Die Lieblingssportarten der russischen Zaren

Nikolai II beim Radfahren. Foto: Kulturministerium Russlands

Nikolai II beim Radfahren. Foto: Kulturministerium Russlands

Ob Schachturniere mit ihren Kindern, Billardspiele mit ausländischen Offizieren, Fahrradtouren durch die Säle des Winterpalais oder ausgedehnte Tennisspiele – Russlands königliche Familie hatte eine wahre Leidenschaft für Sport.

Was kann man über ein Land sagen, dessen Staatsoberhaupt den Schwarzen Gürtel in Judo trägt? Wladimir Putin wird in der Öffentlichkeit als starker, wettbewerbsorientierter Mann präsentiert, und man kann sagen, dass sein Lieblingssport sein politisches und mediales Image perfekt ergänzt. Russlands Zaren hingegen legten wenig Wert auf ihre öffentliche Wahrnehmung, da sie ihr Volk ohnehin nur selten zu Gesicht bekamen. Dennoch gab es unter ihnen Zaren, die eine große Leidenschaft für Wettkämpfe, Fitness und Spaß hatten.

 

Das letzte Schachspiel von Iwan dem Schrecklichen

Vor der Zeit Peters des Großen wurde eine sportliche Statur nicht als Tugend erachtet. Im 17. Jahrhundert war es sogar üblich, dass jeder Edelmann, und so auch der Zar, etwas Übergewicht hatte, womit man materiellen Überfluss und Reichtum signalisierte. Der wohl einzige Sport, den russische Herrscher damals betrieben, war Schach – das Lieblingsspiel von Russlands erstem Zaren, Iwan dem Schrecklichen.

Jerome Horsey, ein englischer Diplomat, beobachtete das letzte Schachspiel von Iwan IV. An jenem Abend, an dem der Zar verstarb, spielte er in seinem Bett mit einem seiner Bojaren Schach. Er schaffte es, vor Spielbeginn alle seine Schachfiguren auf das Spielfeld zu setzen – bis auf die Figur des Königs. Diese konnte er nicht richtig aufstellen und benötigte dafür die Hilfe von einem seiner Diener. Einige Minuten danach fiel der Zar in Ohnmacht und verstarb inmitten seines letzten Schachspiels.

Foto: Archivbild

Schach war auch zur Zeit der frühen Romanow-Regentschaft ein äußerst populärer Sport. Zar Alexei, der Vater von Peter dem Großen, ließ sich zahlreiche, wunderschöne, von Hand gefertigte Schachspiele aus dem Ausland bringen und lehrte seinem Sohn die Kunst des Schachspielens schon in dessen Jugend. Peter der Große war es dann, der Sport zur Unterhaltung und zur physischen Ertüchtigung endgültig in die russische Zarenfamilie einführte.

 

Peter der Große – Russlands erster Billardspieler

Peter der Große kannte die europäische Lebensweise bereits seit seiner Jugend, da er oft im Deutschen Viertel von Moskau unterwegs war. In deutschen Tavernen hatte Peter I. auch gelernt, Druck-Tafel zu spielen, eine Mischung aus Pool und Bowling. Später, als Peter der Große in den Niederlanden war, erhielt er vom König der Niederlande einen Billardtisch als Geschenk. Diesen ließ Peter I. dann in seinem Wartezimmer aufstellen, um so seinen Gästen einen Zeitvertreib bieten zu können, während sie auf ihre Audienz warteten. Viele Adelige folgten Peters Beispiel und begannen ebenfalls, Billard zu spielen. Im Jahre 1718 erreichte die Billard-Manie dann ihren Höhepunkt: Der Zar erließ ein Dekret, das Billard als verpflichtendes Spiel bei Abendveranstaltungen des Adels einführte und das Kartenspielen damit restlos verbat.

Foto: Archivbild

Peters Tochter Elisabeth, die Russland für 20 Jahre regierte, war sehr bedacht auf ihr Äußeres. Sie betrieb die Sportarten Rudern und Reiten, um sich jung und fit zu halten. Ihre Nachfolgerin Katharina die Große war ebenso eine Reiterin, doch es sollte erst ihr Enkel Nikolai I. sein, der sich zu einem wahren Athleten entwickelte.

 

Zaren auf dem Fahrrad

Kaiser Nikolai I., der etwa 1,88 Meter groß und außergewöhnlich stark war, nahm gerne an ritterlichen Wettkämpfen teil, die wie mittelalterliche Turniere veranstaltet wurden. Während dieser Turniere trug er eine Rüstung, die so schwer war, dass der Kaiser einmal sogar Nasenbluten

bekam, da sein Blutdruck infolge des Gewichts und der starken körperlichen Anspannung zu sehr angestiegen war. Doch Nikolai verstand die Bedeutung von Sport für Jugendliche, sodass er an der Küste, auf seinem Anwesen Schloss Peterhof, Gymnastiktrainings für seine Kinder veranstalten ließ.

Der älteste Sohn und Nachfolger des Kaisers, Alexander II., der sein erstes Fahrrad 1867 in Paris bekam, war so auch der Erste in der Königsfamilie, der sich dem Radsport widmete. Für den damals fünfzigjährigen Kaiser war das Rad lediglich ein Spielzeug, doch seine jungen Söhne Sergei und Pawel waren vom Radsport begeistert: Sie fuhren ihre Räder sogar im Winter – durch die Säle des Winterpalais. Ihre Fahrräder hatten zu dieser Zeit feste Reifen aus Gummi, die sehr viel Lärm machten. Doch wenn die jungen Prinzen spielten, wagte es niemand, sie zu tadeln. Gegen Ende des Jahrhunderts besaß dann fast jedes Mitglied der königlichen Familie ein Fahrrad, sodass für sie Fahrradfahren über längere Strecken zu einem beliebten Zeitvertreib wurde.

Kaiser Alexander III. besaß ebenfalls ein Fahrrad, doch aufgrund seiner großen Statur und seiner Unbeweglichkeit bevorzugte er eine entspanntere und eher statische Sportart: Fischen. Als der Kaiser einmal auf seinem Landsitz fischte, bekam er „störenden" Besuch vom damaligen Außenminister Nikolai de Giers bezüglich einer Sitzung, bei der es um Angelegenheiten hinsichtlich Europas ging. Alexander soll ihn mit folgenden Worten abgewiesen haben: „Europa kann warten, wenn der russische Zar fischt!"

Der letzte Kaiser Russlands, Nikolai II., war der eifrigste Sportler von allen russischen Zaren. Denn er begann bereits in sehr jungen Jahren, Fahrrad zu fahren. Wie seinen Aufzeichnungen zu entnehmen ist, war er auch sehr

oft mit der Reparatur seiner Fahrräder beschäftigt. Doch die wahre Leidenschaft des letzten Zaren war eine andere Sportart: Rasentennis. Erste Bekanntschaft mit der noblen Sportart machte der Zar in den 1890ern im Rahmen seiner Staatsbesuche in England. Bald danach begann er damit, auch selbst jeden Tag Tennis zu spielen. Dafür ließ der Zar fünf Tenniscourts auf seinen Anwesen errichten, sodass sich die Lieblingssportart des Zaren bald zu einer beliebten Sportart unter den Adligen entwickelte.

Einer der bekanntesten Tennispartner des Kaisers war Felix Jusupow, der später als einer der Mörder Rasputins bekannt wurde. Jusupow hatte das Tennisspielen in Oxford gelernt. Darüber hinaus war sein älterer Bruder einer der besten Tennisspieler Russlands, weshalb auch Jusupow wesentlich besser spielen konnte als Kaiser Nikolai. Mit seiner Überlegenheit ging Felix jedoch sehr geschickt um: Er verlor einige Male gegen den Zaren mit Absicht, was Nikolai überaus erfreute und Jusupow in weiterer Folge eine Ehe mit der Nichte des Zaren bescherte.

In den letzten Jahren als Kaiser spielte Nikolai immer noch Tennis und fuhr Fahrrad – dies diente ihm vielleicht damals als Ausgleich für den auf ihm lastenden Druck. So war die letzte Rechnung, die er an einen Fahrradmechaniker bezahlte, auf den 10. Mai 1917 datiert, und seine letzten Tennisspiele fanden ebenfalls noch im Mai statt. Auch nach seinem Abdanken blieb Nikolai, der nun keinen Zarentitel mehr hatte, ein leidenschaftlicher Sportler.

Wer mehr über die sportlichen Hobbys der Romanows erfahren möchte, der kann noch bis zum 23. März 2014 in Sotschi eine diesem Thema gewidmete Ausstellung besuchen. Zu bestaunen sind dabei 300 einzigartige Sportrequisiten aus dem Staatlichen Museum Peterhof, darunter der Pferdesattel von Katharina der Großen, der Kelch, den Nikolai I. bei seinen Ritterturnieren benutzte, das erste Fahrrad von Alexander II. und vieles mehr.

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