Michail Gorbatschow: Liebe und Politik

Michail Gorbatschow widmet sich in seinem neuen Buch „Alles zu seiner Zeit. Mein Leben“ ausgiebig der Beziehung zu seiner Frau Raissa. Hart ins Gericht geht er mit Boris Jelzin – und den Amerikanern.

Michail Gorbatschow mit seiner Frau Raissa. Foto: RIA Novosti

In jener Nacht standen Irina und ich an ihrem Bett. Wir weinten und konnten nichts mehr machen.“ So beschreibt Michail Gorbatschow (82) den Tod seiner geliebten Frau Raissa am 20. September 1999 in einem Krankenhaus in Münster. Raissa war die Liebe seines Lebens. Michail Gorbatschow huldigt jetzt in seinen Memoiren dieser Liebe mit einer ungeheuren Innigkeit und Traurigkeit.

Michail Gorbatschow: „Alles zu seiner Zeit.

Mein Leben“, Hamburg 2013

Diese Liebe nimmt im neuen Buch des ehemals mächtigsten Mannes im Kreml viele Seiten ein. Sehr dezent beschreibt Gorbatschow die Begegnungen, Annäherungen und den ersten Kuss. Er vergöttert Raissa und ihren Stil. „Sie fiel auf. Sie war eine richtige Prinzessin. Mir gefiel, dass sie schön aussehen wollte. Sie gab immer auf sich acht. In allen Lebenslagen gut auszusehen, war Raissa ein Bedürfnis.“

Das Buch als intime Schau dieser Liebe zu sehen, wäre aber verfehlt. Wichtiger sind die Erkenntnisse über eine verfehlte Politik, eine Abrechnung mit der Zeit vor dem Jahr 1985, als Michail Gorbatschow im Kreml die Macht übernahm. Er zeichnet die Linien nach, die ihn zu Perestroika und Glasnost geführt haben. Und warum diese Politik am Ende doch scheitern musste und die Sowjetunion zerfallen ließ.

1979 rief Gorbatschow in einem Gespräch mit seinem damaligen Außenminister Eduard Schewardnadse empört aus: „Alles ist von oben bis unten verfault.“ Er erkennt sehr früh die Scheinheiligkeit der Parteifunktionäre, erlebt den Terror unter Stalin in seiner Familie, beklagt die bittere Armut in seinem Umfeld. Doch will und kann er als Parteisekretär nicht sehen, dass die Ursache für diese Misere das System selbst ist. Je länger Gorbatschow als Sekretär im Kreml arbeitet, desto klarer wird ihm, was zu tun ist. Doch kann es eine Änderung nur „im Sinne Lenins“ geben. Er schreibt: „Meine Überlegungen hatten mich zu dem Gedanken geführt, dass ‚mehr Demokratie‘ auch ‚mehr Sozialismus‘ heißt. Wir beriefen uns auf Lenin. Die Perestroika begann im Zeichen des späten Lenin.“

1985 wird Gorbatschow Generalsekretär der KPdSU. Glasnost und Perestroika beginnen. Niemals denkt er jedoch daran, die Sowjetunion oder den Marxismus-Leninismus als Basis des Staates abzuschaffen. Der „Sinn der Perestroika bestand darin, unserem Volk die Freiheit zu geben. Und weil wir das wollten, musste die sowjetische Führung dieses Recht auch den anderen Ländern zugestehen.“

Hier kommt er auf Deutschland zu sprechen: „Die neuen Prinzipien der Perestroika haben auch eine entscheidende Rolle bei der Wiedervereinigung Deutschlands gespielt. Hauptakteur der Wiedervereinigung war das Volk dieser Länder.“

In großer Detailkenntnis schildert er die Probleme. An Boris Jelzin lässt er kein gutes Haar: „Leider hörte Jelzin nicht auf, die Zerstörung der Sowjetunion zu betreiben.“ Und später: „Die CIA war ein klarer Anhänger Jelzins, sie unterstützte ihn nicht nur verbal, sondern auch durch eine Reihe von Bewertungen, die seine Popularität hervorhoben. Schließlich setzte auch der US-Präsident Bush auf Jelzin, da dessen Ziele, die Union zu zerstückeln und aufzulösen, im Interesse der amerikanischen Führung waren.“ Gorbatschow beteuert dagegen immer wieder: „Ich kämpfte bis zur ‚letzten Patrone‘ für die Union.“ Am Ende ist er mit seiner Politik gescheitert. Am 25. Dezember 1991 tritt Gorbatschow als Präsident der UdSSR zurück.

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