Neuer Zyklus Russland – USA

Alexej Jorsch
Die Beziehungen zwischen Russland und den USA sind in einer Sackgasse gelandet, was nicht nur in den beiden Ländern, sondern auch über deren Grenzen hinweg für hitzige Debatten sorgte. Selbst von einem neuen Kalten Krieg war die Rede.

Ein Grund für diese Debatten war, dass Russland während des US-Wahlkampfs plötzlich in den Vordergrund rückte. Für die Vereinigten Staaten ist das recht ungewöhnlich, denn in den Jahren zuvor hatten sich die Kandidaten im Rennen um das Weiße Haus traditionell auf die Innenpolitik konzentriert. Der Wahlkampf 2016 war in dieser Hinsicht eine Zäsur. Die Russland-Politik war ein Thema in den Auftritten des scheidenden Präsidenten Obama, der sich aktiv für Hillary Clinton engagierte. Clinton selbst stellte diese Frage in den Mittelpunkt ihrer Wahlkampfreden und der Fernsehdebatten: Die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten kritisierte darin die Russische Föderation und rechtfertigte ­Obamas Politik gegenüber dem Land.

Das erste und wichtigste Ergebnis dieser Kampagne: Zum triumphalen Abschluss der Präsidentschaft Barack Obamas, der auf die Fortsetzung seiner Politik durch Hillary Clinton gehofft hatte, kam es nicht. Obama und seine Favoritin haben verloren. Der Umstand, dass ein Kandidat die Wahl gewonnen hat, der sich für eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland und den gemeinsamen Anti-Terror-Kampf aussprach, verleiht dem Wahlausgang einen gewissen Nachdruck. Gerechtigkeitshalber muss man sagen, dass Trump auch den sozialen und wirtschaftlichen Problemen wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenkte als seine Widersacherin, was letztendlich den Ausschlag für seinen Wahlsieg gegeben hat.

Vergleicht man die Politik von Barack Obama mit jener von George Bush und Bill Clinton, stellt man fest, dass die russisch-amerikanischen Beziehungen sich in der Amtszeit des scheidenden US-Präsidenten nicht anders entwickelt haben als zur Zeit seiner beiden Vorgänger. Die Tendenzen weichen voneinander nicht sonderlich ab: Die Bemühungen um eine Verbesserung in den ersten Jahren der Regierungszeit aller drei US-Präsidenten wurden von einem Niedergang abgelöst – sogar von einer Eskalation wie zum Ende der achtjährigen Präsidentschaft Obamas. Aufstieg und Fall sind ein Kontinuum in den Beziehungen Russlands und der USA. Dies war auch früher zu beobachten, auch im sowjetisch-amerikanischen Verhältnis.

Barack Obama hat ebenfalls mit einer positiven Russland-Agenda angefangen. Er verkündete einen Neustart und eine Entspannungspolitik in den bilateralen Beziehungen. In mehreren Bereichen kam es zur aktiven Zusammenarbeit. Das New-START-Abrüstungsabkommen, das Einfrieren des Raketenabwehrprogramms in Europa, Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm, Förderung des erfolgreichen Beitritts Russlands in die WHO – die Liste der Errungenschaften dieser Zeit ist beachtlich. Dazu zählt sicherlich auch die Vereinbarung zur Vernichtung chemischer Waffen in Syrien, die die direkte US-Intervention in die Angelegenheiten dieses Landes verhindert und eine diplomatische Krisenlösung ermöglich hat, auch wenn diese nicht umgesetzt wurde.

Gänzlich gescheitert kann man die russisch-amerikanischen Beziehungen in der Zeit Barack Obamas also nicht nennen. Beide Seiten haben nicht nur die Möglichkeit eines Kompromisses demonstriert, sondern auch die Fähigkeit dazu – wenn es den politischen Willen gibt. Doch für die Weiterführung des Neustarts war das offensichtlich nicht genug. Obama bestand immer wieder auf der Exklusivität der Vereinigten Staaten, auf der Unumgänglichkeit der amerikanischen Leadership und auf dem Streben nach einer Welt, die auf vermeintlich universellen amerikanischen Werten basieren würde. Ungeachtet der beschränkten Ressourcen und Möglichkeiten der USA bestand Obama auf dieser utopischen Vor­stellung, die sich in ein ideologisches Dogma verwandelt hat.

Es liegt auf der Hand, dass Russland in diese Pax Americana nicht wirklich passte. Obama war nicht bereit, die Russische Föderation als einen gleichberechtigten Partner wahrzunehmen und ihre Interessen in den wichtigsten ­Fragen zu berücksichtigen. Kurzum: Obama zeigte keinen Willen zum Kompromiss. Und wenn Russland kein Verständnis für diese Politik zeigte, griff der US-Präsident ohne zu zögern nach der Druck-, Isolations- und Sanktionspolitik. In dieser Strategie spiegelte sich wider, wie Barack Obama Russland wirklich sah: als eine Regionalmacht, die „nichts produziert“. Dieser Irrweg hat dazu geführt, dass die russisch-amerikanischen Beziehungen eskalierten – im Zusammenhang mit Libyen und dem Arabischen Frühling, mit der Orangenen Revolution in der Ukraine, mit dem Syrien-Konflikt und den Gegensätzen im Anti-IS-Kampf.

Der Alleingang der Vereinigten Staaten bei der Umsetzung des Plutonium­abkommens hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Eine drastische Reaktion vonseiten Moskaus ließ nicht lange auf sich warten. Und so sind wir Schritt für Schritt dorthin gelangt, wo wir heute stehen. Doch historisch betrachtet können wir angesichts der Wahl eines neuen US-Präsidenten auf einen positiven Zyklus in den russisch-amerikanischen Beziehungen hoffen.

Juri Roguljew ist Leiter des Franklin-D.-Roosevelt-­Zentrums für USA-Forschung an der Moskauer Staatlichen Universität

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