Bild: Alexej Jorsch
Die durch die Sanktionen verursachte Senkung der iranischen Ölexporte ist in absoluten Zahlen nicht besonders dramatisch. Der Iran verlor aufgrund des Exportverbots und anderer Sanktionen etwa eine Million Barrel pro Tag, verbuchte also Exportverluste in Höhe von etwa 50 Millionen Tonnen. Der Verzicht europäischer Länder auf iranisches Öl war verantwortlich für die Hälfte des Exportrückgangs. Aber auch asiatische Kunden drosselten ihr Importvolumen. Der asiatisch-pazifische Raum ist der wichtigste Absatzmarkt für iranisches Öl: Vor dem Embargo entfielen rund 70 Prozent aller Lieferungen auf diese Region. Heute beträgt der Anteil etwa 95 Prozent. Asiatische Kunden können auf die Importe nicht verzichten trotz ihrer loyalen Haltung gegenüber dem Westen. Die Nachfrage in der Region steigt stetig und zusätzliche Lieferungen aus dem Iran oder Russland sind sehr willkommen.
In Europa sieht die Lage anders aus. Der größte Teil europäischer Ölimporte kommt aus Russland – etwa 250 Millionen Tonnen pro Jahr. Der Iran lieferte vor dem Embargo lediglich 25 Millionen Tonnen jährlich. Die Versorgungslücke, die mit dem Importverzicht iranischen Öls entstand, wurde nicht von Russland, sondern anderen Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens wie Libyen, dem Irak oder Saudi-Arabien aufgefangen. Diese Länder müssen sich nun Gedanken machen, weil sie die kumulative Opec-Quote einhalten müssen. Eine Produktionssteigerung des Irans könnte die Quote gefährden.
Die Förderkosten für iranisches Öl sind mit den russischen vergleichbar, in der Regel liegen sie bei nicht mehr als 20 bis 25 US-Dollar pro Barrel. Russische Ölproduzenten müssen nun aber schwerer erreichbare Ölvorkommen erschließen. Die Kosten werden deshalb auf mindestens 30 US-Dollar pro Barrel steigen. In Zukunft wird die Förderung noch teurer werden. Doch bedrohlicher ist der Irak, der ein gefährlicher Konkurrent werden könnte, da das Land im Vergleich zu anderen Nahoststaaten und dem Iran über ein größeres Potenzial zur Steigerung der Ölfördermenge verfügt.
Als Gaslieferant stellt der Iran derzeit keine große Konkurrenz für Russland dar: Mit Ausnahme geringer Lieferungen von weniger als zehn Milliarden Kubikmeter pro Jahr in die Türkei exportiert der Iran kein Gas. Es gibt Exportprojekte, die aber noch viel Zeit benötigen. Auch deshalb ist die Gasindustrie nicht von den Sanktionen betroffen.
Das Risiko, dass mit der Aufhebung der Sanktionen auch der Ölpreis sinkt, muss aber ernst genommen werden. Erdöl ist noch in großen Mengen verfügbar und auf dem Weltmarkt herrscht ein Überangebot. Nach Einschätzung der Internationalen Atomenergie-Organisation könnte 2015 ein
Überschuss von bis zu 0,5 Millionen Barrel pro Tag entstehen. Gegen Ende des Jahres sollte er aber wieder schrumpfen und eventuell komplett verschwinden. Eine Million Barrel Überschuss pro Tag könnte das Gleichgewicht auf dem Markt gefährden, wenn es nicht durch eine geringere Produktion anderer Opec-Staaten ausgeglichen würde. Mit der Zeit wird der Weltmarkt das Überangebot dank der kontinuierlichen Steigerung des globalen Verbrauchs ausgleichen. Die Rückkehr des iranischen Öls auf den Weltmarkt könnte diese Entwicklung aber um ein Jahr verzögern.
Dabei gibt es einige Branchen der russischen Wirtschaft, die durch eine Aufhebung der Sanktionen profitieren könnten. In erster Linie betrifft das die Handelspartner des Irans: Getreide-, Holz- und Metallexporteure, Exporteure von Anlagen und Maschinen sowie Obst- und Gemüseimporteure. Wirtschaftliche Sanktionen erschweren für sie den Handel und erhöhen die Kosten.
Alexander Kurdin ist Leiter der Abteilung für strategische Analysen im Bereich Energiewirtschaft des Analysezentrums der Regierung der Russischen Föderation.
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