Die Messenger sind für Geheimdienste, Terroristen und Umstürzler interessant.
Dmitri DiwinDer Markt von Instant-Messaging-Diensten ist noch jung, kann aber schon mit beeindruckenden Zahlen aufwarten – etwa 800 Millionen Nutzer zählt der Messenger Whatsapp, rund 600 Millionen die chinesische Anwendung QQ und 250 Millionen Menschen Viber. In vielen Kommunikations-Apps gibt es beinahe alles: Spiele, Presse, Shops. Sogar Überweisungen können getätigt werden. Messenger sind die neuen sozialen Netzwerke. Es wundert daher nicht, dass sie auch für Geheimdienste, Terroristen und Umstürzler interessant sind.
Als es 2011 in Großbritannien zu rassistisch und sozial motivierten Massenunruhen kam, machte man den Blackberry-Messenger für deren schnelle Ausbreitung verantwortlich. Und Pawel Durow, Gründer des Messengers Telegram sowie des beliebten russischen sozialen Netzwerks VKontakte, wurde vorgeworfen, schuld an einem versuchten Amoklauf an einer australischen Schule und an der Ausbreitung der Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu sein. Denn die Aktionen wurden über Telegram koordiniert.
In die Kritik geriet auch der Messenger FireChat, der selbst ohne aktive mobile Internetverbindung genutzt werden kann, etwa über Bluetooth. Als während der Protestaktionen in Hongkong im vergangenen Jahr der Zugang zum mobilen Internet teilweise eingeschränkt wurde, konnten sich die Demonstranten über FireChat weiter austauschen. Seitdem ist dieser in erster Linie für die alltägliche Kommunikation genutzte Messenger vor allem bei Regierungen von Staaten, in denen Massenproteste drohen, unbeliebt.
Unlängst unterbreitete der britische Premierminister David Cameron gemeinsam mit FBI-Direktor James B. Comey den Vorschlag, im Interesse nebulöser nationaler Sicherheitsziele Messenger zur Deaktivierung der Verschlüsselung zu verpflichten. Bislang blieb es allerdings bei den vollmundigen Ankündigungen, die VKontakte-Chef Pawel Durow übrigens scharf kritisierte.
Das Recht auf sichere Kommunikation kann man den Menschen nicht so einfach nehmen. Im Falle der Messenger müssen die Geheimdienste punktuell vorgehen, eine flächendeckende Überwachung ist nicht realisierbar.
Recht auf sichere Kommunikation
Kritiker der Messenger wälzen die Verantwortung gerne von kurzsichtigen Politikern oder inkompetenten Sicherheitsexperten auf die Entwickler von Kommunikationsmedien ab. Nur sollte man eines verstehen: Messenger bieten keine spezielle Funktion für die bequeme Ausführung von Straftaten, keine Anwendung namens „One-Klick-Revolution“. Die tatsächlichen Beweggründe der Studenten, die in London Schaufenster einschlagen, oder der radikalen Islamisten, die Menschen in ihre Gewalt bringen, werden von diesen Kritikern oft vernachlässigt.
Auch in Russland wird versucht, die Kommunikation in verschlüsselten Chats zu kontrollieren. Der frühere Direktor des russischen Geheimdienstes FSB und heutige Sekretär des Sicherheitsrats der Russischen Föderation, Nikolai Patruschew, erklärte noch im August, russische Beamte sollten keine massenhaft genutzten Messenger für dienstliche Nachrichten nutzen. Warum? Aus Angst vor Spionen und Auslandsgeheimdiensten. Dass bei der Verwendung solcher Dienste durch Beamte deren öffentliche Kontrolle unmöglich ist, gerät dabei in Vergessenheit.
Russische Beamte haben allerdings noch keinen Grund zur Sorge. Erstens gibt es keine Alternative in Form einer staatlich gebilligten Kommunikationsplattform. Zweitens ist eine Trennung von dienstlichen Nachrichten und informeller Kommunikation im Falle der Messenger ohnehin kaum zu bewerkstelligen. Denn auch föderale Minister, Mitarbeiter der Präsidentenadministration und andere hohe Beamten nutzen Telegram.
Die Initiative beunruhigt in erster Linie auch die durchschnittlichen russischen Nutzer, die befürchten, sie könnte sich auch auf sie auswirken. Die von den Geschichten Edward Snowdens, von Bespitzelung und Cyber-Bedrohungen aufgeschreckten Nutzer wünschen sich eine zuverlässige und sichere Kommunikation. Das Kalkül des Staates, die offenen Fragen der Messenger-Anwendungen ließen sich auf technischem und nicht auf politischem Wege lösen, ist illusionär. Unsere Kommunikation lässt sich nicht kontrollieren. Basta.
Anton Merkurow ist Internet-Experte und Sprecher von Open Garden, dem Entwickler des Messengers FireChat.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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