Viktor Bout und Pussy Riot: Zwischen Politik und Kunst

Die Regisseure Maxim Posdorowkin und Mike Lerner lösen die Geschichte der Punk-Band auf und wir erkennen, dass der eigentliche Auftritt gar keine besondere Botschaft an die Welt schickte. Foto: ITAR-TASS

Die Regisseure Maxim Posdorowkin und Mike Lerner lösen die Geschichte der Punk-Band auf und wir erkennen, dass der eigentliche Auftritt gar keine besondere Botschaft an die Welt schickte. Foto: ITAR-TASS

Die Filme Maxim Posdorowkins ziehen momentan viel Aufmerksamkeit auf sich. Auch, weil sie mit den gängigen Interpretationen brechen und neue Perspektiven aufzeigen.

Der Dokumentarfilm „Pussy Riot: A Punk Prayer" wurde für den Oscar nominiert, und der Film „The Notorious Mr. Bout" über den russischen Waffenhändler nahm am berühmten Sundance-Filmfestival teil. Beide Filme haben mit Maxim Posdorowkin denselben Co-Regisseur und ein gemeinsames Thema: die politisch motivierte Verurteilung.

„In Russland wie im Westen hat man Pussy Riot falsch präsentiert", meint Maxim Posdorowkin und erklärt: „In Russland hat man sie im Fernsehen als

Maxim Posdorowkin

 

Maxim Posdorowkin ist mit seiner Familie als Elfjähriger aus Moskau nach New York gezogen. Er hat an der Cornell University und in Harvard studiert sowie für seine Arbeit zum Thema „Khronika: Soviet Newsreel at the Dawn of the Information Age“ einen Doktortitel in Harvard erhalten.

Er war Dozent für Filmgeschichte und Regisseur der Filme „Capital“ (2010) über die Hauptstadt Kasachstans, die mitten in der Steppe gebaut wurde, „Pussy Riot: A Punk Prayer“ und „The Notorious Mr. Bout“.

Religion hassende Randaliererinnen gezeigt. Im Westen erzählte man, sie hätten nur deshalb drei Jahre Haft bekommen, weil sie ein Lied gegen Putin in der wichtigsten Kirche des Landes gesungen haben. Völliger Schwachsinn. Ich wollte zeigen, dass hier alles viel komplizierter ist, dass Pussy Riot auch viele andere Dinge macht."

Im Film kommen die Eltern der jungen Frauen zu Wort, die sich Sorgen um ihre Kinder machen, und auch die Anwälte, von denen man den Eindruck gewinnt, dass sie nicht ihre Mandanten schützen, sondern das Volk zu Protesten aufrufen wollen. Auch christliche Fundamentalisten äußern sich, die in allem und jedem Verschwörungen der dunklen Mächte sehen und den jungen Mädchen den Teufel austreiben wollen. Die ultraliberale Unterstützergruppe, die von dem sehr gut Englisch sprechenden Pjotr Wersilow, dem Ehemann von Nadeschda Tolokonnikowa, angeführt wird, kommt ebenfalls zu Wort.

 

Ein Angriff auf das Putin-Regime?

Die Regisseure Posdorowkin und Mike Lerner lösen die Geschichte der Punk-Band auf und wir erkennen, dass der eigentliche Auftritt gar keine besondere Botschaft an die Welt schickte. Für die entsprechende Resonanz hatten allein Staat und Gesellschaft gesorgt. Wenn es die Verhaftungen und die Skandale rund um das Gerichtsverfahren nicht gegeben hätte, das Lied im Gotteshaus wäre schon nach einem Monat vergessen gewesen.

Die Regisseure des Films beurteilen die Ziele der Dokumentation sehr unterschiedlich. Der britische Co-Regisseur Mike Lerner sagt, der Film solle

ein Angriff auf das Regime Putins sein: „Die Situation der Band Pussy Riot gibt einen schönen Einblick in die Natur des gegenwärtigen Regimes und Putins Machtmissbrauch in Russland. Leider gibt es viele andere Beispiele dafür, wie der Staat grundlegende Menschenrechte seiner Bürger verletzt hat und wie es damit weitermacht, Intoleranz und Streit im russischen Volk zu streuen, um eigene politische Vorteile davon zu erhalten."

Doch Lerner gesteht, dass das Problem nicht nur bei Russland liege: „Als britischer Bürger gebe ich mich nicht der Illusion hin, dass mein eigener Staat nicht Feind der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit sein kann. Im Gegenteil: durchaus und auch zu oft. Deshalb sieht der Rest der Welt Pussy Riot als ein Gegenstück zur Intoleranz und als Sieger der sozialen Gerechtigkeit."

Podorowkin gibt ein weiteres Ziel an: „Mit unseren Filmen versuchen wir, die Massenmedien zu dekonstruieren. Für mich ist das sehr wichtig. Wenn man politische Filme macht, muss man unbedingt über die Massenmedien berichten, denn sie sind es, die unseren Alltag bestimmen."

 

Die Politik macht sich die Kunst zu eigen

Parallel zum Film über Pussy Riot hatte Posdorowkin zusammen mit dem amerikanischen Regisseur Tony Gerber den Film „The Notorious Mr. Bout" über den Waffenhändler Viktor Bout gedreht, der in den USA zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde. In beiden Filmen treffen Politik und Kunst aufeinander.

Pussy Riot seien nach Meinung Posdorowkins auch nicht in erster Linie Musikerinnen, wie sie im Westen gesehen werden, sondern Konzeptionskünstlerinnen. Doch Künstler seien in diesem Sinne nicht nur

Pussy Riot, sondern auch Viktor Bout. „Viktor erzählte, dass er Dokumentarfilmer werden wollte und davon träumte, Filme im Stil von National Geographic zu drehen. Tatsächlich produzierte er sehr interessante Videos. Und so besteht mein Film zu ungefähr 80 Prozent aus Videomaterialien, die Viktor Bout über sich selbst gedreht hatte. Die Geschichte seiner Festnahme baut auf diesem Material auf."

Auf die Frage, warum er einen Film über Pussy Riot drehen wollte, antwortet Posdorowkin: „Weil alle damit Eigenwerbung gemacht haben und ich das Gefühl hatte, dass sie politisch missbraucht wurden. Dieselbe Entwicklung hat es auch bei Viktor Bout gegeben. In unserem Film sagt einer der Charaktere: ‚Es wird immer schwerer und schwerer, etwas über Viktor Bout zu sagen, ohne in einen simplen ideologischen Zweikampf zweier Länder abzurutschen: Mal ist er ein Bösewicht, mal ein Mensch, den man einfach betrogen hat.' Ich bin nicht mit der Privatisierung dieses Bereichs einverstanden und mit der Rolle, die dem Staat dabei zukommt."

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