Der Tausch Nadeschda Sawtschenkos gegen zwei ehemalige russische Militärs hat bei den imperial-patriotisch gesinnten Russen für Empörung gesorgt. Wer aber einen kühlen Kopf behält, sieht: Für Russland bringt die Freilassung wesentlich mehr Vor- als Nachteile.
Erstens: Der ukrainischen Öffentlichkeit sowie dem Westen war der Fall Sawtschenko immer ein Dorn im Auge. Mit ihrer Freilassung wird dieser Störfaktor, und damit der Anlass für ständige Kritik an Russland, aus dem Weg geräumt. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates, das Europäische Parlament und andere internationale Institutionen müssen keine Resolutionen zur entschiedenen Verurteilung Russlands mehr erlassen.
Zweitens: Zwei Männer kehren nach Hause zurück, die die Ukraine als Angehörige des russischen Militärs bezeichnete. Moskau dementierte. Russischen Gesetzen nach haben Alexander Alexandrow und Jewgeni Jerofeew kein Verbrechen begangen. Daher manifestierte sich lange Zeit das Gefühl, Russland habe zwei seiner Staatsbürger im Stich gelassen. Dieses Gefühl kann nun beiseitegelegt werden.
Drittens: Nadeschda Sawtschenko ist nicht länger ein russisches Problem. Und es ist durchaus denkbar, dass sie zu einem ukrainischen Problem wird. Für einige Wochen, vielleicht sogar Monate, wird sie noch als Nationalheldin gefeiert werden. Danach legt sich die Euphorie und die ukrainische Führung wird eine keineswegs einfache Aufgabe zu lösen haben: Wie soll eine ebenso berühmte wie unberechenbare und radikal eingestellte Persönlichkeit in das politische System des Landes integriert werden? Ob die Lösung dieser Aufgabe gelingt, steht bislang in den Sternen.Auf der Seite der Nachteile wird bisher nur eines deutlich: Der Fall Sawtschenko zog sich inakzeptabel lange hin. In dieser Zeit hat Moskaus Image international ernsthaft gelitten. Welcher Meinung man von der ukrainischen Pilotin auch sein mag: Wenn eine Frau einem ganzen Staat, einer Atommacht noch dazu, Widerstand leistet, hat sie die Sympathien der Weltöffentlichkeit auf ihrer Seite – unter welchem Verdacht auch immer sie stehen möge.
Wie es scheint, war der Schauprozess gegen Nadeschda Sawtschenko von Anfang an ein Fehler. Nun gab es keinen Weg zurück, der Schaden ist irreparabel. Also ging es darum, wenigsten die Folgen einzudämmen – was gestern dann auch geschah.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kommersant.
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