Hax’n mit Wodka: Speisen wie ein Deutscher in Moskau

Das „Paulaner Brauhaus“ in Moskau will den Russen „das wiedergeben, was sie aus  ihrem Deutschlandurlaub kennen“. Foto: Pressebild

Das „Paulaner Brauhaus“ in Moskau will den Russen „das wiedergeben, was sie aus ihrem Deutschlandurlaub kennen“. Foto: Pressebild

Deutsch essen in Moskau? Im „Schwein“ oder im „Frau Schnapsbier“? RBTH hat sich kulinarisch-investigativ betätigt und verrät, wo es die echte deutsche Küche gibt.

Moskau, so scheint es, ist kulinarisch fest in deutscher Hand. Brauhäuser und deutsche Restaurants finden sich an jeder zweiten Straßenecke. Bavarius, Bierstraße oder Schwarzwald: Ganze Ketten deutscher Gastronomiebe-
triebe durchziehen die russische Hauptstadt. Besonders viele davon befinden sich in der Nähe des einstigen deutschen Viertels „Nemezkaja Sloboda“ im Osten. 

 Stadthistoriker nennen das Phänomen halb scherzhaft „geografisches Gedächtnis“. Denn im 
17. Jahrhundert war das Viertel als Zentrum des Moskauer Nachtlebens bekannt, und selbst der junge Zar Peter der Große soll hier mit den Moskauer Deutschen und Holländern das eine oder andere Bier zu viel getrunken haben. Findige Gastronomen wollen nun am Mythos teilhaben und nennen ihre Lokale „Der Alte Müller“ oder „Schwein“. 

 

Prosit im „Hände Hoch“

Einen kleinen Haken hat die Sache allerdings: Mit deutscher Küche haben die meisten Restaurants bis auf ihren Namen und die obligatorische Schweinshaxe wenig zu tun. Auch die allgegenwärtigen „Würstchen“ erinnern nur entfernt an das deutsche Original. Manche Lokalnamen wie „Frau Schnapsbier“ oder „Hände Hoch“ dürften bei deutschsprachigen Gästen eher ein Lächeln alsHeimatgefühle hervorrufen.

Wer nach authentisch deutscher Küche sucht, muss Detektiv spielen. Am

südwestlichen Stadtrand liegt das „Deutsche Eck“, eine Art Dorfgaststätte inmitten der Metropole, überragt von den Wohnblocks der Moskauer Außenbezirke. Das zweistöckige weiße Haus im Fachwerkstil strahlt mit seinen grünen Fensterläden Land-idylle pur aus. „Wir sind eine typische Gaststätte, wie man sie auch aus Deutschland kennt. Unten Wirtsstube, oben Gästezimmer“, erzählt Bernd Friedebold, Inhaber des „Deutschen Ecks“. Und damit es noch typischer wird, hat Friedebold augenzwinkernd Gartenzwerge vor den Eingang gesetzt.

Für die Küche ist seine Frau Rodica zuständig. Sie stammt aus Moldawien, die Hausmannskost hat sie von Friedebolds Mutter gelernt. Auf der Speisekarte stehen Badische Kartoffelsuppe, Thüringer Rostbratwurst, Königsberger Klopse und Schwäbische Maultaschen. „Unser Lokal befindet sich im Wohnviertel der Deutschen Botschaft. Deshalb haben wir viele deutsche Gäste. Mittlerweilekommen aber auch immer mehr Russen zu uns“, sagt Friedebold. In den meisten Restaurantführern taucht das „Deutsche Eck“ nicht auf. Die Besitzer vertrauen voll und ganz auf ihre Stamm- und Geschäftskunden. 

Ganz anders dagegen das „Paulaner Brauhaus“, das bald sein ein-
jähriges Jubiläum feiert. Das Restaurant unweit des Paweletskij-Bahnhofs liegt in einem Moskauer „Hotspot“ mit vielen Büros und internationalen Hotels. Es gehört einer Tochterfirma der Münchner Brauerei. „Wir wollten hier kein verstaubtes altes Brauhaus, sondern etwas Modernes und gleichzeitig Authentisches“, erklärt Uwe Lindner. 

Dem international erfahrenen Restaurantmanager entgeht keine schmutzige Theke und keine verwelkte Blume in dem Lokal, das Platz für 600 Gäste bietet. „Unser Haus sieht innen so aus wie die Paulaner-Gaststätten in der ganzen Welt, ob in China oder in München“, erklärt Lindner. Besonders stolz ist er auf die Brauerei. Direkt hinter der Bar glänzen die Kupferkessel, in einer anderen Ecke liegthinter Glasscheiben der Gärkeller. Der Gast kann sehen, wo sein Weißbier herkommt. Gebraut wird nach dem Reinheitsgebot von 1516, Braumeister ist der Deutsche Rafael Czapla. Auch Hopfen und Malz kommen aus der Bundesrepublik. 

Chefkoch Maxim Ryzhkow dagegen ist Russe. In einem „Paulaner“ in St. Petersburg hat er sein Handwerk bei deutschen Köchen gelernt. „Unser Ziel ist es, das wiederzugeben, was unsere Gäste aus ihrem Deutschlandurlaub kennen. Die deutsche Küche ist ziemlich einfach, trotzdem ist es extrem wichtig, dass alle Zutaten stimmen“, erklärt Ryzhkow.


Süßer Senf aus Bayern

Wladimir Putin und Tony Blair speisen im „Piwnuschka“. Foto: RIA-Nowosti

Damit das gelingt, werden Lebensmittel wie süßer Senf aus Bayern importiert. Die Würste dagegen werden nach hauseigenem Rezept von Fleischern in Russland hergestellt. „Am Anfang war es schwierig, die passenden Lieferanten zu finden. Es ist gar nicht so einfach, Schweinshaxen in Russland zu bekommen, die alle gleich groß sind und dieselbe gute Qualität aufweisen. Aber nun haben wir unsere festen Bezugsquellen“, erzählt der Chefkoch. 

Wer es intimer mag, allerdings für eine Bratwurst nicht bis an den Stadtrand fahren will, ist im „Piwnuschka“ am Leninskij Prospekt bestens

aufgehoben. Der Lokalname bedeutet frei übersetzt „Bierstüberl“, und so sieht es hinter der massiven Holztür auch aus. Dunkle Holzbalken und weiß verputzte Wände ohne die sonst obligatorische Deutschlanddekoration verleihen dem Restaurant seinen ganz eigenen Charme. 

Besonders beliebt ist das „Piwnuschka“ wegen seiner großen Auswahl an Bier, die von Augustiner über Erdinger bis Bitburger und Weihenstephaner reicht. Auf der Karte finden sich neben den deutschen Spezialitäten auch typische Moskauer Gerichte, etwa Blini mit Kaviar. Das Lokal ist übrigens eines der ältesten Neugründungen in Moskau – es existiert seit 1994. Auch der deutschlanderfahrene Wladimir Putin war schon zu Gast. Im Jahr 2000 saß er hier mit Tony Blair bis ein Uhr nachts bei Spanferkel, hellem Bier – und Wodka.

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