Eurasische Wirtschaftsunion braucht ihre Zeit

Bild: Konstantin Maler

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Mit der Unterzeichnung des „Vertrags über die Eurasische Wirtschaftsunion“ knüpfen Russland, Belarus und Kasachstan an die Erfolge der Zollunion an. Ihnen steht ein langwieriger, aber vielversprechender Weg bevor.

Russland hat den nächsten Schritt zur Wirtschaftsintegration im postsowjetischen Raum unternommen. Dazu wurde gemeinsam mit Belarus und Kasachstan der „Vertrag über die Eurasische Wirtschaftsunion" unterzeichnet. Dieser sieht den Abbau von Hürden beim Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie bei der Migration von Arbeitskräften vor. Dazu soll die Politik in diesem Bereich besser untereinander abgestimmt werden.

 

Angleichung der Wirtschaftsentwicklung schafft Synergien

Bereits Mitte 2011 hatten die drei Staaten die Zollunion und ein Jahr später die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet. Im Rahmen der Zollunion wurde ein gemeinsames System der Außenwirtschafts- und Zollregulierung geschaffen. Dem übergeordneten Gremium – der Eurasischen Wirtschaftskommission – wurden die Handlungsvollmachten zur Führung einer gemeinsamen Außenwirtschaftspolitik übergeben.

In den ersten beiden Jahren seit Bestehen der Zollunion konnten die Mitgliedsstaaten einen deutlichen Zuwachs des gemeinsamen Handelsverkehrs verzeichnen. Allerdings geriet dieser Prozess im vergangenen Jahr ins Stocken. Der Grund für das schnelle Verpuffen des Effekts ist die ungleichmäßige Wirtschaftsentwicklung in den einzelnen Mitgliedsstaaten. So durchlebte Belarus 2011 eine schwere Finanzkrise, und im vergangenen Jahr hatte Russland mit einem dramatischen Rückgang des Wachstumstempos zu kämpfen. Ein stabiles Wachstum des Bruttoinlandsprodukts konnte im Zeitraum von 2011 bis 2013 lediglich Kasachstan verzeichnen. Der stellvertretende Direktor des Russischen Instituts für volkswirtschaftliche Prognosen der Russischen Akademie der Wissenschaften, Alexander Schirow, ist deshalb der Meinung, dass der Haupteffekt der Integration bereits aufgebraucht sei und weitere Synergien gegenwärtig nur durch einen Ausgleich der Wirtschaftsentwicklung zwischen den Ländern erzielt werden können.

Es erscheint deshalb konsequent, dass der Vertrag über die Eurasische Wirtschaftsunion eine Koordinierung der makroökonomischen und Devisenpolitik vorsieht sowie Grenzwerte für das Haushaltsdefizit, die Staatsverschuldung und die Inflationsrate festlegt. Die Umsetzung dieser Ziele wird allerdings nicht einfach sein. Das größte Hindernis auf diesem Weg ist die Beibehaltung der Planwirtschaft in Belarus im Gegensatz zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung in Russland und Kasachstan. Auch unterscheidet sich die Herangehensweise bei der Steuerung des Währungskurses. Belarus weist ein Defizit in der Zahlungsbilanz auf, Kasachstan dagegen einen leichten Zahlungsüberschuss. Bei der aktuellen Wirtschaftslage innerhalb der Zollunion kann sich lediglich Russland den Übergang zu einem frei schwankenden Kurs leisten. Einen gemeinsamen Nenner zu finden, ist auch deshalb nicht so einfach, weil der Vertrag über die Eurasische Wirtschaftsunion keine Abstimmung der Kredit- und Geldpolitik vorsieht.

Es sollte zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der außenwirtschaftliche Effekt der Zollunion für Russland in der Vergangenheit als wesentlich geringer erwiesen hat als für seine Partner. Die geltenden

Umverteilungsregelungen für die Einfuhrzölle haben Russland zu einem Geberland der Union werden lassen. Erst im vergangenen Jahr änderte sich diese Situation, als Kasachstan erstmals in der Geschichte der Union Russland mehr Zolleinnahmen überwies als umgekehrt. Hinzu kam, dass das negative Verrechnungssaldo im Handelsverkehr mit Belarus auf ein Drittel seines früheren Werts schrumpfte.

Die üppigen Ausgleichszahlungen für diese Unbequemlichkeiten werden aus den Exportgebühren für die in Belarus aus russischen Rohstoffen hergestellten petrochemischen Produkte finanziert. Unterm Strich betrugen die Summe für vier Jahre 433 Milliarden Rubel (etwa neun Milliarden Euro). Kurz vor der Unterzeichnung des Vertrags über die Eurasische Wirtschaftsunion erklärte Russland sich allerdings einverstanden, Belarus jährlich 50 Milliarden Rubel (rund eine Milliarde Euro) der Ausfuhrzölle für Erdölprodukte zu überlassen. Dadurch wird die Rolle Russlands als Geldgeber der Integration ab 2015 deutlich zunehmen.

 

Optimismus für eine erweiterte Wirtschaftsunion

Zu einem ernsthaften Problem für Russland hat sich die, durch das Fehlen einer Zollkontrolle innerhalb der Zollunionsgrenzen bedingte, illegale Kapitalausfuhr entwickelt. Nach einer Einschätzung der Bank Rossii betrug das Volumen fiktiver Importe nach Belarus und Kasachstan im Zeitraum von 2012 bis 2013 umgerechnet 35 Milliarden Euro. Anfang dieses Jahres wurden die russischen Banken deshalb angewiesen, die Kontrollen bei Außenwirtschaftsgeschäften zu verschärfen. Entsprechende Maßnahmen wollen auch Belarus und Kasachstan ergreifen.

Zu den von Russland bisher noch nicht umgesetzten Zielen gehört der Umstand, dass der russische Rubel seinen Status als Hauptverrechnungsmittel zwischen den Mitgliedsstaaten der Union nicht festigen konnte. Auch wenn das Zahlungsvolumen in russischer Valuta innerhalb der Zollunion einen eindeutigen Anstieg verzeichnen konnte, war sein Anteil an den Verrechnungszahlungen in den Jahren 2010 bis 2012 sehr starken Schwankungen unterworfen und kam dabei nie über 56 Prozent hinaus.

Nichtsdestoweniger kann die Arbeit der Zollunion unterm Strich als ein Erfolg angesehen werden. Die Entwicklung der positiven Effekte auf Grundlage des neuen Abkommens und das Erreichen des geplanten Synergieeffektes in Form eines Zuwachses des gemeinsamen Bruttoinlandsprodukts von etwa 660 Milliarden Euro im Jahr 2030 hängen davon ab, wie schnell die Mitgliedsstaaten ihre Meinungsverschiedenheiten aus den Weg räumen und sich von ihrem nationalen Protektionismus verabschieden können.

Für großen Optimismus sorgt derweil die bevorstehende Erweiterung der Union. Der Direktor des Wirtschaftsinstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Ruslan Grinberg, bemerkt in diesem Zusammenhang,

dass für ein effektives Funktionieren der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft deren Gesamtbevölkerung in etwa 200 bis 250 Millionen Menschen betragen müsse. Die Dokumente der Zollunion und der Eurasischen Wirtschaftsunion, die den Arbeitsmarkt regeln sollen, wurden im Wesentlichen mit Hinblick auf den Beitritt von Staaten mit einem deutlichen Arbeitskräfteüberschuss – insbesondere Tadschikistan, Kirgistan und Armenien – verabschiedet. In den gegenwärtigen Grenzen war der Effekt der Liberalisierung aufgrund des faktischen Fehlens illegaler Migrationsströme absolut unbedeutend. Die Erweiterung der Eurasischen Wirtschaftsunion unter den Bedingungen eines offenen Arbeitsmarktes wird dafür sorgen, dass bis zu einer Million Arbeitsmigranten einen offiziellen Status erhalten können. Dadurch wird sich auch das Lohnniveau weiter angleichen.

Walerij Weisberg ist Direktor der Analyseabteilung der Investmentgesellschaft Region.

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