eine Hochschulausbildung mit den Problemen eines russischen Intellektuellen. Solche Helden waren auch für die Leser der europäischen Mittelklasse verständlich. Soweit die russischen Ursachen – schauen wir uns nun die deutschen Gründe an.
Deutschland ist der größte westeuropäische Buchmarkt, der ein Interesse für unser Land bewahrt hat. Außerdem verfügt Deutschland immer noch über eine sehr lebendige Übersetzertradition. Doch wo die geeigneten Bücher hernehmen? Es gibt keinen einzigen Schriftsteller, der über das aktuelle Russland erzählen würde. Andererseits: Wenn man über Kriminalromane spricht, vergisst man häufig eine ihrer wichtigsten Eigenschaften. Der Krimi erzählt in erster Linie darüber, wie die Menschen leben, was sie denken, was sie fürchten und woran sie glauben.
Zum damaligen Zeitpunkt kannte man in Deutschland entweder nur die russische Klassik, das heißt vor allem Dostojewski und Tolstoi, oder aber die Postmodernen wie zum Beispiel Wladimir Sorokin. Doch diese Literatur erzählt nicht allzu viel über das alltägliche Leben. Dank den Büchern Daschkowas wurde Russland für die Deutschen verständlicher: ein ganz normales Land, in dem genau solche Menschen leben wie in anderen Ländern auch, auch wenn sie ihre eigenen Probleme und Besonderheiten haben. Genau dies schien den deutschen Leser zu interessieren.
Konstantin Miltschin ist Literaturkritiker bei der Zeitschrift Russkij Reporter.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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