Wie ein Russe den Fernseher erfunden hat

In hohem Alter sprach Vladimir Zworykin über sein Kind, das Fernsehen, mit Verbitterung: „Ich habe ein Monster erschaffen, das der Gehirnwäsche der gesamten Menschheit dient". Foto: AP

In hohem Alter sprach Vladimir Zworykin über sein Kind, das Fernsehen, mit Verbitterung: „Ich habe ein Monster erschaffen, das der Gehirnwäsche der gesamten Menschheit dient". Foto: AP

Der große russisch-amerikanische Erfinder Vladimir Zworykin wird „Vater des Fernsehens“ genannt. RBTH hat Erinnerungen seiner Kollegen und Freunde gesammelt, um die Geschichte eines Mannes zu erzählen, der den Grundstein für das moderne Fernseh-Zeitalter gelegt hat.

Vladimir Zworykin wurde vor 125 Jahren am 29. Juli 1889 in der Stadt Murom, 300 Kilometer östlich von Moskau geboren, der Heimat des russischen Sagenhelden Ilja Muromez. Das Leben des großartigen Wissenschaftlers erinnert gleichfalls an eine Legende: Zworykin erlebte zwei Revolutionen, zwei Weltkriege, unternahm eine Weltreise und entwickelte mehr als 20 Erfindungen, von denen eine der Fernseher wurde.

 

Vom Kaufmann zum Offizier

In die Fußstapfen des Vaters, eines Kaufmanns, wollte keiner der Söhne treten. Wie auch seine älteren Brüder beschloss Zworykin, sich der Wissenschaft zu widmen. 1906 begann Zworykin sein Studium an der Petersburger Technischen Universität, wo er Professor Boris Lwowitsch Rosing begegnete, dem Verfasser der ersten Arbeiten über die elektronische Übermittlung von Bildern. Damit stand die zukünftige wissenschaftliche Richtung des jungen Studenten fest.

1912 wurde Hochschulabsolvent Zworykin, der sich zu einem Studienaufenthalt in Deutschland aufhielt, als Offizier in die zaristische Armee einberufen. Russland trat später in den Ersten Weltkrieg ein. Im Verlauf von eineinhalb Jahren diente Zworykin bei der Fernmeldetruppe an der Front. Danach begann die Februarrevolution, Zworykins Vater starb. Das Haus der Familie, in dem er geboren und aufgewachsen war, wurde enteignet. In dieser neu entstandenen Situation konnte natürlich von keiner wissenschaftlichen Tätigkeit die Rede sein.

„Es war klar", schrieb Zworykin, „dass man in nächster Zukunft die Rückkehr zu normalen Umständen nicht erhoffen konnte, insbesondere, was die wissenschaftliche Arbeit betraf. Ich wollte nicht am Bürgerkrieg beteiligt sein. Vielmehr war es mein Traum, in einem Labor zu arbeiten, um meine Ideen umzusetzen, die ich ausbrütete. Ich kam zu dem Schluss, dass ich für eine entsprechende Betätigung in ein anderes Land ausreisen musste, und da erschien mir Amerika als geeignet."

Die Ausreise in die USA wurde zu einem weiteren Abenteuer in Zworykins Biografie. Dem Wissenschaftler wurde zunächst angeboten, sich mit der Organisation eines Funkverkehrs für die Übergangsregierung in Omsk im Norden seines Heimatlandes zu befassen. Ein paar Monate lang war Zworykin in verschiedenen Zügen und Dampfern und sogar auf einem Eisbrecher unterwegs und erreichte mit Mühe sein Ziel. Aus Omsk schickte man ihn via Europa und den Atlantik in die USA zur Beschaffung dringend erforderlicher Ausrüstung für die Radiostation. Nachdem er die Aufgabe erfüllt hatte, kehrte er brav wieder nach Omsk zurück, dieses Mal über Japan und China, und unternahm auf diese Weise eine Weltreise. Als er die dringend gebrauchte Technik abgeliefert hatte, wurde er erneut in die USA geschickt, aber dieses Mal kehrte er nicht mehr nach Russland zurück.

 

Die Geburt des Fernsehens

In Amerika arbeitete Zworykin eine Zeit lang bei der Firma Westinghouse, wo er sich mit der Entwicklung von Prototypen der ersten Fernsehgeräte beschäftigte. Allerdings fand er dort nicht die entsprechende Unterstützung seiner Projekte. Die fand er in einer anderen Person, auch einem russischen Emigranten, der an seine Arbeit glaubte – David Sarnoff,

Präsident der Radio Corporation of America.

„Was braucht man, um Ihre Entwicklung in ein Medium der Fernsehübertragung für ein Massenpublikum umzuwandeln?", fragte Sarnoff Zworykin. „100 000 Dollar und zwei Jahre Arbeit", antwortete der. Die folgenden Ausgaben überstiegen diesen Betrag um ein Dreißigfaches, aber das stand der Sache nicht im Weg. 1931 konstruierte Zworykin die endgültige Version einer Bildaufnahmeröhre – die Ikonoskop-Röhre, die zur Grundlage für das zukünftige elektronische Fernsehsystem wurde. Schon 1932 gingen Fernseher mit Kineskop-Röhre nach der Bauart Zworykins bei der Firma RCA in Produktion, und die Einwohner von New York und einer Umgebung im Radius von bis zu 100 Kilometern wurden die ersten Fernsehzuschauer.

 

Der Mann, der ein Monster schuf

Nachdem er eineinhalb Jahrzehnte in den USA gelebt hatte und sich mit besser assimilierten Emigranten wie Sarnoff vergleichen konnte, verstand

Unter den anderen Arbeiten Zworykins im Bereich der Elektronik befinden sich auch Apparaturen für die Medizin, die Biologie und die Militärbehörden. Sie spielten auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Elektronenmikroskops.

Zworykin, dass er selbst nie ein „hunderprozentiger Amerikaner" werden würde. Den Erinnerungen seines Sekretärs und Freunds Frederick Olessi zufolge sprach Zworykin mit schrecklichem Akzent Englisch, all seine Gewohnheiten und Denkweisen blieben also russisch, und sein Lieblingsthema, das nichts mit Elektronik zu tun hatte, waren seine Erinnerungen an das vorrevolutionäre Russland. Nachdem er aber wieder in die Heimat gereist und mit Landsleuten verkehrt hatte, beschloss Zworykin, in den USA zu bleiben. Dennoch besuchte er die UdSSR noch mehrfach und blieb mit seinen sowjetischen Kollegen im Austausch.

In hohem Alter sprach Zworykin über sein Kind, das Fernsehen, mit Verbitterung: „Ich habe ein Monster erschaffen, das der Gehirnwäsche der gesamten Menschheit dient. Dieses Ungeheuer wird unseren Planten zu einem gleichgeschalteten Denken führen. Ich hätte meinen Kindern niemals erlaubt, sich dem Fernseher auch nur zu nähern." Das beste Teil am Fernseher, so fügte Zworykin hinzu, sei der Ausschalter. Und trotzdem wird Zworykin allem ungeachtet als „Vater des Fernsehens" betrachtet.

Dieser Text wurde verfasst nach den Erinnerungen von Frederick Olessi, Sekretär und Biograf Zworykins, Alexander Magun, Leiter der David-Sarnoff-Bibliothek (USA), Olga Schtscherbinina, Leiterin des Museums der Geschichte des Sankt Petersburger Technischen Instituts.

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