Paläste im Untergrund: Die Moskauer Metro wird 80 Jahre alt

„Unmöglich", sagten internationale Ingenieure zu den Plänen, in Moskau eine U-Bahn zu bauen. Das konnte die Moskowiter jedoch nicht beeindrucken. Seit 80 Jahren fährt die Metro nun in Moskaus Untergrund und ist vor allem bekannt für ihre prächtigen Stationen. Begleiten Sie uns auf einer Fahrt durch die Geschichte.
Am 15. Mai 1935 nahm die Moskauer Metro Fahrt auf, mit nur einer Linie von der Station Sokolniki bis zum Park kultury. Heute gibt es zwölf Linien und 196 Stationen, sieben weitere sind im Bau. Die Moskauer Metro gilt als eine der schönsten U-Bahnen der Welt. Die Stationen haben den Ruf, unterirdische Prachtbauten zu sein. 44 von ihnen gehören zum Kulturerbe. Ihre Besichtigung ist ein Muss für die Besucher der Hauptstadt. In der Station Sportiwnaja ist der Moskauer Metro ein eigenes Museum gewidmet.

Aller Anfang ist schwer

Die Idee, in Moskau eine U-Bahn zu bauen, gab es schon ab 1875, doch lange Zeit wurde der Plan nicht realisiert. Einer der Gründe dafür war der Einfluss der mächtigen Straßenbahnlobby. 1930 wurde die Idee wieder aufgegriffen, obwohl Ingenieure überzeugt waren, dass die örtlichen Gegebenheiten zu schwierig wären, um in Moskau eine U-Bahn zu bauen.
Erste 2 Linien der Moskauer Metro
Natalja Duschkina, Professorin für Architekturgeschichte und Enkelin von Alexej Duschkin, einer der berühmten U-Bahn-Erbauer, erzählt, dass Ingenieure, die schon in London, Berlin oder Paris am U-Bahn-Bau beteiligt waren, zu Konsultationen nach Moskau eingeladen wurden. Sie erklärten, dass es wegen der extrem ungünstigen geologischen Bedingungen unmöglich sei in Moskau eine U-Bahn zu bauen.

Doch russische Ingenieure, Geologen und Architekten schafften dennoch das Unvorstellbare: Sie bauten eine Stadt unter der Stadt, mit Straßen und Plätzen, so Duschkina.
Testfahrt des ersten Zuges der Moskauer Metro
Iwan Schagin / RIA Novosti
Die ersten Metro-Fahrgäste waren diejenige, die die U-Bahn gebaut hatten
Iwan Schagin / RIA Novosti

Unterirdische Stadtplanung

Anfangs gab es zwei Arten von Stationen. Die einen hatten ein tiefes Fundament und Pylontragwerke, wie die Station Krasnye worota, die unter der Leitung von Iwan Fomin entstand. Bei anderen, die auf stabilerem Grund errichtet wurden, konnte die Halle durch Säulen stabilisiert werden.
Die Station Krasnye worota
Die Station Krasnoselskaja
Alexej Duschkin entwarf mit der Station Majakowskaja die weltweit erste tiefgelegene Station dieser Art. Natalja Duschkina berichtet, dass die von ihrem Großvater entworfenen Stationen Kropotkinskaja, Majakowskaja und Ploschad rewolutsii zum 75. Jubiläum der Metro zu den beliebtesten gekürt worden seien.

Duschkin sei der Begründer der Moskauer Schule des U-Bahn-Baus und hätte die theoretischen Grundlagen für unterirdisches Arbeiten gelegt, vor allem für eine klar ausgeprägte Konstruktionsgrundlage von Metrostationen.

Auch habe er die Bedeutung des Lichts für das architektonische Arrangement unterirdischer Räume hervorgehoben. In der Station Kropotkinskaja kommen versteckte Lichtquellen zum Einsatz. Das Licht ergießt sich sanft in den Raum, wodurch der Eindruck einer Enfilade wie in einem Schloß entsteht.

In der Station Majakowskaja habe Duschkin Nischen in die Gewölbe eingebaut und diese mit Mosaiken geschmückt, erklärt seine Enkelin. Er habe außerdem verschiedene Kunstrichtungen mit neuer Technik kombiniert. Als Erster habe er in der Station Ploschad rewolutsii Bildhauerei und in der Station Majakowskaja klassische Smalte-Mosaiksteine als Gestaltungselemente eingesetzt. Beim Innenausbau habe er auf neue Materialien wie Edelstahl, zum Beispiel in der Station Majakowskaja, gesetzt. Nach dem Krieg seien auch Aluminium und Glasmalerei, wie in der Station Nowoslobodskaja, zum Einsatz gekommen.

Duschkin war 1943 auch einer der Ersten, die in einer U-Bahn-Station Granit verbauten. In der Station Awtozawodskaja wollte er damit die Bedeutung widerstandfähiger Bodenbeläge unterstreichen. Bis dahin bestanden diese vor allem aus Asphalt und Fliesen.

Ausstellungen im Untergrund

Nicht ohne Grund wird die Moskauer Metro mit unterirdischen Schlössern verglichen. Ihre Stationen wurden im Sowjetstil gestaltet und verkündeten eine neue Gesellschaftsordnung. Eines der beeindruckendsten Beispiele dafür ist in der Station Majakowskaja zu sehen.

Die Station Majakowskaja

Das Mosaik für die Station Majakowskaja wurde nach Entwürfen von Alexander Denejka, einem der bedeutendsten sowjetischen Künstler, in einer Manufaktur im damaligen Leningrad aus Smalte-Mosaiksteinen angefertigt, die noch aus vorrevolutionärer Zeit stammten.

„An den Decken der Station hat Denejka die Boten des neuen sowjetischen Zeitalters gezeigt: gigantische Fabriken, junge Frauen auf Mähdreschern, Pioniere, Sportler, Erholung, glückliche Mütter, blühende Gärten, Fallschirme, Flugzeuge", zählt die Kunsthistorikerin und Mitarbeiterin des Staatlichen Instituts für Kunstgeschichte, Tatjana Judkewitsch, auf.

Im Jahr 1939 sei ein Nachbau der Station Majakowskaja für die New Yorker Weltausstellung angefertigt worden; mit einer neuen Decke, auf der Flugzeuge und der Stern auf dem Kreml vor dem Nachthimmel zu sehen waren. Das wurde mit dem Hauptpreis der Weltausstellung belohnt.

Die Station Ploschad Rewolutsii

Ein anderer Blickwinkel bietet sich, wenn man entlang der Bahnsteige spaziert. Die Station Ploschad Rewolutsii gleicht einer Ruhmesallee. An den Pylonen haben die Bildhauer unter der Leitung von Matwei Maniser den sowjetischen Menschen in Bronze verewigt.

Auch hier sind Eltern, Pioniere und Sportler zu sehen, ebenso wie ein Rotarmist, ein Matrose, ein Student, ein Bauer und sogar ein Grenzschützer mit einem Wachhund. Dessen Nase zu reiben soll Glück bringen, sagt Anna Ludina vom Moskauer Stadtmuseum. Wohl deshalb glänzt die Nase des Hundes golden.

Ein paar Schritte weiter ist eine Bäuerin mit Hahn abgebildet. Und obwohl es ein schlechtes Omen sei, diesen zu berühren, glänzt auch er.

Die Metro während des Krieges

Während des Krieges erwies sich die Metro, die nur einmal, am 16. Oktober 1941, dem sogenannten Panik-Tag nach dem Erlass „Über die Evakuierung der Hauptstadt der UdSSR", geschlossen wurde, in der Tat als eine zweite Stadt.
Darin wurden Schutzräume und sogar ein Geburtshaus untergebracht. 217 Kinder kamen dort auf die Welt.

Als die Gefahr der feindlichen Einnahme der Stadt vorüber war, wurde der Bau neuer Stationen wieder aufgenommen. In den Kriegsjahren entstanden sieben, darunter die Stationen Awtozawodskaja, eine elegante, von Säulen getragene Station, die Duschkin für eine seiner besten hielt, und Nowokusnezkaja, entworfen von Iwan Taranow und Nadeschda Bykowa.

In der Station Nowokusnezkaja lohnt sich ein Blick auf die Mosaike in der zentralen Halle, die ebenfalls nach Entwürfen von Denejka entstanden und dem Leben und Arbeiten hinter der Front gewidmet wurden. Die Rolltreppe führt nach oben in die erste Eingangshalle der Moskauer Metro, die in Form einer Rotunde mit einer Kuppel errichtet wurde. Entworfen wurde sie von einem Architektenteam unter der Leitung von Wladimir Gelfreich und Igor Roschin.

Die Station Majakowskaja während des Krieges
RIA Novosti

Fakten und Legenden


Das Stalin-Bunker-Museum, Ismailowo, Moskau
ITAR-TASS
Das Bunker-Museum, die Station Taganskaja, Moskau
ITAR-TASS
Mit der Metro als Sicherheitssystem werden vor allem die Bunker assoziiert und die sogenannte Metro-2, die angeblichen Regierungslinien der Metro. Ihren Namen haben ihr die Autoren der Zeitschrift „Ogonjok" zu Beginn der 1990e-Jahrer verliehen. Die eine soll zum Flughafen Wnukowo führen, die andere zur Stalins Datsche in Kuntsewo.

„Mehr als Gerüchte sind darüber aber nicht bekannt", sagt Ludina. Was die Bunker angehe, so habe es einige gegeben, jedoch seien die meisten geschlossen worden und man wisse darüber nicht viel. In Ismajlowo hingegen gibt es noch einen, der zum Museum umgebaut wurde, das den Namen Stalin-Bunker-Museum trägt.


Text: Darja Kurdjukowa. Redaktur: Dominik Drießen.
Design und Layout: Daria Donina und Ksenia Isaewa.
Foto: ITAR-TASS, RIA Novosti, ageytomesh.ru.

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