Go East: Ausländische Musiker in russischen Bands

Statt in den Westen zu gehen, sind ein Deutscher, ein Iraner und ein Bulgare mit ihrer Musik nach Russland gekommen. Russland HEUTE hat Marc, Hosein und Wlado gefragt, was ihnen zu Hause gefehlt hat und was ihnen in Russland besser gefällt.

Den Westen zu erobern war schon immer ein Traum russischer Musiker. Die Rocker des Landes fuhren zu Hunderten nach Europa, um ihr Glück zu suchen. Wirklichen Erfolg hatten nur einige wenige von ihnen. Aber es gibt auch einen Gegenentwurf: Immer mehr ausländische Musiker kommen nach Russland, um hier zu spielen und zu leben. Was ihnen zu Hause gefehlt hat und was ihnen in Russland besser gefällt, fragten wir den den Deutschen Marc-Oliver Lauber, den Drummer der Sankt Petersburger Band Zorge, Hosein Abakpour aus dem Iran, Sänger der Alternative-Rocker Feramonz, und den Bulgaren Wlado Kostow aus der Gruppe Blast Unit Moscow.


Marc: Zorge


Marc-Oliver Lauber. Foto: aus dem persönlichen Archiv

Marc spielt keine klassisch westliche oder östliche Musik. Und schon gar keine Popmusik. Wie viele deutsche Musiker liebt er Handfestes, aber dennoch Avantgardistisches. Die Gruppe, in der er Schlagzeug spielt, heißt Zorge.

Gegründet hat die Band der Sankt Petersburger Bassist und Sänger Jewgenij Fjodorow. Fjodorow hatte bereits in den Neunzigerjahren als Gründer und Leader der Gruppe Tequilajazzzeinen Kultstatus. Die Band war eine der ungewöhnlichsten Gruppen des postsowjetischen Russlands. Ihren Stil kann man als Progressive Pop, Alternative Rock oder Moderate Avantgarde bezeichnen. Der Sound von Zorge klingt ganz ähnlich.

Von einem kreativen Standpunkt aus betrachtet war es genau das, was Marc in seiner Heimat gesucht, aber nicht gefunden hat: „Anfang des neuen Jahrtausends war es in Deutschland nahezu unmöglich, mit Musik jenseits des Pops seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Deshalb entschied ich mich für den Umzug nach Sankt Petersburg.“ Warum gerade Petersburg? „Es begann damit, dass ich Mitte der Neunzigerjahre in Köln die Meantraitors, eine Psychobilly-Band, kennenlernte. Ich spielte mit ihnen etwa 15 Jahre, wir bereisten ganz Russland. Im Jahr 2000 durften wir dann als Vorband von Tequilajazzz auftreten. Ich kannte die Band bereits von ihrem Album ‚Zelluloid‘und fand sie sehr gut.“

Fjodorow seinerseits gefiel Marcs Spielweise. Und die Umstände kamen ihnen zugute: Die Meantraitorsfielen auseinander, Fjodorow startete ein Soloprojekt und Marc verliebte sich in eine Russin. Die schlechten Aussichten für seine Musik in Deutschland und die geliebte Frau in Russland – das reichte aus, um Marc zum Umzug nach Sankt Petersburg zu bewegen. Er heiratete. 2010 rief Fjodorow den Schlagzeuger an und lud ihn zu seinem neuen Projekt ein.

„Ich spiele in der besten Gruppe Russlands“, sagt Marc. „Ich habe hier meine Familie. Freunde. Ich bereue meine Entscheidung, hierhergezogen zu sein, keine Sekunde lang. Ich liebe unsere Musik, meine Freunde, die russischen Menschen und dieses Land. Was braucht man mehr, um glücklich zu sein?“


Hosein: Feramonz

 

Hosein Abakpour. Foto: aus dem

persönlichen Archiv

Hosein hatte einen ganz simplen Grund für den Umzug: die Rockmusik. Die gibt es in seiner iranischen Heimat nämlich nicht. 2001 kam er nach Moskau und immatrikulierte sich an der Hochschule für Medizin. Hosein studierte acht Jahre lang und schloss seine Ausbildung als Diplom-Orthopäde ab. Er kehrte in den Iran zurück und wollte in einer Band spielen, aber das klappte nicht. Es ist schon etwas sonderbar: Um als Hobbymusiker spielen zu können, ging der Orientale nicht in die USA, sondern nach Russland. „In Russland kann man Musik auf hohem Niveau spielen“, erklärt der Sänger, schränkt aber ein, dass der finanzielle Erfolg mit einem großen Fragezeichen versehen sei. Darum ginge es ihm ja aber auch gar nicht.

Feramonz ist eine recht originelle Band mit orientalischem Akzent. Hosein spricht gut Russisch, sein Akzent lässt sich kaum heraushören: „Ich kann nicht sagen, ob ich Iraner oder Russe bin. Ich habe ein Drittel meines Lebens in Russland verbracht und fühle mich bis zu einem bestimmten Grad als Russe.“ Der Iraner und seine russischen Kollegen verstehen einander hervorragend. Aber russische Songtexte zu schreiben, das traut Hosein sich noch nicht zu. Er textet in Englisch. Verheiratet ist er mit einer Russin. Bei den musikalischen „Gastarbeitern“ ist das auch eher die Regel als die Ausnahme.


Wlado: Blast Unit Moscow

Wlado Kostow. Foto: aus dem

persönlcihen Archiv

Wlado Kostow entstammt der „bulgarischen Diaspora“ Moskaus. Mitte der Neunzigerjahre gab es in der russischen Hauptstadt mehrere englischsprachige Bands, in denen Musiker aus Bulgarien spielten oder auch sangen. Woher kam diese Flut bulgarischer Rocker? „Eigentlich gab es nur eine solche Gruppe und das war Sprint“, erklärt Wlado. Sie erfreute sich großer Beliebtheit in Bulgarien. Dann wanderten die Musiker nach Russland aus. Doch hier begann es in der Band zu kriseln und der Schlagzeuger stieg aus. Da sie unter den Einheimischen keinen Ersatz finden konnten, holten sie Wlado 1998 ins Land. Das Angebot lautete damals: „Du kannst ein paar Monate bei uns spielen.“

Wlado kam für ein paar Monate, blieb aber bis zum Jahre 2000 in der Band. Sprint änderte seinen Namen in Metro. Aber auch das war nicht von Dauer – die Gruppe löste sich auf und die Musiker suchten sich alle ein neues Betätigungsfeld. Wlado hatte wohl das größte Glück: Seine Band Blast Unit Moscow ist wahrscheinlich das erfolgreichste unter allen „bulgarischen Projekten“ in Russland, auch in kommerzieller Hinsicht.

So seltsam es klingen mag, aber der Slawe Wlado liebt den russischen Rock nicht. Aber auch er schätzt das hohe Niveau der hiesigen Musiker. Allerdings hat das Leben in Russland bei Wlado seine Spuren hinterlassen. Er spricht perfekt Russisch und sogar ohne Akzent. „Ich fiebere für die russische Eishockey- und Fußballmannschaft mit. Bei allen internationalen Konflikten unterstütze ich stets die russische Position. Ich habe kürzlich geheiratet – natürlich eine russische Frau. Es gibt vieles, was mich an das Land bindet.“

Die Band Blast Unit Moscow hat hervorragende Kontakte zu britischen Rockmusik-Kreisen aufgebaut, und Moskau dient für sie als eine Art Schnittstelle: „Vor Kurzem erschien in England unsere Single“, erzählt Wlado. „Bald wird das komplette Album folgen. Unser Lied wird bei BBC und Absolute Radio gespielt. Für die nächste Zeit sind zehn Konzerte geplant, unter anderem in London und Manchester.“

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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