Die Puschkinskije Schtschi sind zum Teil der kulinarischen Marke von Sankt Petersburg geworden. Foto: Alastair Gill
Beim Internationalen Sankt Petersburger Wirtschaftsforum, das vom 18. bis 20. Juni in der Newa-Metropole stattfindet, wird den Teilnehmern Puschkinskije Schtschi serviert werden – eine Kohlsuppe, benannt nach dem großen russischen Poeten, der in Sankt Petersburg lebte, wirkte und ebendort starb. Die städtischen Behörden verfolgten das Vorhaben, eine eigene kulinarische Marke zu etablieren, mit Nachdruck. Die Idee dafür stammt vom Petersburger Komitee für Außenbeziehungen. Ziel war es, die Stadt noch attraktiver für Touristen zu machen. Diese kommen jedes Jahr millionenfach in die Stadt, um die Schlösser, Parkanlagen, Museen und Theater zu besuchen. Kulinarische Besonderheiten im Sinne einer typischen Petersburger Küche hatte die Stadt bisher nicht zu bieten.
Dmitri Melnikow, Geschäftsführer des Solo Sokos Hotels Vasilyevsky, erklärt, die Petersburger Gastronomie habe lange auf eine ausgeklügelte und vielschichtig zusammengesetzten Küche gesetzt. Jetzt gehe der Trend mehr zum Einfachen. „Wir haben heute eine Menge Restaurants, die einfache und allen Russen aus ihrer Kindheit vertraute Gerichte anbieten. Es ist also ein Interesse an der nationalen Küche erwacht, die momentan alte Rezepte und sowjetische Klassiker miteinander verbindet", so Melinikow. Man stelle sich in seinem Hotel auf ausländische wie auch auf russische Gäste ein. „Daher haben wir auf unserer Speiskarte auch einen russischen Teil mit Borschtsch, Pelmeni, Kiewer Kotelett, Bœuf Stroganoff oder Stolitschnyj Salat", zählt er auf. Zu den Petersburger Besonderheiten gehört für Melnikow der Stint, ein regionaler Fisch, der im Frühjahr im Finnischen Meerbusen gefangen wird. Erst im Mai fand auf der Wassiljewski-Insel das 13. Stint-Festival statt.
Sankt Petersburg wurde 1703 gegründet. „Die Petersburger Küche ist relativ jung, wie die Stadt selbst auch", sagt der Historiker und Landeskundler Lew Lurje. „In ihr fließen die finnische und die deutsche Küche sowie regionale Gerichte auf sehr spezielle Weise zusammen", findet er. Und auch die französische Küche habe im 19. Jahrhundert ihre Spuren hinterlassen.
Ein Muss auf der Speiskarte eines jeden Petersburger Restaurants des 19. Jahrhunderts war das Traditionsgericht Sterlet im Sekt. Die Historikerin Julia Demidenko schreibt dazu: „Die Kombination aus Wolga-Sterlet und dem berühmten französischen Schaumwein führte nicht nur zwei sehr unterschiedliche Produkte zusammen, sondern demonstrierte auch den geradezu mythenhaften Luxus, der nur dem glanzvollsten Hof jener Zeit zugänglich war, nämlich dem von Petersburg".
Der Restaurantkritiker Dmitri Grosnyj erzählt, die schillernde Hauptstadt des Russischen Reiches sei vor 200 Jahren ein Mekka für französische Geschäftsleute gewesen. „So hießen dann die trendigen Restaurants jener Zeit Dominique, Dussaut, Borel, Donon oder Legrand." Heute bekommt man Sterlet in Weißwein und Karelischen Zander in Sekt nur noch im Restaurant Palkin.
Grosnyj hat nichts gegen ausländische Einflüsse in der regionalen Küche, er gibt jedoch zu bedenken, dass sich ein echtes kulinarisches Markenzeichen nur auf der Grundlage regionaler Produkte schaffen lasse. „Goldbrasse und Europäischer Goldbarsch können uns dabei nicht helfen", so der Restaurantkritiker. „Wir haben den Stint, um den sich ein eigener Kult und eine Mythologie ranken. Das Problem ist nur, dass der Stint ein saisonaler Fisch und die Saison kurz ist. Der gurkenartige Duft des frisch gefangenen Stints liegt in Sankt Petersburg nur in den Monaten April und Mai in der Luft", bedauert er.
Die Puschkinskije Schtschi, die auf dem Petersburger Wirtschaftsforum auf den Tisch kommen wird, steht ebenfalls für den Trend der Rückbesinnung auf die traditionelle Sankt Petersburger Küche. Zu ihr gehören schließlich die Lieblingsrezepte berühmter Bewohner der nördlichen Metropole.
Was im Hause Alexander Puschkins serviert wurde, ist Aufzeichnungen seiner Zeitgenossen zu entnehmen. Alexandra Smirnova-Rosset, Hofdame beim russischen Zaren, schreibt in ihren Erinnerungen: „Ich war sehr gerne zu Gast bei Puschkin. Zu Mittag gab es Kohlsuppe oder Kräutersuppe mit steifem Ei, Frikadellen mit Spinat oder Sauerampfer und als Dessert eingemachte Stachelbeeren".
Das Petersburger Forum ist jedoch nicht der einzige Ort, an dem die berühmte Kohlsuppe serviert wird. In den Restaurants der Hotels Ambassador und Akyan Hotel sind sie bereits fester Bestandteil der Speisekarte, neben den nicht weniger traditionellen Arina-Rodionowna-Bliny, benannt nach der Kinderfrau des Dichters, die sogar literarisch belegt sind. Die Besonderheit dieser Bliny ist ihre charakteristische zartrosa Farbe, die ihnen ein Schuss Zuckerrübensaft verleiht.
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