Escape Games in Moskau: Spiel auf Zeit sind voll im Trend

Die Rollenspiele mit Knobelspaß sind ein russischer Exportschlager. Foto: Michail Sinizyn/Rossijskaja Gaseta

Die Rollenspiele mit Knobelspaß sind ein russischer Exportschlager. Foto: Michail Sinizyn/Rossijskaja Gaseta

Escape Games wurden Ende vergangenen Jahres mit einem Schlag sehr populär in Moskau. Vier Spieler müssen in einem Raum viele kleine Rätsel lösen, um den Schlüssel zur Freiheit zu bekommen, und das alles innerhalb einer Stunde. Zurzeit werden diese Live-Knobelspiele auch in anderen Städten Russlands und im Ausland eröffnet. RBTH-Korrespondent Dmitri Romendik traf die Veranstalter.

Escape Games seien voll im Trend in Moskau, hört man überall. Seit Monaten hörte ich aller Orten Leute über diese Spiele reden, beispielsweise über den Veranstalter Klaustrophobie, der eine Gruppe von Menschen in einen Raum einschließt und die sich durch Knobelei und Geschicklichkeit wieder in den Alltag zurückbringen muss. Irgendwann entschloss ich mich, dem Spieldrang nachzugeben, und es selbst einmal auszuprobieren. Es stellte sich heraus, dass es gar nicht so einfach ist, bis man überhaupt zum Spielen kommt. Zuerst braucht man ein Team, bestehend aus vier Hobby-Detektiven, und dann heißt es warten, bis ein freies Zeitfenster da ist. Obwohl es in Moskau viele Spieleanbieter gibt, sind die Wochenenden und die Abendstunden schon auf Wochen im Voraus ausgebucht.

Ich fand drei Mitspieler und wir gingen gemeinsam in den Raum im Souterrain eines Hauses in Moskaus Stadtzentrum. Vor Spielbeginn gab es eine Einweisung der Organisatoren: „Nichts kaputtmachen, Steckdosen nicht auseinandernehmen, Kabel nicht abreißen. Sollte Hilfe gebraucht werden, an der Wand gibt es eine Sprechanlage. Sie haben eine Stunde Zeit, um hier wieder herauszukommen." Danach wurden wir in dem Raum eingesperrt, der übrigens in der Art eines mittelalterlichen Schlosses dekoriert war. Wir gingen fieberhaft an die Lösung der gestellten Denkaufgaben: Geheime Zeichen mussten gefunden, Dinge zusammengefügt und Berechnungen durchgeführt werden, damit wir uns Schritt für Schritt an des Rätsels Lösung herantasten konnten. Wo nur ist der Schlüssel für die Tür versteckt? Schlussendlich waren wir erfolgreich und ich um eine sehr schöne Erfahrung reicher.

 

Detektivarbeit im Kollektiv

Der Mitbegründer und Generaldirektor des Unternehmens Klaustrophobie, Bogdan Krawtsow, brachte die Spielidee nach Russland. „Im Sommer des vergangenen Jahres habe ich mir dieses Format ausgedacht und geprüft, ob es ein solches Veranstaltungsformat schon irgendwo gibt. Es stellte sich heraus, dass das Konzept des Escape Rooms bereits existierte, und zwar in Ungarn. Ich flog nach Budapest, spielte dort und verstand, dass ich das Konzept noch verfeinern kann. Am 21. Dezember 2013 haben wir hier in Moskau dann die erste Quest gestartet", erzählt mir Krawtsow. Bereits ein paar Tage darauf schrieb Artemij Lebedew, einer der bekanntesten Designer Russlands und Blogger, der täglich von Zehntausenden gelesen wird, einen Beitrag über die ersten Quests „Hospital" und „Wohnung": „Ein wunderbarer Zeitvertreib zu viert, obgleich es durchaus auch zu zweit ganz interessant sein könnte. Schade nur, dass wir hier in Moskau nur zwei Räume haben."

„Eine Quest kann man nur einmal in ein und demselben Raum spielen, da es zu aufwendig wäre, die Rätsel zu ändern. Wir hätten gern einen ganzen Apartmentblock mit 50 Wohnungen, da könnten wir einmal jede Woche neue Rätsel lösen", sagt Krawtsow und fügt hinzu: „Das ganze Konzept könnte eine neue Freizeitsparte werden." Erfolg hat sein Konzept jedenfalls – schnell hat der Veranstalter Klaustrophobie mit seinen Spielen an Popularität gewonnen. Alle reden davon, Blogger schreiben darüber und bei den Leuten geht es von Mund zu Mund: „Ihr seid dort noch nicht gewesen? Geht hin! Ihr werdet es nicht bereuen!"

 

Knobelspaß gegen Großstadtlangeweile

Zurzeit soll es allein in Moskau 20 Rätselräume der Reihe Klaustrophobie geben. Aber auch in anderen Städten Russlands werden solche Abenteuerspielplätze für Erwachsene eröffnet: in Sankt Petersburg, Kasan und Nischnij Nowgorod etwa. „Wir arbeiten nach einem Franchisesystem.

Die Leute kaufen eine Lizenz, und wir bringen ihnen bei, wie man neue Quests aufbaut. Dazu tragen wir die Kosten für Werbung und Marketing", erläutert Krawtsow sein Geschäftsmodell. „Allerdings achten wir im Unterschied zu unseren Mitbewerbern darauf, dass die Spieler so tief wie möglich in die jeweilige Realität eintauchen. Wenn die Spieler in einem fiktiven U-Boot sind, müssen sie wieder auftauchen, ehe der Sauerstoff ausgeht. Wenn es eine Polizeiwache ist, dann muss erst die Verbrecherbande dingfest gemacht werden, bevor das Rätsel gelöst wird", erzählt der Unternehmer.

Klaustrophobie hatte sofort allerhand Konkurrenz. Krawtsow zufolge sind aus dieser Idee bereits rund dreißig Firmen entstanden. Wobei es in einigen Städten Konzepte gibt, die noch populärer sind als die Angebote von Klaustrophobie. So gibt es in Kasan ein Projekt, das sich "Vyjti iz komnaty" (zu Deutsch - "Raus aus dem Zimmer") nennt. Verantwortlich für die Umsetzung ist Anna Russ. „Im Mai haben wir den ersten Raum eröffnet, und mit einem Schlag setzte ein unwahrscheinlicher Boom ein", erzählt sie. „Die Quest ‚Der Mann, den es nicht gegeben hat' haben so ziemlich alle namhaften Blogger von Kasan durchgespielt. Sie machen gern Reklame dafür. Hintergrund der Quest ist der Plot eines Psycho-Thrillers: Du folgst den Spuren eines Menschen, den es gar nicht gab, merkst das erst am Ende und hinterfragst dein Handeln. Am Ende kommt es zu deiner Katharsis, zur Läuterung für dich", erzählt Russ.

Kasan hat fast zwei Millionen Einwohner. Wie Russ sagt, planen die Veranstalter für jede Quest eine Laufzeit von einem Jahr: „Wenn wir einen neuen Raum einrichten, überlegen wir gleich, welchem neuen Szenario wir eben diesen Raum im nächsten Jahr widmen werden." In Moskau reißt der Strom an Mitspielern nicht ab: „Es gibt immer mehr Leute, die mitspielen wollen", berichtet Krawtsow, „wir kommen mit der Gestaltung neuer Räume gar nicht nach."

 

Spiel wird Exportschlager

Schließlich kamen Anfragen aus dem Ausland. „In der Regel sind das

Menschen, die nach Moskau gekommen sind, das Spiel gemacht haben und beschließen, selbst solche Quests in ihren Ländern zu veranstalten", erzählt Krawtsow. „Gegenwärtig haben wir 70 Quests in Arbeit, viele davon gibt es bereits im Ausland: in Amsterdam, London, Berlin, Wien, New York, Miami oder Istanbul. Unsere Quests gibt es demnächst auch in Armenien und in der Ukraine, in Belarus und in Kasachstan, und dann noch in weiteren 15 Städten Russlands." Jede Woche erhalte er etwa 500 Briefe mit Kooperationsanfragen aus der ganzen Welt, erzählt der Chef von Klaustrophobie. Den Leuten genüge traditioneller Freizeitspaß eben nicht mehr, sie suchten neue Möglichkeiten für die aktive Erholung. Und ja, dieser Knobelspaß in der Gruppe gehört definitiv zu den attraktivsten.

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