Shoppingparadies Deutschland: Russen im Kaufrausch

Deutschland ist ein beliebtes Ziel für kauffreudige Russen. Foto: Getty Images

Deutschland ist ein beliebtes Ziel für kauffreudige Russen. Foto: Getty Images

Niedrigere Preise als in der Heimat und eine große Auswahl an qualitativ hochwertigen Waren lassen das Geld auf der Reise nach Deutschland bei vielen Russen locker sitzen. Shopping-Begleiterin Nina Stowasser aus München hat sich auf die russische Kundschaft eingestellt.

Beim Shopping verbindet die Deutsch-Russin Nina Stowasser das Angenehme mit dem Nützlichen. Vor fünf Jahren gründete sie zusammen mit ihrer Schwester die Agentur Kultur-Shopping. Seitdem bieten die beiden Einkaufsbegleitung für russische Touristen an.

 

Shoppingparadies München

München erwies sich als idealer Standort für diese Geschäftsidee: „München ist beliebt bei russischen Touristen. Außerdem kommen viele Geschäftsreisende nach Bayern", sagt Stowasser. Und sie alle nutzen ihren Aufenthalt, um in der bayerischen Landeshauptstadt Mode, Schmuck oder Parfüm zu kaufen. Dabei geben die russischen Kunden schon mal mehrere tausend Euro aus, sagt Stowasser.

Doch selbst in einer der teuersten Städte Deutschlands mit einem entsprechenden Angebot an hochpreisigen Geschäften sind die Preise noch um 50 Prozent niedriger als in Moskau. Auch wohlhabende Russen seien nicht mehr bereit, für Luxus jeden Preis zu zahlen, weiß Nina Stowasser: „Das Klischee des neureichen Russen, der wahllos bekannte Luxusmarken kauft, stimmt schon längst nicht mehr." Das Kaufverhalten der Russen habe sich geändert. „Die Russen müssen niemandem mehr etwas beweisen, sie legen inzwischen mehr Wert auf Qualität als auf Markenimage", sagt die Shoppingexpertin. Lokale Designer mit qualitativ hochwertiger Mode, gerne auch in größeren Konfektionsgrößen, seien bei ihren Kunden sehr gefragt. Solche Angebote gebe es in Boutiquen in Moskau und Sankt Petersburg noch nicht.

München belegt Platz eins, wenn es um die Beliebtheit als Einkaufsstadt geht. Einer Untersuchung der Marketingagentur Global Blue zufolge

entfallen fast ein Drittel der Einkäufe, die russische Reisende in Deutschland tätigen, auf München. Knapp dahinter folgt Berlin. München und Berlin gehören mit zu den beliebtesten europäischen Einkaufsstädten für Touristen aus Russland. Das meiste Geld wird aber immer noch in Mailand und London ausgegeben. In Deutschland geben die Russen im Schnitt etwa 350 Euro pro Einkauf aus, bei Uhren und Schmuck im Durchschnitt über 1 000 Euro. Im Vergleich dazu stehen zum Beispiel bei Käufern aus der Schweiz laut Studie nur etwa 120 Euro auf dem Kassenzettel.

Auf Schweizer Kunden entfielen dann im ersten Quartal des Jahres auch nur etwa sieben Prozent der Einkäufe über das Tax-Free-System, also Einkäufe, die von Kunden mit Wohnsitz außerhalb der EU getätigt werden. Die Chinesen stellen mit 28 Prozent die zweitgrößte Kundengruppe. Auf dem ersten Platz liegen inzwischen mit 29 Prozent die Russen.

In den Boutiquen an der luxuriösen Maximilianstraße in München oder im Berliner Edelkaufhaus Galeries Lafayette hat man sich auf die neue Kundschaft längst eingestellt. Russischsprachige Verkäufer sind Alltag, ähnlich wie etwa in Baden-Baden, wo in Pelzläden oder Juweliergeschäften russischsprachige Hinweisschilder gezielt um die russische Kundschaft werben.

Doch auch andere Städte wollen zunehmend am Geschäft mit den Russen verdienen, zumal sich die Zahl der Touristen aus dem Osten in den vergangenen zehn Jahren von knapp 300 000 auf über eine Million mehr als verdreifacht hat. Zu den klassischen Zielen, allerdings mit großem Abstand zu München und Berlin gehören auch Frankfurt am Main und

Düsseldorf mit je etwa 100 000 russischen Gästen pro Jahr. Die Düsseldorfer Tourismusmanager setzen dabei vor allem auf ihre beiden Luxusmeilen Königsallee und Schadowstraße.

Auch Dresden orientiert sich in Richtung Osten, wenn es um neue Käuferschichten geht. So schickt etwa die Dresdner Einkaufspassage Altmarkt-Galerie in der Weihnachtszeit Hostessen an den örtlichen Flughafen, um den russischen Besuchern den Weg in die Shoppingmeile zu weisen. Laut Centermanagerin Nadine Strauß sind 20 bis 40 Prozent der Kunden in den hochwertigen Geschäften der Passage zur Weihnachtszeit Russen. Auch das Citymarketing bemüht sich um Kunden aus Russland und hat rund 50 000 Exemplare eines russischsprachigen Shopping-Handbuchs drucken lassen, das in Hotels und am Flughafen ausliegen soll.

 

Konkurrenz durch Internethandel

Wer nicht reisen will oder kann, nutzt in Russland zunehmend das Internet, um europäische Mode zu kaufen. Der Internethandel hat in den vergangenen Jahren einen rasanten Aufschwung genommen. Onlineshops wie „Computeruniverse" für Technik oder „Dress-for-Less" für Markenbekleidung haben sich eigens russischsprachige Internetseiten zugelegt. Auch in den sozialen Netzwerken wie dem russischen Facebook-Pendant VKontakte haben sich unzählige Gruppen gebildet, in denen Mode aus deutschen Geschäften und Onlineshops ohne weltweite Liefermöglichkeit zu günstigen Preisen angeboten wird. Diese Anbieter profitieren davon, dass bei Bestellungen im Internet Waren im Wert von bis zu 1 000 Euro von der deutschen Mehrwertsteuer und russischen Importgebühren befreit sind.

Das führt zu einem regen Pakethandel zwischen Deutschland und Russland mit der Folge, das im vergangenen Jahr das Zollterminal am Moskauer Flughafen Scheremetjewo völlig überlastet war. Seitdem regten verschiedene Behörden wiederholt an, den Internethandel zu begrenzen. Erst kürzlich schlug das Finanzministerium vor, den zollfreien Import auf 150 Euro im Monat zu begrenzen.

Neben dem schwächelnden Rubel dürfte das die Kauflust im Internet

mächtig drosseln. Auch der reale Handel bekam im ersten Quartal 2014 die Entwertung der russischen Währung zu spüren. Laut Global Blue sorgten in den ersten Monaten des Jahres zudem die aktuellen Ereignisse in der Ukraine für einen Rückgang der Reisetätigkeit von Ukrainern und Russen und einen leichten Umsatzrückgang durch russische Touristen. Eine Prognose wollen die Experten allerdings noch nicht geben.

Die Shoppingexpertin Nina Stowasser hat jedenfalls von einem Abflauen der Nachfrage noch nichts gemerkt und hofft darauf, dass ihre Kunden nicht wegen eventueller Sanktionen fernbleiben: „Wir haben schon einige Krisen überlebt und werden auch diese meistern", sagt sie optimistisch.

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