Diplomatie-à-trois: Die heimlichen Machtspiele der Türkei

Bild: Alexej Jorsch

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Russland und die Türkei haben sich in der jüngsten Zeit angenähert. Getrübt wurde die Beziehung nun von Putins Reise nach Armenien, dafür gab es harsche Kritik aus Ankara. Kein Grund zur Sorge, meint der Politologe Wladimir Awatkow: Ein gutes Verhältnis zu Russland ist im ureigenen Interesse der Türkei.

Die russisch-türkischen Beziehungen sind so gut wie nie seit den Zeiten Atatürks. Der Staatsbesuch Wladimir Putins in der Türkei im Dezember vergangenen Jahres wurde zu einem symbolischen Ereignis. Russland signalisierte, dass die Türkei zu den bevorzugten Partnern des Landes gehört. Ein Partner, dem man sogar die Kontrolle über die Gasverteilung anvertrauen würde. Das nutzt der Türkei, es macht sie unabhängiger, gegenüber der Europäischen Union kann sie selbstbewusster auftreten. Es könnte sogar so weit kommen, dass sich nicht die Türkei um eine Aufnahme in die EU bemühen muss, sondern umgekehrt: Brüssel müsste um die Türkei werben.

Im Gegenzug erwartet Moskau von Ankara größere Loyalität. Die Türkei erfüllte diesen Anspruch. Sie beteiligte sich nicht an den Sanktionen gegen Russland und innerhalb der Nato bleibt sie souverän. Eine zentrale Frage in den bilateralen Beziehungen wird der Bau der Gaspipeline „Turkish Stream" spielen. Das ist jedoch nicht das einzige Pipeline-Projekt mit türkischer Beteiligung. Da gibt es zum Beispiel noch die Transanatolische Pipeline (Tanap), an der sich auch der Iran und die Länder Mittelasiens beteiligen könnten.

Gas aus dem Iran könnte zum großen Konkurrenten für die russischen Gaslieferungen auf dem europäischen Markt werden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan reiste kürzlich nach Teheran und erklärte seine Bereitschaft, iranisches Gas einzukaufen, bei entsprechenden Preisnachlässen wohlbemerkt. Gegenüber Russland äußerte er sich ebenso.

 

Die Türkei laviert gekonnt zwischen Ost und West

Jede Seite spielt ihr eigenes Spiel: die Türkei, Europa und auch Russland. In diesem Zusammenhang ist auch der Besuch des griechischen Premiers Alexis Tsipras in Moskau, der zeitlich beinahe mit dem Besuch Erdoğans im Iran zusammenfiel, zu betrachten. Russland demonstrierte, neben der Türkei noch andere Verbündete und potenzielle Partner zu haben. Vor diesem Hintergrund muss auch Putins kürzlich stattgefundene Reise in die armenische Hauptstadt Jerewan gesehen werden. Die Reise stieß auf heftige Kritik in der Türkei. Als Reaktion darauf beschuldigte die Türkei Russland de facto des Völkermordes an den russischen Turkvölkern und den Muslimen in Russland.

Doch man sollte die harten Worte aus Ankara auch nicht überbewerten. Die Türkei bereitet sich aktiv auf die Wahlen vor. Die heftige Rhetorik in Richtung Russland bedient die Nationalisten, die Nachfahren früherer Flüchtlinge aus dem Russischen Kaiserreich und ebenso die hartgesottenen Anhänger des Westens. Tatsächlich aber ist Erdoğan bereit, die Gespräche mit Russland fortzusetzen. Die Türken wollen dem Westen signalisieren, dass sie mit Russland gut können. Parallel dazu zeigen sie Moskau, dass auch mit dem Iran gemeinsame Wege eingeschlagen werden können. Das russisch-türkische Bündnis – ein Bündnis zweier eurasischer Mächte – ist für Europa ein Alptraum. Für die EU ist es von größerem Vorteil, die Türkei aufzunehmen, als sie zu verlieren. Die Türkei laviert also sehr gekonnt zwischen den verschiedenen Machtzentren.

Doch eines Tages wird sie sich entscheiden müssen. Dann wird es darauf ankommen, was Russland anbieten kann. Ein langfristiges

Partnerschaftsprogramm muss her, das nicht nur die Wirtschaft einschließen würde, sondern beispielsweise auch Sicherheitsgarantien für Erdoğan für den Fall einer Interessenkollision mit den USA oder innenpolitischer Spannungen.

Es ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, dass einige Fragen im türkisch-russischen Verhältnis noch ungeklärt sind. Im Syrien-Konflikt werden unterschiedliche Positionen vertreten. Die Positionen in der Krim-Frage könnten unterschiedlicher nicht sein. Diese Unterschiede noch lange zu ignorieren, wird nicht möglich sein.

Wladimir Awatkow ist promovierter Politikwissenschaftler und Direktor des Zentrums für Orientalistik, internationale Beziehungen und öffentliche Diplomatie.

 

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