„Sonntagsopa“ gegen die Einsamkeit

"Opa Slawa": Die Beschäftigung mit Kindern  macht mir Spaß. Foto: Avito.ru

"Opa Slawa": Die Beschäftigung mit Kindern macht mir Spaß. Foto: Avito.ru

Weil der 67-jährige Wjatscheslaw seine Enkelin nur freitags sieht, arbeitet er die restliche Woche als Großvater für fremde Kinder. Als „Sonntagsopa“ bringt er sie zur Schule oder in Freizeitklubs und versorgt sie mit Kohlsuppe oder Charlotten aus eigener Herstellung.

„Biete Unterricht in Zeichnen, Holzbrandmalerei, Holzschnitzerei, Prägen, Schach, Dame u.a.m. Begleitung bei Kino- oder Theaterbesuchen. Kann kochen: Suppen, Kascha, Buletten, Biskuittorte. 67 Jahre, Akademiker, keine schlechten Gewohnheiten" – diese Anzeige platzierte Wjatscheslaw im Internet. Seinen Familiennamen nennt er nicht, weil er „nicht berühmt werden will".

Er sagt, dass er schon seit etwa einem Jahr als Großvater arbeite. Pro Stunde nehme er 200 Rubel (5 Euro). „Viele meiner Bekannten beklagten immer wieder, dass sie niemanden zum Aufpassen für die Kinder haben, wenn die Eltern bei der Arbeit sind. Irgendwann hab ich dann die Anzeige eines Sonntagspapas gesehen und gedacht: Warum nicht als Sonntagsopa arbeiten?", erzählt Wjatscheslaw. Er versichert, dass er über pädagogische Erfahrung verfüge. Als sein Sohn die Grundschule besuchte, leitete Wjatscheslaw dort einen Arbeitskreis für Holzbrandmalerei und gab Stunden in politischer Bildung.

„Die Beschäftigung mit Kindern und der Umgang mit ihren Eltern machen mir Spaß", sagt er. Im Moment hat der Sonntagsopa zwei Schützlinge: ein Mädchen und einen Jungen, beide sechs Jahre alt. Einmal pro Woche bringt er sie zum Sport- und Tanzunterricht. Die Kinder nennen ihn Opa Slawa.

„Opa Slawa" sagt, dass er bis jetzt nur zwei Anzeigen veröffentlicht habe, weil er nicht zu viele Kunden haben wolle. Diejenigen, die sich für sein Angebot interessieren, lädt er zu sich nach Hause ein. Meistens fragen sie ihn nach seiner Familie und Enkeln aus und danach, ob er schlechte Gewohnheiten habe. Für Wjatscheslaw ist bloß wichtig, dass die Kinder in seinem Viertel wohnen und zwischen vier und zwölf Jahre alt sind. „Das ist mein Lieblingsalter. Die kleineren Kinder schreien immer nach ihrer Mama und mit Jugendlichen findet man schwer eine gemeinsame Sprache."

Seinen Sohn und die vierjährige Enkelin besucht er einmal pro Woche, immer freitags. Der Weg dorthin dauert über eine Stunde. An den restlichen Tagen ist Wjatscheslaw allein. „Meine Frau ist nach einem Hirnschlag gestorben. Drei Jahre lang habe ich sie gepflegt. Dabei habe ich das Kochen gelernt." Opa Slawa sagt, dass er praktisch alles kochen kann, doch seine Kochkünste interessierten die Kunden irgendwie nicht besonders. „Vielleicht wollen sie nicht, dass ich so viel Zeit bei ihnen zu Hause verbringe", nimmt er an.

Wjatscheslaw wohnt am Sokolniki-Park, wo es regelmäßig Tanzveranstaltungen für Ältere gibt. Aber er geht dort nie hin. „Ich lebe eigentlich nicht gern allein. Vielleicht ist es falsch, nicht zum Tanzen zu gehen. Aber einen Menschen wie meine Frau finde ich nie wieder. Außerdem haben es Frauen in diesem Alter nur auf Geld oder eine Wohnung abgesehen", meint er.

Gegen die Einsamkeit kämpft er nicht nur mit seiner Arbeit als Großvater, sondern auch mithilfe des Internets. Besonders gut gefallen ihm Gruppen wie „Umsonst abzugeben". Dabei habe er es nicht nötig, etwas zu tauschen oder herzugeben. Es sei einfach nur interessant, auf diese Weise Leute kennenzulernen und sich dann mit ihnen zu treffen.

 

Dieser Beitrag rschien zuerst bei Moskowskije Nowosti.

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